Ein Feststellungsbescheid gemäß § 26 KrWG über die freiwillige Rücknahme von Abfällen im Rahmen der Wahrnehmung der Produktverantwortung entfaltet grundsätzlich so lange bundesweit seine privilegierende Wirkung, bis er aufgehoben wird. Ob der von der zuständigen Behörde gemäß § 26 Abs. 6 KrWG erteilte Feststellungsbescheid rechtmäßig ist, ist dabei unerheblich. Das hat das VG Düsseldorf mit Urteil vom 07.05.2015 (17 K 8650/13) entschieden.
Zum Sachverhalt
Klägerin war vorliegend eine Tochtergesellschaft der schwedischen H & M Hennes & Mauritz AB, die bundesweit einen Einzelhandel mit Bekleidung betreibt. Auf Antrag der Klägerin wurde von der Freien und Hansestadt Hamburg als der zuständigen Behörde durch Bescheid vom 25.03.2013 festgestellt, dass diese freiwillig die Rücknahme von Bekleidung in Wahrnehmung ihrer Produktverantwortung nach § 23 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 5 KrWG durchführe. Durch die Rücknahme werde die Kreislaufwirtschaft gefördert, weil die angenommenen Abfälle einer stofflichen Verwertung zugeführt würden und die umweltverträgliche Verwertung sichergestellt werde.
Auf dieser Grundlage nimmt die Klägerin seither in ihren Verkaufsgeschäften im gesamten Bundesgebiet getragene Alttextilien ihrer Kunden an und teilt als Gegenleistung einen Einkaufsgutschein aus, der beim nächsten Warenverkauf eingelöst werden kann. Die freiwillige Rücknahme ist nicht auf Kleidungsstücke beschränkt, die die Kunden bei der Klägerin erworben haben; vielmehr umfasst die Rücknahme auch gebrauchte Bekleidung bzw. Altkleidung anderer Hersteller und Vertreiber. Dass dieses Vorgehen vom Feststellungsbescheid gedeckt sein soll, wurde mit einem weiteren Feststellungsbescheid der Freien und Hansestadt Hamburg vom 20.12.2013 ausdrücklich klargestellt.
Im Mai 2013 wurde der Klägerin durch eine nordrhein-westfälische Kommune, die spätere Beklagte, mitgeteilt, dass es sich aus ihrer Sicht bei der Erfassung von Alttextilien anderer Hersteller nicht um eine „freiwillige Rücknahme“, sondern vielmehr um eine gewerbliche Sammlung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 4 KrWG handele. Die Klägerin sei daher verpflichtet, die Sammlung bei der Beklagten anzuzeigen. Dieser Auffassung widersprach die Klägerin unter Hinweis auf den ihr erteilten Feststellungsbescheid. Daraufhin untersagte die Beklagte der Klägerin gestützt auf § 62 i. V. m. § 18 Abs. 1 KrWG die Sammlung von Bekleidung aus privaten Haushaltungen in ihrem gesamten Stadtgebiet und drohte ihr für den Fall eines Zuwiderhandelns ein Zwangsgeld an. Gegen diese Ordnungsverfügung richtete sich die Klage beim VG Düsseldorf.
Entscheidung und rechtlicher Kontext
Das VG Düsseldorf hat nun der Klage von H & M stattgegeben. Denn nach Ansicht des VG Düsseldorf ist die Ordnungsverfügung materiell rechtswidrig.
Die Voraussetzungen des § 62 i. V. m § 18 Abs. 1 Alt. 2 KrWG seien nicht gegeben. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt gegen die Anzeigepflicht gemäß § 18 Abs. 1 Alt. 2 KrWG i. V. m. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG verstoßen. Denn eine Anzeigepflicht bestehe nur für gewerbliche und gemeinnützige Sammlungen, nicht aber für Systeme der freiwilligen Rücknahme im Rahmen der Produktverantwortung.
Der Klägerin sei von der zuständigen Behörde durch Bescheid vom 25.03.2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.12.2013 ein Feststellungsbescheid gemäß § 26 Abs. 6 KrWG erteilt worden, wonach sie freiwillig die Rücknahme von Altkleidern zur Wahrnehmung ihrer Produktverantwortung durchführe. Durch den Änderungsbescheid vom 20.12.2013 sei von der zuständigen Behörde außerdem ausdrücklich geregelt worden, dass die Feststellung auch die freiwillige Rücknahme von Altkleidern anderer Hersteller umfasse.
Damit komme der Klägerin die Privilegierung von der Überlassungspflicht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG zu Gute, ohne dass es noch darauf ankomme, ob der Feststellungsbescheid rechtmäßig oder gar bestandskräftig sei. Denn die Ausnahme von der Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG greife bereits dann ein, wenn nur ein wirksamer Feststellungsbescheid der zuständigen Behörde gemäß § 26 Abs. 6 KrWG erteilt worden sei. Ab diesem Zeitpunkt wirke die Privilegierung bundesweit.
Weiterhin führt das VG Düsseldorf aus, dass die ergangene Ordnungsverfügung im Übrigen auch ermessensfehlerhaft sei. Denn eine Untersagung unter Hinweis auf eine nicht erfolgte Anzeige gemäß § 18 KrWG setze in jedem Fall voraus, dass zunächst mildere Mittel zur Rechtsdurchsetzung ergriffen werden, namentlich der Erlass einer auf § 62 KrWG gestützten Ordnungsverfügung, mit welcher dem Sammler die Erstattung einer Sammlungsanzeige (ggf. unter Zwangsgeldandrohung) aufgegeben werde.
Fazit und Konsequenzen für die Praxis
Nachdem das VG Würzburg bereits im Februar 2015 (Widerspruch 4 K 13.1015) der Modekette Adler zugestanden hat, Altkleider in Wahrnehmung der Produktverantwortung nach § 26 KrWG unabhängig davon zurückzunehmen, ob diese ursprünglich selbst hergestellt oder vertrieben worden sind, gestattet nun das VG Düsseldorf auch H & M die umfassende Fortsetzung des eingerichteten Rücknahmesystems. Anders als das VG Würzburg musste sich das VG Düsseldorf dabei zunächst freilich nicht mit der Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids nach § 26 KrWG befassen. Dafür haben die Düsseldorfer Richter noch einmal klargestellt, dass derartige Feststellungsbescheide bereits mit ihrem Erlass bundesweite Privilegierungswirkungen entfalten – und zwar unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit und auch ohne weitere Anzeigepflicht nach § 18 KrWG. Für Hersteller und Vertreiber, die Alttextilien oder auch andere Abfälle im Rahmen ihrer Produktverantwortung zurücknehmen wollen, bedeutet dies ein großes Plus an Rechtssicherheit.