Leitsatz des Gerichts:
Handelt es sich bei einer dreidimensionalen Marke, die die äußere Form der Ware wiedergibt, nicht um eine Kombination üblicher Gestaltungsmerkmale und bestehen auf dem in Rede stehenden Warengebiet eine nahezu unübersehbar große Zahl von Gestaltungsmöglichkeiten und eine entsprechende Formenvielfalt, spricht dies gegen ein Interesse der Allgemeinheit, die als Marke beanspruchte Form freizuhalten.
Zur Entscheidung:
Die Markeninhaberin begehrt für die IR-Markenanmeldung der äußeren Gestaltung einer Armbanduhr (Rado-Uhr) Markenschutz in Deutschland. Diese wurde von der Markenstelle des DPMA und dem BPatG wegen fehlender Unterscheidungskraft und Vorliegens eines Freihaltebedürfnisses verweigert. Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hat der I. Zivilsenat das Verfahren dem EuGH vorgelegt [BGH, Beschluss vom 23.11.2000 (I ZB 46/98), MarkenR 2001, 75 – Rado-Uhr I] und im Anschluss die angefochtene Entscheidung aufgehoben sowie die Sache an das BPatG zurückverwiesen [Beschluss vom 20.11.2003 (I ZB 46/98)]. In der erneuten Verhandlung hat das BPatG der IR-Marke erneut den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland versagt.
Die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde hatte erneut Erfolg. In seinem Beschluss setzt sich der BGH insbesondere mit dem Vorliegen eines „entsprechenden Schutzhindernisses“ im Sinne des Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 2 PVÜ (“Tellequelleâ€-Schutz) auseinander. Die Prüfung der Schutzerstreckung stimmt in diesem Sinne mit der der §§ 3, 8 Abs. 2 MarkenG überein. Da sich nach dem 12. Erwägungsgrund zur MarkenRl. die Vorschriften der Richtlinie in vollständiger Übereinstimmung mit der Pariser Verbandsübereinkunft befinden, führt die Beurteilung nach den Vorschriften des Markengesetzes zu keinem anderen Ergebnis als die Prüfung nach Art. 6quinquies Abschn. B PVÜ.
Insoweit konnte das BPatG aus Sicht des I. Zivilsenats nicht von einem überwiegenden Interesse der Allgemeinheit an der Freihaltung der beanspruchten Form der IR-Marke ausgehen. Da die IR-Marke die äußere Form der Uhr wiedergibt, handelt es sich um ein Zeichen, das Eigenschaften der beanspruchten Ware beschreibt. Aus Sicht des Senats kann ein Freihaltebedürfnis vorliegen, wenn sich die beanspruchte Form auf die übliche Formgestaltungen im betreffenden Warengebiet beschränkt und die Möglichkeiten, die Produktgestaltung im Interesse einer Individualisierung zu variieren, ebenfalls limitiert sind. Solche Gestaltungen sollen aus Sicht des BGH nur beschränkt monopolisiert werden können. Diese Voraussetzungen liegen bei der beanspruchten Form indes nicht vor. Das BPatG hat diesbezüglich diverse Uhrenformen mit der angemeldeten Gestaltung verglichen. Keines der angeführten Uhrenmodelle verfügt aber über sämtliche Elemente, die den Gesamteindruck der durch die IR-Marke bezeichneten Form ausmachen.
Insofern geht der BGH von einer unzulässigen isolierten Betrachtung von Einzelelementen beim Vergleich der angemeldeten Form und der im Markt vorhandenen Warenformen aus. Insbesondere hat das BPatG die optische Einheit zwischen Uhrgehäuse und Armband nicht mit anderen Uhrenmodellen verglichen. Aus den Feststellungen des BPatG ergibt sich auch nicht, dass es sich bei der beanspruchten Form der IR-Marke um eine beliebige Kombination üblicher Gestaltungselemente handelt.
Der BGH geht demnach davon aus, dass kein Grund zu der Annahme besteht, dass die Formgebung des Uhrgehäuses und Armbands der IR-Marke sich innerhalb der auf dem Warengebiet üblichen Formenvielfalt hält, soweit keines der vom BPatG angeführten Uhrenmodelle auch nur annähernd dem Gesamteindruck der beanspruchten Form nahe kommt.
Anmerkungen:
Der BGH und der EuGH haben sich in den letzten Jahren in einer Vielzahl von Entscheidungen mit der Anmeldemöglichkeit und dem Schutzbereich von Formmarken als neue Markenform befasst. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Rechtsprechung sowohl in Bezug auf die Registrierung, aber auch in Bezug auf eine mögliche Verletzung einer Formgestaltung eine eher restriktive Haltung eingenommen hat, insbesondere, weil der Verkehr an diese neuen Markenformen nicht gewöhnt war, bzw. sich die Marke in der bloßen Darstellung der Ware erschöpfte. Mittlerweile scheint sich diese Rechtsprechung zu liberalisieren. Dies bedeutet, dass sich die Unternehmen dieses Instrument zur Sicherung des eigenen Wettbewerbsvorteils – gegebenenfalls neben eines Schutzes als Geschmacksmusters – zu Nutze machen sollten.