Die MAV Mineralstoff-Aufbereitung und -Verwertung GmbH („MAV“) hat mit Unterstützung von avocado rechtsanwälte einen Rechtsstreit gegen das Land NRW wegen dessen mengenabhängiger Erhebung von Verwaltungsgebühren für die Durchführung von abfallrechtlichen Notifizierungsverfahren gewonnen. Das Verwaltungsgericht („VG“) Düsseldorf hat mit Urteil vom 28.05.2019 (Az. 17 K 9985/18, abrufbar unter folgendem Link) klargestellt, dass die in NRW praktizierte Gebührenerhebung unter Zugrundelegung der notifizierten Abfallmenge gegen EU-Recht verstößt. Das Gericht folgte damit der Argumentation von avocado rechtsanwälte und hob die angegriffenen Gebührenbescheide vollumfänglich auf. Durch das Land NRW wurde kein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des VG Düsseldorf eingelegt, das Urteil ist somit rechtskräftig.
Was war passiert?
MAV hatte in zwei Fällen bei der Bezirksregierung Düsseldorf die Notifizierung von Abfallverbringungen in die Niederlande (30.000 bzw. 150.000 Tonnen) beantragt. Die Bezirksregierung erließ die Zustimmung zu den Notifizierungen antragsgemäß und setzte anschließend für das Notifizierungsverfahren die Gebühren auf 13.500,00 Euro bzw. 30.000,00 Euro fest. Der Berechnung wurde entsprechend der einschlägigen Tarifstelle ein Wert von 0,45 Euro pro Tonne zugrunde gelegt. Mit den Klagen gegen die Gebührenbescheide wurde im Wesentlichen angegriffen, dass die Heranziehung der Abfallmenge für die Gebührenbemessung nach der Verordnung (EG) Nummer 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen („VVA“) nicht mit der im Unionsrecht verankerten Warenverkehrsfreiheit vereinbar ist.
Entscheidung des VG Düsseldorf: Gebührenbemessung anhand Abfallmenge unzulässig
Das VG Düsseldorf ist der Argumentation von avocado rechtsanwälte gefolgt und hat die verfahrensgegenständlichen Gebührenbescheide aufgehoben. Rechtsgrundlage der Erhebung von Gebühren für die Durchführung des Notfizierungsverfahrens bei grenzüberschreitenden Abfallverbringungen sei Art. 29 VVA. Dieser setze jedoch voraus, dass die aufzuerlegenden Verwaltungskosten angemessen und verhältnismäßig seien. Nach Ansicht des VG Düsseldorfs sind diese Voraussetzungen bei der streitgegenständlichen Gebührenfestsetzung nicht erfüllt, weil die mengenabhängige Bemessung mit grundlegenden Anforderungen des Unionsrechts unvereinbar sei, namentlich der Warenverkehrsfreiheit und speziell dem Verbot von Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie Ein- und Ausfuhrzölle. Das VG Düsseldorf stellt insoweit klar, dass es sich auch bei Abfällen um Erzeugnisse handele, die der Warenverkehrsfreiheit unterlägen.
Die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes („EuGH“) entwickelten Ausnahmen vom Verbot der Auferlegung zollgleicher Abgaben sind nach Ansicht des VG Düsseldorfs ebenfalls nicht einschlägig. Weder sei die Gebühr Teil einer einheitlichen inländischen Gebührenregelung, noch stelle sie ein angemessenes Entgelt für einen geleisteten Dienst dar. Letztlich könne die Gebühr auch nicht mit der Erfüllung erforderlicher Untersuchungen nach dem Unionsrecht gerechtfertigt werden. Erlaubt sei nach der Rechtsprechung des EuGH insoweit nur eine Gebührenerhebung in kostendeckender Höhe. Dies verlange einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Betrag der Gebühr und der konkreten Untersuchung, so das VG Düsseldorf. Dies sei beispielsweise dann der Fall, wenn der Gebührenbetrag anhand der Dauer der Untersuchung, der Anzahl der dafür eingesetzten Personen, der Materialkosten, der allgemeinen Unkosten oder gegebenenfalls anderer, ähnlicher Faktoren berechnet werde. Die pauschale Erhebung anhand des Gewichts sei mit der Vorgabe zur Erhebung kostendeckender Gebühren indessen nicht vereinbar.
Der dagegen eingewandten Behauptung der Bezirksregierung Düsseldorf, der Verwaltungsaufwand für die Bearbeitung der Notifizierung steige abhängig von der notifizierten Menge, ist das VG Düsseldorf entgegengetreten. Nicht gelten ließ das Gericht insbesondere den Verweis der Bezirksregierung auf die Kontrolle der Begleitscheine für einzelne Transporte nach erfolgter Zustimmung zur Notifizierung. Fraglich sei bereits, ob diese Tätigkeit überhaupt durch den streitgegenständlichen Gebührentatbestand erfasst werde. Zudem sei für den Umfang der Begleitscheinkontrolle letztlich die Anzahl der Verbringungen entscheidend, diese hänge aber nicht notwendigerweise allein von der Abfallmenge ab. Hierfür seien vielmehr Art und Größe des Transportmittels sowie Materialdichte weitere relevante Kriterien. Im Übrigen äußerte das VG Düsseldorf Zweifel, ob man überhaupt Begleitscheinkontrollen berücksichtigen dürfe, die im Zeitpunkt der Gebührenerhebung noch gar nicht erfolgt seien.
Irrelevant war für das VG Düsseldorf letztlich auch der wirtschaftlichen Wert der Amtshandlung für die MAV, der unstreitig bei steigender Abfallmenge zunimmt. Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfe sich die Gebührenhöhe nämlich ausschließlich am tatsächlichen Verwaltungsaufwand orientieren.
Folgen für die Praxis
Unter Zugrundelegung des Urteils des VG Düsseldorf sind Gebührenbescheide für die Notifizierung grenzüberschreitender Abfallverbringungen, bei denen die Gebührenbemessung allein anhand der Abfallmenge erfolgt, rechtswidrig. Die entsprechende Tarifstelle, die die Gebührenerhebung für Notifizierungsverfahren bislang in NRW regelt, kann daher keinen Bestand haben. Es bleibt abzuwarten, ob, wann und in welcher Form insoweit eine Anpassung in NRW erfolgt. In der Zwischenzeit gilt es abzuwägen, ob man auf Grundlage der alten Tarifstelle derzeit noch erlassene Gebührenbescheide gerichtlich angreift, bevor diese bestandskräftig werden. Dabei sollte allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass derzeit nicht absehbar ist, ob eine Anpassung der Gebührenberechnung gerade in Fällen der Notifizierung geringerer Mengen letztlich zu höheren Gebühren führt.
Relevanz dürfte die Entscheidung des VG Düsseldorf auch über die Grenzen des Landes NRW hinaus haben. Mengenabhängige Gebührenregelungen hinsichtlich der Notifizierung von Abfallverbringungen finden sich insoweit ebenfalls in Thüringen und Niedersachen. Auch bei der Gebührenerhebung des Umweltbundesamtes für Entscheidungen über die notifizierungsbedürftige Verbringung von Abfällen durch die Bundesrepublik Deutschland wird bei der Berechnung der Gebührenhöhe die verbrachte Abfallmenge berücksichtigt. Zwar sind diese Regelungen jeweils nicht 1:1 mit dem Gebührentarif in NRW vergleichbar. Nichtsdestotrotz muss auch in diesen Fällen die Frage gestellt werden, ob eine Gebührenberechnung unter Berücksichtigung der Abfallmenge mit nationalem und europäischem Recht vereinbar ist.
Vertreter MAV Mineralstoff-Aufbereitung und -Verwertung GmbH
avocado rechtsanwälte (Köln): Markus Figgen und Dr. Gregor Ischebeck