Zentrale Anforderung an die Leistungsbeschreibung ist sowohl im Oberschwellenbereich (§ 121 Abs. 1 GWB i. V. m. § 31 Abs. 2 Nr. 1 VgV) als auch im Unterschwellenbereich (§ 23 Abs. 1 Satz 1 UVgO), dass der Auftragsgegenstand in der Leistungsbeschreibung „so eindeutig und erschöpfend wie möglich“ beschrieben wird. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die auf dieser Basis gelegten Angebote miteinander vergleichbar sind.
In der Praxis erweist sich die Umsetzung dieser Anforderung für Auftraggeber jedoch immer wieder als tückisch. Oft behilft sich der Auftraggeber bei Parametern zu Produktabmessung und Leistungswerten, bei denen er sich bei der Gestaltung der Unterlagen im Vorfeld der Ausschreibung (noch) nicht festlegen möchte, mit „Ca.-Angaben“. Dass ein solches Vorgehen vergaberechtlich unzulässig ist, zeigt jedoch einmal mehr eine aktuelle Entscheidung der VK Sachsen (Beschl. v. 25.06.2019 – 1/SVK/013-19, abrufbar unter folgenden Link).
Was war passiert?
Die Auftraggeberin und spätere Antragsgegnerin führte ein europaweites Verfahren zur Vergabe eines Vertrages über die Lieferung und Montage von Bürodrehstühlen durch. Die Leistungsbeschreibung enthielt diverse „Ca.-Angaben“.
So hieß es beispielsweise hinsichtlich der Mechanik: „Standard für Körpergewicht von ca. 50-130 kg; Mindestens zwei vorwählbare Sitzneigungen (ca. -1°/-4°)“. In der Kategorie Sitzfläche/Rückenlehne fanden sich folgende Parameter: „Sitzhöhe: ca. 40 bis 53 cm, Sitzbreite: ca. 45 bis 47 cm, Sitztiefe: ca. 37 bis 47 cm; Rückenlehne, Breite ca. 46 cm“. Bezüglich der Armlehnen hieß es: „Multifunktionsarmlehnen (5D), Höhenverstellbar ca. 10 cm, Breitenverstellbar (beidseitig ca. 2,5 cm mittels Klappverschluss), Armlehnenauflage tiefen- und breitenverstellbar ca. 4 cm“.
Mehrere Bieter, darunter auch die spätere Antragstellerin, gaben ein Angebot ab. Die Antragstellerin stellte – wie auch die anderen entsprechend aufgeforderten Bieter – der Antragsgegnerin die angebotenen Produkte vollständig montiert für eine Bemusterung zur Verfügung.
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin nach Prüfung und Wertung der Angebote einschließlich der Bemusterung mit, dass ihr Angebot ausgeschlossen werde, da der angebotene Bürodrehstuhl nicht die in der Leistungsbeschreibung geforderten Parameter einhalte. Den Zuschlag erhalte eine Konkurrentin.
Nach Rüge der Antragstellerin und Nichtabhilfe seitens der Antragsgegnerin beantragte die Antragstellerin bei der zuständigen VK Sachsen die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
Entscheidung der VK Sachsen: Ausschluss ist unzulässig, da Leistungsbeschreibung nicht eindeutig formuliert ist!
Nach der VK Sachsen ist der zulässige Nachprüfungsantrag auch begründet. Die Antragstellerin sei durch den Ausschluss ihres Angebotes und die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Konkurrentin in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Denn die Leistungsbeschreibung sei nicht im Sinne von § 121 Abs. 1 Satz 1 GWB i. V. m. § 31 VgV dergestalt eindeutig gewesen, dass alle Unternehmen die Beschreibung im gleichen Sinne hätten verstehen und die Angebote miteinander hätten verglichen werden können. Daher sei der von der Antragsgegnerin vorgenommene Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin wegen Änderung an den Vergabeunterlagen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV vergaberechtswidrig.
Hintergrund dieser strengen Rechtsprechung ist es, dass Angebote, in denen Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind, nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zwingend von der Wertung ausgeschlossen werden müssen. Dafür reicht es bereits aus, wenn das Angebot nur eine einzige Vorgabe der Vergabeunterlagen nicht erfüllt.
Allerdings ist nach der VK Sachen Voraussetzung für die Annahme einer entsprechenden Änderung, dass die Vergabeunterlagen im Sinne von § 121 Abs. 1 GWB i. V. m. § 31 Abs. 2 Nr. 1 VgV klar und eindeutig sind. Diesen Anforderungen genüge die Leistungsbeschreibung der Antragsgegnerin für die Bürodrehstühle nicht, weil diese im Leistungsverzeichnis an vielen Stellen mit „Ca.-Angaben“ zu den Produktabmessungen und Leistungswerten, anstatt – wie etwa in DIN-Normen üblich – mit verbindlichen Minimal- und Maximalwerten gearbeitet habe. Dadurch sei für den Bieter nicht ersichtlich gewesen, was genau er habe anbieten müssen. Dann aber könne auch keine zum Ausschluss führende Änderung angenommen werden.
Fazit
Die Entscheidung der VK Sachsen zeigt einmal mehr, dass Auftraggeber gehalten sind, ihren Bedarf sehr genau zu beschrieben und insbesondere auf „Ca.-Angaben“ in Bezug auf Produktabmessungen und/oder Leistungswerte zu verzichten. Stattdessen sollte ein Toleranzbereich durch die konkrete Festlegung von Minimal- und Maximalwerten bestimmt werden. Dabei sollte der Auftraggeber vornehmlich seine persönlichen Anforderungen an den Auftragsgegenstand im Auge haben, dabei aber auch nicht außer Acht lassen, ob der zur Verfügung stehende Markt die gewünschten Anforderungen bedienen kann.
Auch wenn die Entscheidung zum Oberschwellenvergaberecht ergangen ist, lassen sich die Anforderungen mit Blick auf die Parallelität der Regelungen im Oberschwellenbereich einerseits (§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB i. V. m. § 31 Abs. 2 Nr. 1 VgV) und im Unterschwellenbereich andererseits (§ 23 Abs. 1 Satz 1 UVgO) 1:1 auf die Vergaben nach Unterschwellenvergaberecht übertragen.
Haben Sie Fragen im Zusammenhang mit der rechtssicheren Gestaltung von Leistungsbeschreibungen? Wir beraten Sie gerne!