Von dieser Möglichkeit machen die Länderverwaltungen dergestalt Gebrauch, dass die Forderung nach einer Sicherheitsleistung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für Abfallentsorgungsanlagen den Regelfall darstellt. Lediglich bei Unterschreitung bestimmter Bagatellgrenzen verzichten die zuständigen Behörden zum Teil auf die Erbringung einer Sicherheit. In zahlreichen Bundesländern schreiben Verwaltungserlasse oder Vollzugshilfen die Festlegung einer Sicherheitsleistung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für Abfallentsorgungsanlagen vor.
Nach einem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 09.05.2007 stellt sich diese seit 2001 geübte Behördenpraxis als rechtswidrig dar. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hatte über die Klage eines Entsorgungsfachbetriebes gegen die Anordnung einer Sicherheitsleistung im Zuge der Genehmigung eine Anlage zur Lagerung und Behandlung von gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen zur Verwertung durch die zuständige Genehmigungsbehörde zu entscheiden. Die Genehmigungsbehörde hatte sich zur Begründung der Sicherheitsleistung insbesondere auf eine im Jahr 2002 eingeführte „Arbeitshilfe“ des Hessischen Umweltministeriums berufen. Besondere Gründe für die Anordnung einer Sicherheitsleistung, wie beispielsweise Zweifel an der Zuverlässigkeit oder finanziellen Leistungsfähigkeit des Betreibers, hatte die Genehmigungsbehörde nicht festgestellt.
In seiner Entscheidung weist der Hessische Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass die Anordnung einer Sicherheitsleistung für Abfallentsorgungsanlagen nach dem klaren Wortlaut der betroffenen immissionsschutzrechtlichen Vorschriften nicht zwingend ist, sondern eine Ermessensentscheidung der Zulassungsbehörden erfordert. Welche Gesichtspunkte für die Ausübung des Ermessens entscheidend sind, ermittelt der Hessische Verwaltungsgerichtshof anhand einer gründlichen Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Sicherstellung der Nachsorgepflichten bei Abfalllagern. Er weist darauf hin, dass mit dem Gesetz aus dem Jahr 2001 das Ziel verfolgt wird, die Annahme und Anhäufung von Abfällen ohne Verwertungsabsicht oder mit unzureichendem Verwertungskonzept durch unseriöse Betreiber auf Kosten der öffentlichen Hand zu verhindern. Aus diesem Gesetzeszweck schließt der Hessische Verwaltungsgerichtshof, dass es für die Anordnung einer Sicherheitsleistung „stichhaltiger Anhaltspunkte für das Fehlen eines Verwertungskonzeptes oder begründeter Zweifel an der Seriosität des Betreibers“ bedarf. In dem zu entscheidenden Fall hatte die zuständige Behörde zu diesen Punkten weder Ermittlungen angestellt, noch Aussagen getroffen. Sie war vielmehr mit der gängigen Verwaltungspraxis davon ausgegangen, dass unabhängig von jeglichen Anhaltspunkten dieser Art für das Abfalllager eine Sicherheitsleistung erforderlich sei. Dies führt nach Auffassung des Hessischen VGH zur Rechtswidrigkeit und Aufhebung der Anordnung einer Sicherheitsleistung in dem Genehmigungsbescheid.
Die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat – auch über Hessen hinaus – zunächst erhebliche Auswirkungen in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für Abfallentsorgungsanlagen. Dies gilt sowohl für Neu- als auch für Änderungsgenehmigungsverfahren. Soweit der Anlagenbetreiber hier ein schlüssiges Verwertungskonzept sowie seine finanzielle Leistungsfähigkeit nachweist, kann er sich mit guten Erfolgsaussichten gegen die Anordnung einer Sicherheitsleistung durch Nebenbestimmung in dem Genehmigungsbescheid wehren.
Die Bedeutung des Urteils des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ist aber nicht auf laufende Genehmigungsverfahren beschränkt. Für bereits betriebene Abfallentsorgungsanlagen könnte das Urteil vom 09.05.2007 die Möglichkeit eröffnen, geleistete Sicherheiten ganz oder zu erheblichen Teilen von der Zulassungsbehörde zurückzufordern. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Anordnung der Erbringung einer Sicherheitsleistung in dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid angefochten wurde und damit noch nicht bestandskräftig ist. Auch im Falle bestandskräftiger Sicherheitsleistungen sind verfahrensrechtliche Wege denkbar, um die Genehmigungsbehörde zu zwingen, erneut über das Ob und die Höhe der Sicherheitsleistung zu entscheiden. Entsprechende Anträge auf Rückgabe oder Reduzierung der ursprünglich festgesetzten und geleisteten Sicherheit sollten allerdings äußerst sorgfältig vorbereitet werden, um der Genehmigungsbehörde nicht die Chance zu geben, den Antrag bereits aus formalen Gründen abzulehnen.
Eine Ausfertigung des Urteils finden Sie hier.