Nachdem bereits im Mai 2010 das OVG Lüneburg (<link aktuelles public-commercial-law news article der-kampf-um-das-altpapier-geht-weiter-ovg-niedersachsen-bezweifelt-rechtmaessigkeit-einer-untersag external-link-new-window>7 ME 20/10, 12 B 5464/09) und darauf folgend im Juli 2010 das VG Gelsenkirchen (14 L 372/10) privaten Entsorgungsunternehmen die jedenfalls vorläufige Fortführung ihrer gewerblichen PPK-Sammlungen mittels „Blauer Tonnen“ im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zugestanden hatten, hat sich nunmehr auch das VG Düsseldorf in zwei Beschlüssen vom 28.10.2010 (17 L 1318/10 und 17 L 1330/10) zugunsten einer maßvollen Anwendung des sogenannten „Altpapier-Urteils“ des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.06.2009 (7 C 16/08) positioniert.
Konkret hatte das VG Düsseldorf über zwei gewerbliche Sammlungen auf dem Gebiet verschiedener im Rhein-Kreis Neuss belegener Gemeinden zu entscheiden. Die Sammlungen wiesen jeweils die Besonderheit auf, dass das private Entsorgungsunternehmen seine Tätigkeit zunächst als Drittbeauftragter der gemäß § 5 Abs. 6 LAbfG NRW für die Sammlung und den Transport von Abfällen aus privaten Haushaltungen zuständigen Gemeinden begonnen und erst später im Einvernehmen mit der Gemeinde in eine gewerbliche Sammlung überführt hatte. Im Zuge der Umstellung der Sammlung wurden die Abfälle nicht mehr der vom Kreis bei der Erfüllung seiner Entsorgungspflicht eingesetzten Wertstoffsortier- und Abfallbehandlungsanlage, sondern einer anderen Verwertungsanlage zugeführt. Die Gemeinden hatten ihrerseits ihre eigene Sammlungstätigkeit unter Hinweis auf das Bestehen einer zu 100% flächendeckenden gewerblichen Sammlung eingestellt und die bestehenden Entsorgungsverträge ruhend gestellt. Hiergegen wandte sich der Rhein-Kreis Neuss und untersagte dem Entsorgungsunternehmen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die weitere Fortführung seiner gewerblichen Sammlung. Zur Begründung verwies der Kreis auf das Altpapier-Urteil des BVerwG vom 18.06.2009. Bei Zugrundelegung der hier aufgestellten Maßstäbe sei die Tätigkeit des privaten Entsorgungsunternehmens schon nicht als gewerbliche Sammlung im Sinne des § 13 KrW-/AbfG einzustufen. Denn insbesondere habe das Entsorgungsunternehmen die vormals öffentlich-rechtliche Sammlung mit ihren festen Strukturen unverändert übernommen und diese Sammlung vollständig verdrängt; eine Abgrenzung vom Bild der öffentlich-rechtlichen Sammlung, wie sie das BVerwG gefordert habe, sei deshalb nicht möglich. Die sofortige Vollziehung wiederum sah der Kreis aufgrund des öffentlichen Interesses an einer funktionierenden Abfallentsorgung zu vertretbaren Kosten als notwendig an. Durch die Sammlung der Antragstellerin gingen dem Kreis erhebliche Mengen an Altpapier verloren, die andernfalls bei der Gebührenkalkulation berücksichtigt werden könnten. Zudem sei die Neuausschreibung der Altpapierentsorgung in fünf der acht Städte und Gemeinden des Rhein-Kreises Neuss geplant; hierbei sollten die Altpapiermengen der von den verfahrensgegenständlichen gewerblichen Sammlungen betroffenen Gemeinden berücksichtigt werden.
VG sieht Voraussetzungen einer zulässigen gewerblichen Sammlung erfüllt
Der Argumentation des Kreises konnte sich das VG Düsseldorf jedoch nicht anschließen. Zwar treffe es zu, dass die Sammlung des privaten Entsorgungsunternehmens in dauerhaften und festen Strukturen erfolge und sich damit, auch in Anbetracht ihrer Flächendeckung, nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht wesentlich von der Sammlung unterscheide, die zuvor als Drittbeauftragter der betroffenen Gemeinden durchgeführt worden sei. Ein entscheidender Unterschied zur Tätigkeit eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. dessen Drittbeauftragten bestehe jedoch zum einen in der Freiwilligkeit der Überlassung des Altpapiers an das Entsorgungsunternehmen. Zudem mangele es an einem ausdrücklichen Vertragsschluss zwischen den Benutzern der Altpapiertonne und dem Entsorgungsunternehmen. Allenfalls, so das VG Düsseldorf, könne von einem konkludenten Vertragsschluss durch Bestellung und Bereitstellen der Tonne durch den Haushalt einerseits und die anschließende Abholung des Altpapiers durch das Entsorgungsunternehmen andererseits ausgegangen werden. Hierin sei jedoch kein Unterschied zu traditionellen gewerblichen Sammlungen zu erblicken, so dass ein solcher konkludenter Vertragsschluss auch unter Beachtung der BVerwG-Rechtsprechung nicht gegen das Vorliegen einer gewerblichen Sammlung im Sinne des § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG spreche. Schließlich erfolge die Abholung der PPK-Abfälle durch den privaten Entsorger kostenlos, während die Abfallsammlung öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger durch das Bestehen einer Gebührenpflicht gekennzeichnet sei. Insgesamt sieht das VG Düsseldorf damit hinreichend Anhaltspunkte dafür, dass die verfahrensgegenständlichen Sammlungen keine Sammlungen „nach Art eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers“ darstellten, wie sie das BVerwG mit Urteil vom 18.06.2009 aus dem Sammlungsbegriff des KrW-/AbfG ausgeklammert hatte.
Auch überwiegende öffentliche Interessen sieht das VG Düsseldorf bei summarischer Prüfung nicht berührt. Die Gemeinden seien von der Sammlungstätigkeit des privaten Entsorgers nicht negativ betroffen, da diese soweit ersichtlich weder Personal noch Sachmittel für den Fall der Einstellung der gewerblichen Sammlung bereit hielten. Vielmehr profitierten die Gemeinden sogar von der gewerblichen Sammlung, da sie die Kosten für die Papiersammlung und die Entsorgungsgebühr des Rhein-Kreises Neuss spare. Auch überwiegende Interessen des Kreises selbst seien nicht zu erblicken. Insbesondere stehe weder die beabsichtigte Ausschreibung noch der Verlust von mit dem Altpapier zu erzielenden Gewinnen der Sammlungstätigkeit entgegen.
Verweis auf die Neuregelung der Überlassungspflichten im Referenten-entwurf für ein KrWG
Schließlich verweist das VG Düsseldorf darauf, dass sich die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmende summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache an der zum Zeitpunkt des Hauptsacheverfahrens maßgeblichen Rechtslage ausrichten müsse. Das VG habe somit in seine Entscheidung einzustellen, dass aus der Begründung zum <link aktuelles public-commercial-law news article referentenentwurf-zum-neuen-kreislaufwirtschaftsgesetz-neue-regelungen-fuer-gewerbliche-sammlung external-link-new-window>Referentenentwurf für ein neues Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) ersichtlich werde, dass die Normen zur Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen einer europarechtskonformen Novellierung zugeführt werden sollten. Es sei deshalb zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Hauptsacheentscheidung die streitentscheidenden Normen möglicherweise eine erhebliche Änderung erfahren haben werden. Der Ausgang der Hauptsache sei damit in jedem Fall als offen anzusehen, so dass sich die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz an einer allgemeinen Interessenabwägung ausrichten müsse. Eine solche Interessenabwägung müsse aber, wir bereits das OVG Lüneburg und das VG Gelsenkirchen betont hatten, in jedem Fall zugunsten des privaten Sammlers ausgehen. Denn im Falle der Einstellung der vorläufigen gewerblichen Sammlung müssten sowohl der Landkreis als auch die betroffenen Gemeinden und der private Sammler vertragliche Regelungen mit Dritten treffen, welche möglicherweise nicht ohne Weiteres rückgängig gemacht werden könnten. Es drohe damit letztlich eine Vorwegnahme der Hauptsache.
Fazit
Mit seiner Entscheidung gibt das VG Düsseldorf der bereits durch das OVG Lüneburg und das VG Gelsenkirchen vertretenen Ansicht, dass auch dauerhaft und in festen Strukturen erfolgende Sammlungstätigkeiten nicht von vornherein unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerwG vom 18.06.2009 untersagt werden können, neuen Auftrieb. Bemerkenswert ist dabei insbesondere, dass das VG Düsseldorf trotz der Fortsetzung einer öffentlich-rechtlichen Sammlung in gewerblicher Form hinreichende Abgrenzungsmerkmale zu einer Sammlung „nach Art eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers“ sieht. Es misst demnach dem Umfang und dem Grad der Flächendeckung der Sammlung, welche das OVG Lüneburg und das VG Gelsenkirchen maßgeblich zum Vergleich von gewerblichen Sammlungen und Sammlungen „nach Art eines Entsorgungsträgers“ herangezogen hatten, einen nur geringen Stellenwert zu. Damit erscheinen auch umfangreiche Sammlungen mittels Blauer Tonnen nicht von vornherein unzulässig, solange diese nur kostenlos und ohne feste Laufzeiten oder andere Verpflichtungen von Haushaltungen und Entsorgungsunternehmen erfolgen.
Zudem werden durch den überzeugenden Verweis des VG Düsseldorf auf die anstehende Neuregelung der Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen im KrWG die Möglichkeiten der zuständigen Behörden zur Anordnung des Sofortvollzuges in gleichgelagerten Untersagungsverfügungen eingeschränkt. Sollte sich die Ansicht des VG Düsseldorf durchsetzen, müsste eine Klärung der Rechtmäßigkeit einer gewerblichen Sammlung stets dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, in welchem dann – je nach Gesetzgebungsstand – bereits nach den Vorschriften des neuen KrWG zu entscheiden wäre. Dies böte erhebliche Vorzüge für die private Entsorgungswirtschaft, da das KrWG die Spielräume zulässiger gewerblicher Sammlungen aller Voraussicht nach erheblich weiter ziehen wird, als dies § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG in der Auslegung durch das BVerwG tut.
Der Rhein-Kreis Neuss hat gegen die Entscheidungen des VG Düsseldorf Beschwerde eingelegt, deren Ausgang mit Spannung erwartet werden darf.