Im Rahmen der eVergabe hat die gesamte Bieterkommunikation in Textform zu erfolgen. Die Textform im Sinne von § 126b BGB verlangt insbesondere die Nennung der Person des Erklärenden. Insoweit kommt es in der Vergabepraxis jedoch immer wieder zu Unstimmigkeiten, wann dies der Fall ist. Nunmehr hat sich die VK Lüneburg in ihrem Beschluss vom 19.09.2022 (VgK-16/2022, abrufbar unter folgendem Link) zu der Frage positioniert, wann von der Nennung der Person des Erklärenden sowie von der Kenntlichmachung des Abschlusses der Erklärung auszugehen ist.
Was war passiert?
Der Auftraggeber schrieb die Fahrbahnerneuerung und Kampfmittelsondierung eines Autobahnabschnitts als Bauauftrag nach der VOB/A-EU im offenen Verfahren europaweit aus.
Laut der Aufforderung zur Angebotsabgabe waren für den Fall des beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes im entsprechenden, mit dem Angebot einzureichenden Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen die für eine Leistungserbringung durch die Nachunternehmer vorgesehenen Leistungen bzw. Teilleistungen anzugeben. Ferner war vorgesehen, dass der Bieter auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle binnen einer von ihr gesetzten, angemessenen Frist das Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen ergänzt um die Namen der Nachunternehmer vorzulegen habe.
Unter anderem die spätere Antragstellerin und die spätere Beigeladene gaben ein Angebot ab.
Die Antragstellerin benannte im mit dem Angebot eingereichten Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen Leistungen bzw. Leistungsteile, die sie beabsichtige, durch Nachunternehmer ausführen zu lassen. Dementsprechend wurde sie mit Schreiben vom 07.06.2022, welches auf dem Briefkopf des Auftraggebers erstellt und mit „Vorlage von Nachweisen“ überschrieben war, vom Auftraggeber aufgefordert, innerhalb von zehn Kalendertagen die Ergänzung des Verzeichnisses der Nachunternehmerleistungen um die Namen der Unternehmen vorzulegen. Der Aussteller des Schreibens (Herr X) war sowohl der E-Mail-Adresse im Briefkopf als auch dem abgedruckten Namen unter der Grußformel des Schreibens zu entnehmen; eine Unterschrift fehlte jedoch. Die Korrespondenz wurde – wie alle übrige Korrespondenz des Auftraggebers im Verfahren, unter anderem auch mit der Antragstellerin – über die Vergabeplattform geführt.
Die Antragstellerin reichte das ergänzte Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen nicht fristgerecht ein.
Mit Schreiben vom 27.07.2022 informierte der Auftraggeber die Antragstellerin, dass ihr Angebot aufgrund der nicht fristgerechten Vorlage der Namen der Nachunternehmen gemäß § 16 Nr. 4 VOB/A-EU vom weiteren Verfahren ausgeschlossen worden sei.
Die Antragstellerin rüge daraufhin ihren Ausschluss als vergaberechtswidrig. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, dass die Namen der Nachunternehmen mit dem Schreiben vom 06.07.2022 nicht wirksam gefordert worden seien, da das Schreiben nicht der in der elektronischen Kommunikation geforderten Textform im Sinne von § 126b BGB entspreche.
Nachdem der Auftraggeber auf die Rüge nicht abhalf, legte die Antragstellerin bei der VK Lüneburg einen Nachprüfungsantrag ein.
Ohne Erfolg!
Entscheidung der VK Lüneburg: Das Angebot war als unvollständig auszuschließen, weil es trotz den Anforderungen an die Textform genügender Nachforderung nicht rechtzeitig vervollständigt wurde.
Mit seinem Schreiben vom 07.06.2022 habe der Auftraggeber die Antragstellerin – entsprechend des Vorbehalts in den Vergabeunterlagen – aufgefordert, innerhalb von zehn Kalendertagen die Ergänzung des Verzeichnisses der Nachunternehmerleistungen um die Namen der Unternehmen vorzulegen. Dieses Anforderungsschreiben sei im Ergebnis, so die VK Lüneburg, entgegen der Auffassung der Antragstellerin wirksam.
Die Antragstellerin vertrete die Auffassung, das entsprechende, vom Auftraggeber über die Vergabeplattform verschickte Schreiben habe das Entwurfsstadium nicht verlassen. Vielmehr gehe sie davon aus, dass es irrtümlich versandt worden sei. Die Anforderungen an die Textform seien nicht erfüllt. Zwar sei die Vergabestelle aus dem Briefkopf erkennbar, auch eine E-Mail-Adresse sei lesbar – von Mitarbeiter X. Die Unterschriftszeile sei jedoch leer geblieben. Für die Einhaltung der Textform habe jedoch wenigstens eine maschinelle Namensnennung erfolgen müssen, wie auch bei anderen Schreiben des Antragsgegners üblich. Demgegenüber sei das Anforderungsschreiben, das nunmehr vom Auftraggeber für den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin herangezogen worden sei, nicht nur mit einer leeren Unterschriftenzeile, sondern mit einem in Klammern gesetzten Namen „(X)" abgeschlossen. Deshalb gehe die Antragstellerin davon aus, dass dies im Gegensatz zu den anderen formularmäßigen Schreiben lediglich ein Entwurf gewesen sei und deshalb keine Rechtswirkung entfalten dürfe.
Dieser Auffassung der Antragstellerin stehe, so die VK Lüneburg, jedoch entgegen, dass an die Textform gemäß § 126b BGB erheblich geringere Anforderungen als an die Schriftform gestellt würden. Die Textform verlange die Nennung der Person des Erklärenden. Gleichgültig sei aber, wo der Name des Erklärenden genannt werde. Möglich sei also eine Nennung in einer faksimilierten Unterschrift, aber etwa auch im Kopf oder Inhalt der Erklärung. Zwar fordere das Gesetz nicht (mehr) ausdrücklich die Erkennbarkeit des Abschlusses der Erklärung. Andererseits könne die Textform jedoch ihre Funktion – Information und Dokumentation von Erklärungen – nur dann erfüllen, wenn für den Empfänger auch ersichtlich sei, ob die Erklärung rechtlich bindend sein solle und vollständig sei. Daher müsse bei der Textform nach wie vor der Abschluss der Erklärung erkennbar gemacht werden. Hierdurch solle – insoweit ähnlich wie die Unterschrift bei der Schriftform – das Ende der Erklärung kenntlich gemacht und damit das Stadium des Entwurfs von dem der rechtlichen Bindung abgegrenzt werden. Die Kenntlichmachung des Abschlusses der Erklärung könne auf verschiedene Weise erfolgen, etwa durch die Nennung des Namens am Textende, ein Faksimile, eine eingescannte Unterschrift, den Zusatz „Diese Erklärung ist nicht unterschrieben", aber auch durch eine Datierung oder eine Grußformel.
Diesen Anforderungen genüge das Schreiben des Auftraggebers vom 07.06.2022. Die Korrespondenz sei im Übrigen – wie alle übrige Korrespondenz des Auftraggebers auch – über die Vergabeplattform geführt worden. Die Antragstellerin habe daher keinen Anlass gehabt, die Verbindlichkeit dieser Anforderung zu bezweifeln.
Schlussendlich sei der Auftraggeber – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – weder gehalten noch berechtigt gewesen, die geforderten Angaben nach Verstreichen der gesetzten Frist noch einmal nachzufordern. Denn gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 VOB/A-EU seien nur Unterlagen nachzufordern, die bereits mit dem Angebot vorzulegen gewesen seien.
Fazit und Praxishinweise
Überzeugend hält die VK Lüneburg in ihrer Entscheidung fest, dass
Auch wenn die Rechtsprechung hinsichtlich der Erfüllung der Anforderungen an die Nennung der Person des Erklärenden sowie die Kenntlichmachung des Abschlusses der Erklärung Spielraum einräumt, ist Auftraggebern zu raten, auf „Nummer sicher“ zu gehen und routinemäßig bei Schreiben im Rahmen von Vergabeverfahren über die Vergabeplattform den Vor- und Nachnamen des Erklärenden in Klarschrift am Textende aufzunehmen. Dann können Diskussionen, ob im Einzelfall die Anforderungen der Textform eingehalten wurde, von vornherein vermieden werden.
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