Mit Datum vom 02.03.2011 (Verg 48/10) hatte das OLG Düsseldorf in einem viel beachteten Beschluss entschieden, dass auch bei einer Inhouse-Vergabe im Sinne der EuGH-Rechtsprechung die Vorgaben der Art. 5 Abs. 2 ff. VO (EG) 1370/2007 („ VOV“) beachtet werden müssen, soweit Leistungen des Öffentlichen Personennahverkehrs („ÖPNV“) betroffen sind. Das Direktvergabeverfahren könne zudem, so das OLG, in unmittelbarer oder zumindest analoger Anwendung von § 102 GWB einem Nachprüfungsverfahren unterzogen werden. Beide Aussagen werden nunmehr durch das OLG München durch einen aktuellen Beschluss vom 10.05.2011 (Verg 6/11) bestätigt.
VOV auch für vor dem 03.12.2010 bekannt gemachte Direktvergaben anwendbar
Das OLG führt zunächst in einer „Vorbemerkung zum anzuwendenden Recht“ aus, dass der Anwendungsbereich der VOV für den vorliegenden Fall eröffnet sei, obgleich das Vergabeverfahren bereits vor Inkrafttreten der VOV am 03.12.2010 begonnen habe. Es seien keine Anzeichen in der VOV dafür vorhanden, dass der EG-Verordnungsgeber Direktvergaben erst ein Jahr nach Inkrafttreten der VOV habe ermöglichen wollen. Angesichts der Tatsache, dass eine Direktvergabe nach der VOV eine Veröffentlichung ein Jahr vor der geplanten Direktvergabe voraussetze, müsse es dem Auftraggeber daher möglich sein, die nötigen Vorbereitungsmaßnahmen so frühzeitig zu treffen, dass eine Direktvergabe sofort nach Inkrafttreten der VOV erfolgen könne.
Zuständigkeit der Vergabekammern und -senate auch für Vergaben nach der VO 1370/07
Sodann schließt sich das OLG München ausdrücklich der Ansicht des OLG Düsseldorf an, wonach die §§ 102 ff. GWB in analoger Anwendung heranzuziehen sind, um die durch die fehlende Umsetzung der VOV im deutschen Recht entstandene Rechtslücke zur Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes zu schließen. Das Gericht betont insoweit, wie bereits das OLG Düsseldorf, die größere Sachnähe der Vergabenachprüfungsinstanzen und verweist zudem darauf, dass eine weitere Zersplitterung der Rechtswege sowie eine vom rügenden Interessenten bereits im Vorfeld zu treffende Entscheidung, ob von einem Dienstleistungsauftrag im Sinne des GWB oder von einer im Bereich der VOV liegenden Dienstleistungskonzession auszugehen sei, dem Rechtssuchenden nicht zugemutet werden könne.
Zu den Voraussetzungen der Direktvergabe
Weiterhin stellt das OLG fest, dass die der allgemeinen Inhouse-Rechtsprechung vorgehenden Voraussetzungen einer Direktvergabe nach der VOV vorliegend nicht erfüllt seien. Zwar übe der öffentliche Auftraggeber über das Unternehmen, an welches die ÖPNV-Erbringung direkt vergeben werden sollte, über seine 100 %ige Beteiligung eine Kontrolle aus, die der Kontrolle über eine eigene Dienststelle entspreche. Auch sei das Kriterium des Art. 5 Abs. 2b VOV erfüllt, wonach die öffentlichen Personenverkehrsdienste nur innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der örtlich zuständigen Behörde ausgeführt werden dürften. Nicht erfüllt sei aber demgegenüber die in Art. 5 Abs. 2e VOV aufgestellte Voraussetzung, wonach der interne Betreiber verpflichtet sei, im Falle einer möglichen Unterauftragsvergabe den überwiegenden Teil des Verkehrs selbst zu erbringen. Denn eine solche Begrenzung der Subunternehmervergabe enthalte der angegriffene Verkehrsvertrag nicht. Hieraus folge ohne Weiteres die Unwirksamkeit des Vertrages. An diesem Ergebnis ändere auch nichts, dass nach Ziffer 5.4 der Bayerischen Leitlinien zur Anwendung der VOV interne Betreiber zu einer überwiegenden Selbsterbringung verpflichtet seien; denn bei diesen Leitlinien handele es sich lediglich um allgemeine, rechtlich aber unverbindliche Anweisungen. Ebenso sei auch eine Verpflichtung zur Selbsterbringung im Gesellschaftsvertrag des internen Betreibers unbeachtlich, da diese den internen Betreiber allein intern binde. In der Folge sei der öffentliche Auftraggeber nunmehr gehalten, im Falle einer fortbestehenden Absicht zur Direktvergabe die Anforderungen des Art. 5 Abs. 2e VOV durch entsprechende vertragliche Regelungen sicherzustellen.
Fazit
Das OLG München führt die begrüßenswerte Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zur Zuständigkeit der Vergabenachprüfungsinstanzen für die Überprüfung von Direktvergaben nach der VO (EG) 1370/07 fort, wie sie auch nach dem Referentenentwurf eines neuen PBefG vom 31.01.2011 die zukünftige Rechtslage kennzeichnen soll. Zudem bestätigt das Bayerische Gericht zutreffend den Vorrang der VOV auch für Inhouse-Vergaben im Sinne der EuGH-Rechtsprechung. Besonders bemerkenswert aber ist die lediglich am Rande gemachte Anmerkung des OLG, dass vorliegend „Schwierigkeiten wegen § 8 Abs. 4 PBefG und § 13a PBefG nicht zu erwarten“ seien, da die Erfahrung gezeigt habe, dass der in Rede stehende Busverkehr nur mit erheblichen Zuschüssen und damit nicht eigenwirtschaftlich betrieben werden könne. Hiermit positioniert sich das OLG zum einen dahingehend, dass § 8 Abs. 4 PBefG seit Inkrafttreten der VOV nicht mehr so ausgelegt werden kann, dass auch zuschussabhängige Verkehre als „eigenwirtschaftlich“ anzusehen sind, solange sie auf Initiative des Verkehrsunternehmens erbracht werden. Zum anderen lässt sich erkennen, dass das Gericht entgegen einer teilweise in der Literatur geäußerter Ansicht § 13a PBefG nicht als nationale Regelung verstehen will, die einer Direktvergabe an einen internen Betreiber im Sinne der VOV von vornherein entgegensteht. Diese Fragen hatte das OLG Düsseldorf ausdrücklich offengelassen.