Neue Erkenntnisse im Umgang mit einer Parallelbeteiligung konzernverbundener Unternehmen hat eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 13.04.2011 (VII-Verg 4/11) gebracht. In der Sache hatten diverse Vergabestellen gemeinsam im Rahmen eines europaweiten offenen Vergabeverfahrens den Abschluss von Arzneimittelrabattverträgen ausgeschrieben. An dem Verfahren beteiligten sich auch zwei konzernverbundene Unternehmen einer Unternehmensgruppe, deren Anteile dem gleichen Gesellschafter zuzurechnen sind und zwischen denen personelle und organisatorische Verflechtungen bestehen. Gegen die Zuschlagserteilung auf die Angebote der beiden konzernverbundenen Unternehmen wand sich ein anderer Bieter und machte einen Verstoß gegen den vergaberechtlichen Geheimwettbewerb geltend. Erst im Verlaufe des Nachprüfungsverfahrens haben die konzernverbundenen Unternehmen ausführlich die Voraussetzungen für eine unabhängige Angebotsabgabe dargelegt. Der Nachprüfungsantrag wurde sowohl erstinstanzlich seitens der Vergabekammer als auch in der 2. Instanz durch den Vergabesenat des OLG Düsseldorf zurückgewiesen.
Vermutungstatbestand eines Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb
In der Sache hat das OLG Düsseldorf erstmals ausdrücklich hervorgehoben, dass im Falle einer Parallelbeteiligung mehrerer konzernverbundener Unternehmen an einem Vergabeverfahren grundsätzlich eine – widerlegbare – Vermutung dafür bestehe, dass der Geheimwettbewerb nicht gewahrt sei. Dabei greife der Vermutungstatbestand nicht erst dann ein, wenn die Vergabestelle inhaltliche Übereinstimmungen in den Angeboten oder personelle, räumliche und infrastrukturelle Verflechtungen festgestellt habe. Denn dies sei im Einzelfall für die Vergabestelle nur sehr schwer erkennbar. Vielmehr hätten die betreffenden Unternehmen abweichend von der üblichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast – die einen Angebotsausschluss nur dann rechtfertige, wenn der sichere Nachweis eines Wettbewerbsverstoßes vorliege – diejenigen Umstände und Vorkehrungen aufzuzeigen und nachzuweisen, die die Unabhängigkeit und Vertraulichkeit der Angebotserstellung gewährleisten. Denn diese stammten ausschließlich aus der Sphäre und dem Verantwortungsbereich der betroffenen Unternehmen, so dass es geboten sei, ihnen die Darlegung und den Nachweis aufzubürden, dass infolge besonderer von ihnen veranlasster Umstände das Verhältnis der Unternehmen zueinander den Inhalt der Angebote nicht beeinflusst habe.
Darlegungs- und Beweislast der Bieter: Umfang
Eine Obliegenheit, bereits mit dem Angebot diejenigen besonderen Umstände und Vorkehrungen bei der Angebotserstellung aufzuzeigen, könne verbundene Unternehmen dabei allerdings nur dann treffen, wenn ihnen der den Anfangsverdacht eines Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb auslösende tatsächliche Umstand – parallele Angebotsabgabe durch ein verbundenes Unternehmen – bekannt war. Liege keine entsprechende Kenntnis vor, reichten spätere Ausführungen ebenfalls aus. Zur Widerlegung der Vermutung seien konkrete Ausführungen erforderlich zu den strukturellen Bedingungen der Angebotserstellung, insbesondere dazu, ob und in welcher Form die Konzernmutter Einfluss auf das Ausschreibungsverhalten nehme und die Unternehmen einer entsprechenden Konzernstrategie unterworfen seien, ob und auf welchen Unternehmensebenen Abstimmungen vorgenommen würden, ob und gegebenenfalls welche organisatorischen und personellen Verflechtungen bestünden und ob die Unternehmen räumlich getrennt agierten.
Prüfungstiefe der Vergabestelle
Die seitens der Vergabestellen anzuwendende Prüfungstiefe sei unter Berücksichtigung der auch im Vergaberecht geltenden Zumutbarkeitsgrenze zu bestimmen. Nicht erforderlich sei daher, dass ein öffentlicher Auftraggeber sämtliche in Betracht kommende Erkenntnisquellen ausschöpfe, um die gemachten Angaben zu verifizieren. Vielmehr dürfe er seine Entscheidung auf eine methodisch vertretbar erarbeitete, befriedigende Erkenntnislage stützen und von einer Überprüfung von Eigenerklärungen absehen, soweit diese konkrete, plausible und nachvollziehbare Darlegungen, wie die Vertraulichkeit und Unabhängigkeit der Angebotserstellung effektiv gewährleistet werde, enthielten. Allerdings – so betont das OLG Düsseldorf weiter – genüge der bloße Hinweis, inhaltliche Auffälligkeiten, Besonderheiten bei der Einreichung oder verdächtige Übereinstimmungen im äußeren Erscheinungsbild seien nicht aufgetreten, nicht, um diesen Anforderungen zu genügen.
Gemeinsame Konzernrechtsabteilung: Geheimwettbewerb gewahrt?
In einem anderen Verfahren wies die VK Bund mit Beschluss vom 27.06.2011 (VK-1-66/11) darauf hin, dass allein der Umstand, dass die konzernverbundenen Bieter über eine gemeinsame Konzernrechtsabteilung verfügten, nicht automatisch zu einem Vertraulichkeitsverstoß führe. Dies gelte selbst dann, wenn die Rechtsabteilung beide Bieter unter rechtlichen Aspekten, insbesondere gerade auch zur Sicherung des Geheimwettbewerbs, beraten habe. Maßgeblich sei, dass angebotsrelevante konkrete Informationen nicht in der Rechtsabteilung zusammenliefen und die Rechtsabteilung nicht mit der konkreten Angebotserstellung befasst sei. Wenn die fraglichen Mitarbeiter zur Vertraulichkeit zwischen den Tochtergesellschaften verpflichtet worden seien, seien ausreichende Vorkehrungen zur Wahrung des Geheimwettbewerbs durch die Konzernunternehmen getroffen worden. Die Beauftragung gemeinsamer Verfahrensbevollmächtigter führe ebenfalls nicht zu einem Vertraulichkeitsverstoß, da diese erst nach Anhängigkeit des Nachprüfungsverfahrens und damit erst nach Angebotsabgabe hinzugezogen worden seien.
Fazit
Das OLG Düsseldorf hat sehr strenge Anforderungen – sowohl für Vergabestellen als auch für betroffene Unternehmen – im Falle der Parallelbeteiligung konzernverbundener Unternehmen aufgestellt. Diese Anforderungen sollten sowohl von öffentlichen Auftraggeber als auch von Bietern ernst genommen werden. Haben Bieter daher Kenntnis von einer Parallelbeteiligung anderer konzernverbundener Unternehmen, sollten sie bereits mit Angebotslegung ausführlich und nachvollziehbar darlegen, aufgrund welcher Besonderheiten/Vorkehrungen der Geheimwettbewerb im konkreten Ausschreibungsverfahren gewahrt ist. Gleichzeitig erhöht der Vergabesenat des OLG Düsseldorf die Prüfungstiefe für öffentliche Auftraggeber. Allein der Hinweis darauf, dass den Angeboten kein wettbewerbswidriges Fehlverhalten zu entnehmen sei, genügt nicht, um den Überprüfungs- und Kontrollpflichten nachzukommen.