In seinem aus dem Jahr 2018 stammenden, aber erst vor kurzem veröffentlichten Beschluss hat sich das OLG Rostock unter anderem mit der Frage beschäftigt, ob einzelne Wochenend- und Feiertage den Lauf der Wartefrist nach §§ 134 Abs. 2 Satz 2, 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB hindern und in der Folge das Zuschlagsverbot nach § 134 GWB fortbesteht, weil eine zu kurze Frist für die Einreichung des Nachprüfungsantrags verblieben ist (OLG Rostock, Beschluss vom 07.11.2018 – 17 Verg 2/18, abrufbar unter folgendem Link).
Die für die Praxis äußerst relevanten Erwägungen des Vergabesenats wollen wir Ihnen natürlich nicht vorenthalten, sondern wir bereiten sie Ihnen im Folgenden – verkürzt auf das Wesentliche – als gut verdaulichen Appetithappen auf…
Relevanter Sachverhalt
Die Auftraggeberin und spätere Antragsgegnerin faxte der Bieterin und späteren Antragstellerin das Vorabinformationsschreiben am Mittwoch, den 21.03.2018, um 07:27 Uhr, und nannte als frühestmöglichen Zeitpunkt für den Vertragsschluss Sonntag, den 01.04.2018, und damit den Ostersonntag.
Die Antragstellerin vertrat die Auffassung, die Wartefrist habe nicht zu laufen begonnen, sodass das Zuschlagsverbot nach § 134 GWB fortbestehe, weil wegen der Osterfeiertage eine zu kurze Frist für die Einlegung des Vergabenachprüfungsantrags verblieben sei.
Dem folgte der Vergabesenat des OLG Rostock jedoch nicht!
Entscheidung des OLG Rostock: Ein Zeitraum von rund sechs Arbeitstagen ist für die Einreichung des Nachprüfungsantrags ausreichend und steht dem Lauf der Wartefrist nicht entgegen!
Der Gesetzgeber habe, so das OLG Rostock, bei der Vorabinformation per Fax oder auf elektronischem Wege eine Frist von zehn Kalendertagen – nicht Arbeits- oder Werktagen (!) – als angemessen oder ausreichend angesehen, ohne dass es auf den Zugang bei dem Betroffenen ankomme. Er habe dabei – wie am Fehlen einer an § 222 Abs. 2 ZPO angelehnten Regelung deutlich werde – auch in Kauf genommen, dass je nach Lage der Wochenenden regelmäßig nur sechs bis maximal acht Arbeitstage und bei Fristablauf am Wochenende faktisch stets nur acht oder neun Kalendertage zur Verfügung stünden. Berücksichtigte man zusätzlich die für das Zuschlagsverbot nach § 169 Abs. 1 GWB erforderliche Bekanntgabe des Nachprüfungsantrags durch die Vergabekammer, könne am letzten Arbeitstag der Frist der Antrag nur innerhalb der üblichen Geschäftszeiten und nicht bis Mitternacht eingereicht werden. Darüber hinaus könnten im Einzelfall Feiertage eine zusätzliche Begrenzung der effektiv zur Verfügung stehenden Zeit bewirken, ohne dass der Gesetzgeber Anlass für eine Berücksichtigung gesehen habe.
Vor diesem Hintergrund sei vorliegend die Wartefrist am Donnerstag, dem 22.03.2018, an- und mit dem Samstag, dem 31.03.2018, abgelaufen. Der Antragstellerin hätten bis zur letztmöglichen Einreichung des Nachprüfungsantrags am Gründonnerstag, dem 29.03.2018, insgesamt acht Kalendertage, bei Berücksichtigung des Faxeingangs am 21.03.2018 bereits um 07:27 Uhr tatsächlich sogar nahezu neun Kalendertage zur Verfügung gestanden. Hiervon seien nur zwei Tage auf ein Wochenende gefallen; bei den anderen Tagen handele es sich um Arbeitstage. Eine maßgebliche Abweichung vom üblichen Zeitablauf zu Lasten der Antragstellerin stelle dies nicht dar.
Auf dieser Grundlage bestehe – entgegen dem Vortrag der Antragstellerin – kein Anlass zur Vorlage des Verfahrens an den EuGH nach Art. 267 AEUV zur Klärung der Rechtsfrage, ob die Rechtsmittelrichtlinie (RL 2007/66/EG vom 11.12.2007) bei erheblicher Verkürzung der Frist zur Einreichung des Nachprüfungsantrags durch Feiertage und Wochenenden die Unwirksamkeit des Fristlaufs gebiete.
Ebenso sei – anders als die Antragstellerin meine – kein Raum für eine Divergenzvorlage an den BGH nach § 179 Abs. 2 GWB. Zwar habe das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 05.10.2016 (VII Verg 24/16, Leitsätze abrufbar unter folgendem Link) in einem Einzelfall entschieden, dass die Frist bei einer feiertags- und wochenendbereinigten Frist von nur vier Arbeitstagen bis zum angekündigten Zuschlag nicht zu laufen beginne. Allerdings wiesen die Fälle, insbesondere schon hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Zeit, erhebliche Abweichungen auf, sodass kein Anlass für eine Divergenzvorlage bestehe.
Fazit und Praxishinweise
Das OLG Rostock hat sich mustergültig mit den bestehenden Regelungen und dem gesetzgeberischen Willen auseinandergesetzt und überzeugend hergeleitet, dass jedenfalls einzelne Wochenend- und Feiertage den Lauf der Wartefrist nicht hindern.
Vor diesem Hintergrund wird insbesondere die geübte Vergabepraxis, dass Auftraggeber das Vorabinformationsschreiben donnerstags oder freitags (abends) per Fax auf den Weg bringen, um so zwei Wochenenden „mitzunehmen“ und am übernächsten Montag bzw. Dienstag den Vertrag „in trockene Tücher“ zu bringen, durchgewunken. Dies gilt zumindest für den Fall, dass nicht noch (mehrere) Feiertage faktisch fristverkürzend hinzutreten.
Aus Bietersicht heißt es daher, dass unmittelbar nach Eingang des Vorabinformationsschreibens eine Prüfung dahingehend eingeleitet werden sollte, ob ein Vergabenachprüfungsantrag gestellt werden soll. Auch sollte mit der – im Regelfall für die entsprechende Einschätzung – erforderlichen Konsultation eines Rechtsanwalts nicht zu lange gezögert werden. Die Uhr tickt insoweit zu Lasten des Bieters bzw. potentiellen Antragstellers...
Haben Sie Fragen im Zusammenhang mit Vergabeverfahren, insbesondere der Wartefrist nach § 134 GWB? Wir beraten Sie gerne!