Die jüngst veröffentlichte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.08.2019 (Az. 2 AZR 111/19) stellt für die Frage des Zeitpunkts des Kündigungszugangs bei Zustellung in den Hausbriefkasten auf die Gepflogenheiten am Ort der Zustellung ab.
Das LAG Baden-Württemberg hatte in der Vorinstanz (Urteil vom 14.12.2018 – Az. 9 Sa 69/18) eine generalisierende Betrachtung zur Anwendung gebracht und entschieden, dass eine Kündigung, die bis 17:00 Uhr in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen wird, diesem noch am selben Tag zugeht.
Maßgeblich für den Zugang ist grundsätzlich, ob die Kündigungserklärung in verkehrsüblicher Weise in die Verfügungsgewalt des Arbeitnehmers gelangt ist und der Arbeitnehmer unter gewöhnlichen Umständen von der Kündigung Kenntnis nehmen konnte. Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG erfolgt hiernach der Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist.
Der Einwurf des Kündigungsschreibens erfolgte im entschiedenen Fall um 13:25 Uhr. In der elsässischen Gemeinde, in welcher der Arbeitnehmer im entschiedenen Fall seinen Wohnsitz hatte, war die Postzustellung üblicherweise bereits gegen 11:00 Uhr vormittags beendet. Das Landesarbeitsgericht argumentierte jedoch, auf die lokalen Wohnortverhältnisse des Arbeitnehmers könne es für die Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht ankommen. Zum einen lasse sich die Beendigung der örtlichen Postzustellung heute nicht mehr einheitlich feststellen, zum anderen könne nicht angenommen werden, dass Empfänger den Briefkasten zeitnah nach Zustellung auch leerten. Vielmehr seien die Normalarbeitszeiten der erwerbstätigen Bevölkerung zu berücksichtigen. Ein Einwurf bis 17:00 Uhr sei daher ausreichend.
Diese aus Arbeitgebersicht begrüßenswerte Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht nun aufgehoben. Die vom Landesarbeitsgericht angesetzte Leerungszeit um 17:00 Uhr sei willkürlich und nicht ausreichend, um die Feststellungen des Kündigungszugangs zu tragen. Es bleibe bei den bisherigen Grundsätzen.
Es sei schon nicht nachvollziehbar, warum das LAG überhaupt auf die erwerbstätige Bevölkerung abstelle. Maßgeblich, so das Bundesarbeitsgericht, seien die gewöhnlichen Verhältnisse und Verkehrsanschauung hinsichtlich der Leerung eines Briefkastens am elsässischen Wohnort des Arbeitnehmers. Hierzu ließen sich aus den Annahmen des Landesarbeitsgerichts jedoch keine Rückschlüsse ziehen.
Das LAG Baden-Württemberg wird sich nun erneut mit dem Fall zu befassen und zu prüfen haben, ob nach den lokalen Verhältnissen eine Leerung der Hausbriefkästen auch bis 13:25 Uhr noch zu erwarten ist. Wie der Fall am Ende entschieden wird, bleibt also abzuwarten. Die durch die Entscheidung des LAG bezweckte Rechtssicherheit war für das BAG leider nicht maßgeblich.
Aus Arbeitgebersicht kann nur geraten werden, bei der Zustellung der Kündigung auf Nummer sicher zu gehen. Hierzu eignet sich nach wie vor am besten die persönliche Übergabe der Kündigungserklärung im Betrieb.
Bei Einwurf der Kündigung in den Hausbriefkasten sollte dieser möglichst früh am Tag, idealerweise bis 10:00 Uhr, und mit zeitlichem Puffer erfolgen.