Die Frage gehört zu den Dauerbrennern im deutschen Arbeitsrecht: Wie kann ein Arbeitgeber eine Kündigung rechtssicher zustellen? Die Antwort „per Einwurf-Einschreiben“ sorgt in der Praxis immer wieder für Probleme, weshalb die arbeitsrechtliche Beratungspraxis – wo immer möglich – die Zustellung per Boten oder eine persönliche Übergabe empfiehlt.
Von besonderer Bedeutung ist die rechtssichere Zustellung einer Kündigung, wenn neben dem Zugang an sich zusätzlich der Zugang zu einem bestimmten Termin vom Kündigenden nachgewiesen werden muss, um eine Kündigungsfrist in Gang zu setzen. Wenn diese das Jahres- oder Quartalsende als Kündigungstermin enthält, steigt das Risiko. Es kann auch um die Wahrung einer Ausschlussfrist bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung gem. § 626 Abs. 2 BGB gehen, die innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis vom Kündigungsgrund zugestellt werden muss, damit sie wirksam ist. Erfolgt die Zustellung in diesen Fällen unbeabsichtigt einen Tag zu spät, drohen Arbeitgebern (vermeidbare) Kosten in erheblicher Höhe.
So auch in dem kürzlich vom BAG entschiedenen Fall (BAG v. 20.06.2024 – 2 AZR 213/23), mit dem nun die lange umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt worden ist, welchen Beweiswert ein Einlieferungs- und Auslieferungsbeleg der Deutschen Post bei einer Zustellung per Einwurf-Einschreiben hat. Das BAG geht nun mit dem BGH (v. 27.09.2016 – II ZR 299/15) von einem „Beweis ersten Anscheins“ dafür aus, dass das Einschreiben an dem auf dem Auslieferungsbeleg vom Postboten eingetragenen Datum zugestellt und dem Empfänger – noch an diesem Tag – zugegangen ist. Glück für den Arbeitgeber beim BAG: Denn hätte er den Zugang der Kündigung – es war der Monatsletzte – nicht beweisen können, hätte sich das Arbeitsverhältnis der klagenden Arbeitnehmerin aufgrund der Kündigungsfrist zum Quartalsende um drei Monate verlängert.
Viel Geld hing somit von der Frage ab, ob das BAG den Beweis ersten Anscheins anerkennt und ob es der Arbeitnehmerin gelingen kann, besondere Gesichtspunkte vorzutragen, die gegen den Zugang am auf dem Auslieferungsbeleg genannten Tag sprechen und damit den Beweis ersten Anscheins entkräften, was weiter möglich bleibt – denn unangreifbar ist das Vorgehen einer Zustellung per Einwurf-Einschreiben nicht. Es gelang ihr jedoch nicht.
Welche Risiken ein Einwurf-Einschreiben birgt, zeigen folgende aktuelle Entscheidungen:
Arbeitgeber liefern sich somit dem Risiko von Fehlern der Deutschen Post aus, wenn sie Kündigungen per Einwurf-Einschreiben zustellen. Dies ist vermeidbar.
Eine Zustellung von Kündigungen per Einschreiben-Rückschein sollte nicht erfolgen. Denn grundsätzlich erfolgt der Zugang erst bei Aushändigung des Schreibens, was zu Problemen führt, wenn der Empfänger vom Postboten nicht angetroffen wird. Dieser bringt das Schreiben in diesem Fall in eine Postfiliale und benachrichtigt den Empfänger – holt dieser das Schreiben anschließend nicht ab, geht das Schreiben vorerst nicht zu. Der Empfänger hat es somit beim Einschreiben-Rückschein in der Hand, die Zustellung zu verhindern oder zumindest zu verzögern.
Für die Praxis empfehlen wir, abwesenden Mitarbeitern Kündigungen per Boten zuzustellen. Der Bote kann im Streitfall als Zeuge vor Gericht den vollen Beweis für den Zustellzeitpunkt der Kündigung durch die Einlegung in den Hausbriefkasten erbringen. Steht kein geeigneter Mitarbeiter als Bote zur Verfügung, können auch kommerzielle Botendienste für die Zustellung eingesetzt werden.
Zudem sollte der Bote den Briefumschlag, wenn die Zustellung am letzten Tag einer Frist eingeworfen wird, direkt morgens, möglichst noch vor 8:00 Uhr (allgemeiner Beginn der Zustellzeit der Deutschen Post) einwerfen, um den sicheren Zugang noch am selben Tag sicherzustellen. Zwar hat das BAG nun für das Einwurf-Einschreiben entschieden, dass der Zugang grundsätzlich noch am Tag des Auslieferungsbelegs erfolgt, egal zu welcher Uhrzeit das Schreiben vom Postboten konkret in den Briefkasten eingelegt worden ist. Denn dieser werde die Zustellung im Regelfall innerhalb seiner Arbeitszeit ausführen, innerhalb derer der konkrete Zustellungszeitpunkt jedoch variieren könne, z.B. je nach Postmenge und Organisation am konkreten Tag. Mit einer Leerung des Briefkastens im Anschluss an die Arbeitszeiten der Postboten sei aber zu rechnen. Bei einer Botenzustellung nach 8:00 Uhr besteht das Risiko, dass diese nach den örtlichen Zustellzeiten der Deutschen Post und damit nach einer ggf. bereits vorgenommen Leerung des Briefkastens durch den Empfänger erfolgt – die Zustellung wäre damit erst am Folgetag bewirkt.
Die vom LAG Berlin-Brandenburg (v. 16.05.2024 – 5 Sa 893/23) vertretene Ansicht, wonach in Berlin Briefe bis 15:30 Uhr für einen Zugang am gleichen Tag zugestellt werden können, ist eine Einzelfallentscheidung, die u.a. aufgrund persönlicher Erfahrungen des Gerichts zustande gekommen ist. Es kann nur davor gewarnt werden, dies zu verallgemeinern, denn das BAG stellt auf den Abschluss der am Wohnsitz üblichen Postzustellzeiten als zeitliche Grenze ab, die allerdings stark variieren können (BAG v. 22.08.2019 – 2 AZR 111/19; 26.03.2015 – 2 AZR 483/14). Eine frühestmögliche Zustellung von Schreiben per Boten am Tag eines Fristablaufs ist daher – egal wo in Deutschland – aus unserer Sicht weiter ratsam.
Unbedingt sollte auf eine belastbare Beweiskette hinsichtlich des Inhalts des zugestellten Briefes, gleich ob eine Zustellung per Boten oder Einwurf-Einschreiben erfolgt, geachtet werden. Der Bote muss z.B. gesehen haben, welches Schreiben der von ihm zuzustellende Briefumschlag enthält, da er sonst vor Gericht als Zeuge nur aussagen könnte, dass er einen Briefumschlag zugestellt hat, aber nichts zum Inhalt. Ausreichend wäre es, wenn der Mitarbeiter, der den Briefumschlag mit dem Kündigungsschreiben dem Boten aushändigt, das vom Geschäftsführer unterzeichnete Kündigungsschreiben selbst in den Briefumschlag steckt, da er dann vor Gericht den Inhalt des Briefes bezeugen kann und der Bote die Zustellung genau dieses Briefs – eine belastbare Beweiskette ist damit hergestellt. Geschäftsführer, die als Partei des Rechtstreits nicht als Zeugen auftreten können, sollten daher keine verschlossenen Briefumschläge mit Kündigungsschreiben zur Zustellung aushändigen.
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