Der Gesetzgeber nimmt einen weiteren Anlauf zur Beschleunigung von Infrastrukturprojekten: Der Bundestag hat am 05.11.2020 den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Investitionen („Investitionsbeschleunigungsgesetz“) in der vom Verkehrsausschuss geänderten Fassung angenommen. Wir stellen die zentralen Regelungen vor.
Prozessrecht auf dem Prüfstand: Kürzerer Instanzenzug, keine aufschiebende Wirkung, Spezialkammern und -senate
Die geplanten Änderungen der Verwaltungsgerichtsordnung („VwGO“) sollen den verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug verkürzen und das Rechtsschutzverfahren verschlanken. Für wichtige infrastrukturelle Großvorhaben soll es künftig nur noch eine Tatsacheninstanz geben. Statt der Verwaltungsgerichte sollen nach dem neu zu fassenden § 48 VwGO die Oberverwaltungsgerichte erstinstanzlich zuständig sein für:
Eine weitere verwaltungsprozessuale Beschleunigung erhofft sich der Gesetzgeber dadurch, dass für besonders bedeutsame Vorhaben Widersprüche und Klagen Dritter keine aufschiebende Wirkung entfalten sollen. Das Entfallen der aufschiebenden Wirkung ist mit den geplanten Änderungen der VwGO und ergänzend des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorgesehen in Bezug auf Zulassungen für Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze sowie für Windenergieanlagen an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern.
Weitere Änderungen der VwGO sehen unter anderem vor, dass in Angelegenheiten des Wirtschafts- und Planungsrechts besondere Wirtschafts- bzw. Planungsspruchkörper gebildet werden können. Die damit einhergehende Spezialisierung soll die Akzeptanz bei den Beteiligten erhöhen und zusätzlich zu einer deutlichen Verfahrensbeschleunigung beitragen.
Schienenwege: Keine Planfeststellung und Plangenehmigung für Einzelmaßnahmen
Im Bereich der Schieneninfrastruktur soll nach der geplanten Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes das Erfordernis einer Planfeststellung oder Plangenehmigung entfallen in Bezug auf die folgenden Einzelmaßnahmen, die den Bau oder die Änderung von Betriebsanlagen einer Eisenbahn vorsehen, sofern keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht:
Nach den geplanten Änderungen sollen zudem Unterhaltungsmaßnahmen keiner vorherigen Planfeststellung oder Plangenehmigung bedürfen. Anders ist dies grundsätzlich für Änderungen der Betriebsanlagen einer Eisenbahn. Eine solche planfeststellungs- bzw. plangenehmigungsbedürftige Änderung soll aber bei der Erneuerung einer bestehenden Betriebsanlage einer Eisenbahn nur dann anzunehmen sein, wenn der Grundriss oder der Aufriss der Betriebsanlage oder beides wesentlich geändert wird.
Ähnliche Regelungen wie im Allgemeinen Eisenbahngesetz in Bezug auf Unterhaltungsmaßnahmen, die Erneuerung von Betriebsanlagen und das Entfallen der Pflicht zur Planfeststellung bzw. Plangenehmigung für Einzelmaßnahmen sollen auch für Betriebsanlagen für Straßenbahnen gelten. Das Personenbeförderungsgesetz soll entsprechend angepasst werden.
Korrespondierend zu den genannten Regelungen soll im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geregelt werden, für welche näher bezeichneten kleineren Änderungen an Schienenwegen und Betriebsanlagen als Einzelmaßnahmen keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist und welche Maßnahmen zur Modernisierung und Digitalisierung von Schienenwegen eine standortbezogene bzw. eine allgemeine Vorprüfung zur Feststellung der UVP-Pflicht erfordern.
Versorgung mit Fernwärme: Vorzeitiger Baubeginn möglich
Aufgrund der Änderungen des Verkehrsausschusses an dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll zudem einen neuer § 67a in das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz eingefügt werden. Danach soll die zuständige Behörde in einem Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren für bestimmte Dampf- oder Warmwasserpipelines einen vorzeitigen Baubeginn zulassen können. Unter anderem ist dafür eine behördliche Prognose erforderlich, dass mit einer Entscheidung zugunsten des Vorhabenträgers gerechnet werden kann. Mit der Möglichkeit der Zulassung eines vorzeitigen Baubeginns will der Gesetzgeber den Ausbau des Fernwärmenetzes erleichtern und verweist darauf, dass Fernwärme einen Beitrag zum Klimaschutz leisten könne.
Raumordnungsverfahren: Verschlankung und engere Verzahnung mit Zulassungsverfahren
Mit einer Änderung des Raumordnungsgesetzes soll zum einen das Raumordnungsverfahren im Regelfall nur noch auf Antrag des Trägers der raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme durchgeführt werden. Damit soll der Vorhabenträger im jeweiligen Einzelfall individuell entscheiden können, ob er die Durchführung eines vorgelagerten Raumordnungsverfahrens für sich als zielführend oder entbehrlich erachtet. Stellt er keinen Antrag auf Durchführung eines Raumordnungsverfahrens, zeigt er dies der zuständigen Landesbehörde an. Diese soll ein Raumordnungsverfahren einleiten, wenn sie befürchtet, dass die Planung oder Maßnahme zu raumbedeutsamen Konflikten führen wird. Sie teilt ihre Entscheidung innerhalb von vier Wochen nach der Anzeige durch den Vorhabenträger mit.
Zum anderen soll das Raumordnungsverfahren optimiert und an die Erfordernisse der Digitalisierung angepasst werden. An die Stelle der bisherigen Auslegung der Verfahrensunterlagen tritt nun im Regelfall die Veröffentlichung der Unterlagen im Internet. Damit macht der Gesetzgeber einen weiteren Schritt in Richtung digitaler Verwaltungsverfahren. Die Möglichkeit einer Veröffentlichung von Verfahrensunterlagen im Internet anstatt einer physischen Auslegung war zuletzt etwa durch das Planungssicherstellungsgesetz für zahlreiche Planungs- und Genehmigungsverfahren eingeführt worden (vgl. hierzu unseren Blog-Beitrag vom 05.05.2020). Schließlich soll mit neuen Regelungen zum Verfahrensablauf eine engere Verzahnung mit dem Zulassungsverfahren gewährleistet werden. Unter anderem soll im Zulassungsverfahren die Prüfung auf Belange beschränkt werden, die nicht Gegenstand des Raumordnungsverfahrens waren.
Fazit und Ausblick
Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Beschleunigung könnte durch die Verschlankung der Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungspflicht im Bereich der Schieneninfrastruktur zumindest teilweise erreicht werden. Auch ein vorzeitiger Baubeginn für Fernwärmeprojekte könnte zum gewünschten Zweck beitragen.
Fraglich ist dagegen, ob die Verkürzung des Instanzenzuges etwa für große Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen tatsächlich zu einer Verfahrensbeschleunigung führt. Offen ist auch, ob die vorgesehenen Spezialkammern und -senate tatsächlich eingerichtet werden. Zudem dürften die Änderungen des Raumordnungsrechts nur dann „Doppelprüfungen“ entbehrlich machen, wenn die maßgeblichen Belange bereits im Raumordnungsverfahren in der für das nachfolgende Zulassungsverfahren erforderlichen Detailtiefe geprüft werden.
Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wird sich der Bundesrat voraussichtlich am 27.11.2020 mit dem Zustimmungsgesetz in der vom Verkehrsausschuss geänderten Fassung befassen.
Haben Sie Fragen zum Investitionsbeschleunigungsgesetz oder generell zu planungs- und/oder genehmigungsrechtlichen Themen? Sprechen [oder mailen] Sie uns gerne an!