In einer für die Abfallpraxis äußerst brisanten Entscheidung hat sich das OLG Rostock mit verschiedenen Fragen zur Ausschreibung der Entsorgung von PPK-Abfällen auseinandergesetzt (Beschluss vom 06.03.2009, 17 Verg 1/09). Das Gericht hält eine Ausschreibung unter anderem deswegen für vergaberechtswidrig, weil dem zuschlagerhaltenden Bieter vertraglich eine parallele gewerbliche Sammlung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG untersagt wurde. Gleichzeitig entsprachen die Verdingungsunterlagen im Hinblick auf den Umgang mit PPK-Verkaufsverpackungen nach Ansicht des Vergabesenates nicht den Anforderungen des Vergaberechts. In der Sache hat der betroffene Landkreis im Rahmen einer „Treuepflicht“ dem Auftragnehmer vertraglich während der Auftragsdurchführung eine parallele gewerbliche Sammlung untersagt und gleichzeitig für den Fall des Verstoßes gegen die Treuepflicht Vertragsstrafen sowie ein außerordentliches Kündigungsrecht zugunsten der Vergabestelle vorgesehen. Außerdem enthalten die Verdingungsunterlagen einen Hinweis, dass es der Vergabestelle als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger verwehrt ist, PPK-Verkaufsverpackungen von Systembetreibern zum Gegenstand einer Ausschreibung zu machen. Über den PPK-Verpackungsanteil dürften Verträge mit den Entsorgungsunternehmen und den Systembetreibern nicht abgeschlossen werden. Vielmehr sei diese Teilfraktion Gegenstand nachgehender Verhandlungen zwischen dem durch die Ausschreibung ermittelten Entsorger und dem/den betroffenen Systembetreiber(n), auf die der Auftraggeber keine Einflussnahme habe. Der Anteil an PPK-Verkaufsverpackungen an der PPK-Gesamtmenge sei aufgrund entsprechender Erhebungen festgelegt. Diesen Anteil teilte die Vergabestelle mit. Insgesamt könnten damit über das PPK-Entsorgungssystem nach Maßgabe von Abstimmungsvereinbarungen mit Systembetreibern auch PPK-Verkaufsverpackungen erfasst werden; deren Entsorgung sei jedoch nicht Gegenstand des Ausschreibungsverfahrens. Gegenstand der Ausschreibung sei allein das kommunale Altpapier. Die Konditionen der Entsorgung von PPK-Verkaufsverpackungen seien im Nachgang der Ausschreibung allein zwischen dem beauftragten Entsorger und dem/den Systembetreiber(n) auszuhandeln.
Vergaberechtswidriges Wettbewerbsverbot
Die Bestimmungen zur vertraglichen „Treuepflicht“ verstoßen nach Auffassung des OLG Rostock gegen das vergaberechtliche Wettbewerbsprinzip aus § 97 Abs. 1 GWB i. V. m. § 2 Nr. 1 Abs. 1, Abs. 2 VOL/A. Sinn dieser Vorschriften sei es, einen möglichst ungehinderten, chancengleichen Wettbewerb bei der Vergabe zu gewährleisten. Dementsprechend müsse ein Auftraggeber auf Bedingungen für die Teilnahme am Vergabewettbewerb verzichten, die die Teilnahme erschwerten. Dies sei vorliegend aber gerade nicht der Fall. Das Verlangen der Vergabestelle auf Unterlassung der gewerblichen Sammlung von PPK könne die Vergabestelle nicht auf einen gesetzlichen Anspruch stützen. Die gewerbliche Sammlung von PPK stehe im Einklang mit dem Kreislaufwirtschafts-/Ab-fallgesetz. Insbesondere könne die Vergabestelle ihr wirtschaftliches Interesse an dem mit dem PPK-Abfall zu erzielenden Erlös der Sammlung nicht entgegenhalten. In der konkreten Situation sei die Antragstellerin überdies in ihrem Anspruch auf Gleichbehandlung und Wettbewerb beeinträchtigt, da sie im Gegensatz zu anderen Bietern bereits in der Vergangenheit gewerbliche Sammlungen im Bezirk der Vergabestelle durchgeführt habe und dementsprechend im Rahmen ihrer Angebotskalkulation zusätzlich den Verlust ihrer bisherigen Einnahmemöglichkeiten habe kalkulieren müssen.
Umgang mit PPK-Verkaufsverpackungen
Nach Auffassung des OLG Rostock ist die Leistungsbeschreibung überdies auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Zur Begründung weisen die Richter darauf hin, dass sie die Auffassung des Bundeskartellamtes sowie des OLG Düsseldorf, wonach die Ausschreibung einer nur auf den kommunalen Altpapieranteil bezogenen Sammlung des PPK-Abfalls vergaberechtlich zulässig sei, nicht teilten. Die ausgeschriebene Leistung könne so, wie sie ausgeschrieben sei, nicht erbracht werden. Die einzelnen dem Systembetreiber überlassenen Verkaufsverpackungen könnten ebensowenig wie ein Anteil von 83 Masseprozent aus der Gesamtmenge der in den „blauen Tonnen“ befindlichen PPK-Menge herausgelöst werden. Das vom Bundeskartellamt skizzierte Modell setze den vorherigen oder späteren Abschluss eines Vertrages mit einem oder mehreren Systembetreibern voraus. Es sei aber gut möglich, dass ein solcher Vertrag überhaupt nicht zustande komme. Dementsprechend hänge die Durchführung der ausgeschriebenen Leistungen vom Eintritt einer Bedingung im Sinne des § 158 BGB ab. Dies sei vergaberechtlich unzulässig. Im Übrigen würde dem Auftragnehmer in diesem Zusammenhang ein ungewöhnliches Wagnis auferlegt. Durch die Notwendigkeit, 100 Masseprozent der PPK-Abfälle zumindest zu sammeln und zu befördern, bürde der Auftraggeber dem Auftragnehmer das Risiko auf, einen Vertragspartner für den Kauf von Verpackungsabfall zu finden. Zum Zeitpunkt der Angebotskalkulation seien dem Bieter jedoch die Einzelheiten einer zu vereinbarenden Vergütungsregelung nicht bekannt. Die Ungewissheit, ob und mit wem eine solche Vereinbarung geschlossen werde, erlaube keine sichere Kalkulation.
Fazit
Erfreulicherweise hat das OLG Rostock im Hinblick auf das vertragliche Wettbewerbsverbot Klarheit geschaffen. Zukünftig sollten öffentliche Auftraggeber daher entsprechende „Treuepflichten“ nicht mit in einen Entsorgungsvertrag aufnehmen. Bietern ist anzuraten, sich gegen entsprechende Vertragsklauseln in Form einer Rüge zur Wehr zu setzen. Nach wie vor ist allerdings der Umgang mit PPK-Verkaufsverpackungen im Rahmen von Ausschreibungen sehr schwierig. Hier lässt die Entscheidung des OLG Rostock leider einen sachdienlichen Hinweis vermissen, wie die vergaberechtlichen Pflichten unter Berücksichtigung der kartellrechtlichen Vorgaben des Bundeskartellamtes im Hinblick auf die Ausschreibung von Leistungen der Altpapierentsorgung sachgerecht umgesetzt werden können. Diese Thematik wird uns damit voraussichtlich noch einige Zeit begleiten.