Im Zuge der Umstellung ihrer Wärmeversorgung verlangen immer mehr Gasnetzkunden die Stilllegung ihres Gashausanschlusses. In der Praxis erheben die Netzbetreiber hierfür zumeist Kosten unter Berufung auf ihre Kostenerstattungsregelungen – die sie etwa in Form Ergänzender Bedingungen zur Niederdruckanschlussverordnung (NDAV) zusätzlich zu ihren üblichen Preisblättern veröffentlichen. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NDAV berechtigt den Netzbetreiber, „vom Anschlussnehmer die Erstattung der bei wirtschaftlich effizienter Betriebsführung notwendigen Kosten für […] Änderungen des Netzanschlusses, die durch eine Änderung oder Erweiterung der Kundenanlage erforderlich oder aus anderen Gründen vom Anschlussnehmer veranlasst werden, zu verlangen“.
Zu der Frage, ob unter einer solchen „Änderung“ auch die Stilllegung des Anschlusses fällt, hat sich das OLG Oldenburg in einem aktuellen Unterlassungsklageverfahren der Verbraucherzentrale Niedersachen gegen die EWE Netz GmbH geäußert (Urt. v. 5.12.2025 – 6 UKl 2/25). Das OLG Oldenburg sieht in § 9 NDAV keine Grundlage für die Erhebung von Stilllegungskosten vom Anschlussnehmer – im konkreten Fall in Höhe von 965,09 € brutto.
Begründet hat das Gericht seine Auffassung insbesondere mit der Systematik und dem Zweck der NDAV. So werde in § 8 Abs. 1 Satz 3 NDAV die Abtrennung und Beseitigung des Anschlusses ausdrücklich aufgeführt, in § 9 Abs. 1 NDAV sei dies hingegen nicht der Fall. Entscheidend sei der insbesondere § 18 Abs. 3 EnWG zu entnehmende Verordnungszweck der NDAV. Denn danach sei das „Interesse des Anschlussnehmers an kostengünstigen Lösungen […] besonders zu berücksichtigen“. Regelungen, die den Anschlussnehmern Kostentragungspflichten auferlegen, seien demnach restriktiv auszulegen.
Da § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NDAV die Berechnung der Kostenerstattung für die Stilllegung nicht rechtfertige, sei auch kein Raum für einen Kostenerstattungsanspruch auf individualvertraglicher Grundlage.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das OLG Oldenburg hat die Revision zugelassen.
Die Begründung des OLG Oldenburg ist in mehrfacher Hinsicht zu kritisieren.
Das Gericht bezieht sich für die Bestimmung des Zwecks der NDAV auf die Regelung des § 18 Abs. 3 Satz 2 EnWG, wonach das „Interesse des Anschlussnehmers an kostengünstigen Lösungen […] besonders zu berücksichtigen“ ist. Diese Vorgabe wird in den Verordnungen dadurch umgesetzt, dass eine Erstattung nur für die „bei wirtschaftlich effizienter Betriebsführung notwendigen Kosten“ in Betracht kommt. Dabei geht es um eine möglichst kostengünstige Umsetzung der vom Kunden veranlassten Maßnahme – also die Höhe der zu erstattenden Kosten, nicht um die Frage, ob überhaupt Kosten für die Maßnahme geltend gemacht werden können.
Die im Fall des OLG Oldenburg vom Netzbetreiber geltend gemachten Kosten erscheinen mit 965,09 € brutto moderat, sodass nicht von einem Verstoß gegen die Bestimmungen zur Begrenzung der Höhe der Kostenerstattung auszugehen ist.
Auch handelt es sich bei der Subsumtion der „Stilllegung“ unter den Begriff der „Änderung“ nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NDAV nicht um eine „erweiternde Auslegung“. Bei der Stilllegung geht es um Maßnahmen am Anschluss, die denen einer anderweitigen Veränderung vergleichbar sind. Denn insoweit „erweitert“ bereits der Wortlaut der Verordnung den Begriff der Änderung. Es kann sich nach dem Wortlaut der Verordnung einerseits um die Änderung eines Netzanschlusses handeln, die durch eine „Änderung oder Erweiterung der Kundenanlage erforderlich“ ist oder andererseits um eine solche, die „aus anderen Gründen vom Anschlussnehmer veranlasst“ wird. Die zweite Variante erweitert damit den Grundfall der Änderungen einer Kundenanlage um alle „aus anderen Gründen“ durch den Anschlussnehmer veranlassten Änderungen. Hierzu zählen auch Maßnahmen am Hausanschluss, die dessen sicherer Außerbetriebnahme dienen – wie den Ausbau des Zählers, die Leerung der Anschlussleitung und die Verplombung bzw. Sperrung des Anschlusses. Dabei ist zu beachten, dass der Anschluss bei einer solchen „Stilllegung“ auf dem Grundstück des Anschlussnehmers bestehen bleibt – und ggf. später wieder in Betrieb genommen werden kann.
Schließlich könnte mit der Argumentation des OLG Oldenburg auch die Frage aufgeworfen werden, ob die Stilllegungskosten – soweit sie nicht vom Anschlussnehmer erstattet werden – im Rahmen der Netzentgeltregulierung berücksichtigungsfähig sind. Denn auf die dafür maßgeblichen Regelungen (derzeit noch §§ 4 ff. Gasnetzentgeltverordnung – GasNEV) ließe sich die Auslegung des OLG Oldenburg ebenfalls anwenden. Dies würde allerdings zu dem Ergebnis führen, dass der Gasnetzbetreiber die Kosten für die Stilllegung des Gasnetzanschlusses überhaupt nicht erstattet bekommen würde – und könnte die Netzbetreiber dazu veranlassen, solche Leistungen nur noch schleppend oder überhaupt nicht mehr auszuführen.
Bis zur Klärung durch den BGH oder eine Klarstellung durch den Verordnungsgeber müssen Netzbetreiber befürchten, dass sie die Kosten für die Stilllegung von Gasnetzanschlüssen von den jeweiligen Anschlusskunden nicht erstattet bekommen. Ein Anpassung der Bedingungen bzw. Preisblätter hilft nach der Begründung des OLG Oldenburg nicht weiter – jegliche Vereinbarung über eine solche Kostenerstattung soll danach unwirksam sein. Die Netzbetreiber könnten sich daher veranlasst sehen, diese Kosten nur noch im Rahmen der Netzentgeltregulierung geltend zu machen und alle Netzkunden damit zu belasten oder im äußersten Fall solche Maßnahmen soweit möglich zurückzustellen oder gar nicht mehr anzubieten. Es ist zu hoffen, dass die Frage der Kostenerstattung zeitnah abschließend geklärt und die durch die Entscheidung des OLG Oldenburg geschaffene Unsicherheit für Netzbetreiber und Anschlussnehmer beseitigt wird.