Stillhalten oder Einfordern?
Gute und stabile Kundenbeziehungen sind das A und O für den langfristigen Unternehmenserfolg. Da ist es – aus menschlicher und wirtschaftlicher Sicht – nur allzu verständlich, dass nicht jede offene Rechnung gleich mit voller Vehemenz gegen einen säumigen Kunden durchgesetzt wird. Dennoch ist Vorsicht geboten, wenn Kunden regelmäßig ihre Forderungen nur verspätet begleichen. Nicht selten Verschleppen sie eine andauernde Krise, die sich schon zu einer Insolvenz ausgewachsen hat. Was aber soll ein Unternehmer bei einem solchen Verdacht tun? Stillhalten oder seine Forderung deutlich einfordern?
Warum Kunden Krisen verschleppen
Möchte ein Unternehmen Maßnahmen ergreifen, um rechtzeitig eine Krise und eine drohende Insolvenz zu erkennen, muss es vor allem seine Liquidität planen und überwachen. Nur so kann eine Zahlungsunfähigkeit als Grund zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (§ 17 InsO) rechtzeitig erkannt werden. Die Überwachung der Zahlungsfähigkeit verlangt einen gewissen Arbeitsaufwand. Meist werden in einem Finanzplan die in zeitlicher Reihenfolge verfügbaren Zahlungsmittel den zu den verschiedenen Zeitpunkten im Zeitablauf fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenübergestellt. Wo solche Finanzplanungsrechnungen fehlen, werden Krisen oft übersehen. Dennoch verzichten gerade kleine und mittlere Unternehmen auf eine Überwachung ihrer Liquidität. Die Insolvenz kommt dann „plötzlich“ und „unerwartet“, obwohl regelmäßige Zahlungsstockungen ein untrügliches Zeichen für eine sehr brisante Krise sind. Die Unternehmen verschleppen quasi im Blindflug ihre Krise und Insolvenz.
Warum Verkäufer nicht ganz unbeteiligt sind
Viele Geschäftspartner lassen diesen Blindflug zu. Sie legen zwar Rechnung, gehen aber über die Säumnis ihres Kunden ohne Mahnung hinweg. Obwohl der Kunde Zahlungsziele wiederholt verstreichen lässt, halten sie still und begründen sogar immer wieder neue Geschäfte, so dass sich der Kunde mit Recht relativ sicher sein darf, dass er ruhig mit der Begleichung einer Rechnung ein paar Wochen warten kann, bis er wieder flüssiger ist. Dies macht es dem Kunden leichter, seine Liquiditätslücke gegenüber anderen Gläubigern zu verdecken und die Insolvenz der Gesellschaft zu verschleppen.
Was Stillhalten bewirken kann
Werden fällige Forderungen nicht erfüllt und akzeptiert dies der Gläubiger mehr oder minder, kann dies sogar dazu führen, dass ein illiquides Unternehmen trotz signifikanter Außenstände nicht insolvent im Rechtssinn und damit nicht zu einem Insolvenzantrag verpflichtet ist, obwohl es dies ohne das Stillschweigen des Gläubigers sicher wäre. Nach höchstrichterlicher Auffassung (BGH, Urteil v. 14.05.2009 – IX ZR 63/08) kann nämlich mangels ernstlichem Einfordern eine Forderung nicht für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen sein. Was für den Laien als Verschleppen der Insolvenz wirkt, entpuppt sich so durch ein ggf. unbedachtes Verhalten des Gläubigers als ordnungsgemäße Geschäftsführung.
Gläubiger haben es in der Hand
Alles in allem können Gläubiger damit ihre Kunden gewissermaßen beim Verschleppen der Krise unterstützen. Ob sie das wirklich wollen, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin knüpft das Gesetz nicht ohne guten Grund die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens an einen Mangel von Geld. Wer mehr schlecht als recht eine Forderung auf Kosten der anderen bedient, verwaltet das Chaos. Die Erfahrung lehrt, dass sich der negative Saldo damit immer weiter vergrößert. Am Ende bleibt für alle Beteiligten viel weniger übrig.