Sektorenauftraggeber haben nach § 3 SektVO die Möglichkeit, bei der EU-Kommission die Feststellung zu beantragen, dass Sektoren dem unmittelbaren Wettbewerb ausgesetzt sind. Stellt die EU-Kommission dies positiv fest, wird der Sektor im jeweiligen Mitgliedstaat aus der Anwendungspflicht des Vergaberechts entlassen. In diesem Sinne hat die EU-Kommission auf einen entsprechenden Antrag hin mit ihrem Durchführungsbeschluss (EU) 2023/1978 vom 21.09.2023 entschieden, dass die Vergabe von Aufträgen für Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erzeugung von und dem Großhandel mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/25/EU (Sektorenrichtlinie) bzw. der SektVO ausgenommen sind.
Doch von vorne…
Hintergrund und Antrag
Die Sektorenrichtlinie gilt nach ihrem Art. 9 Abs. 1 für die Vergabe von Aufträgen für Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Stromerzeugung und dem Stromgroßhandel, sofern die betreffende Tätigkeit nicht nach Art. 34 der Sektorenrichtlinie ausgenommen wurde. Nach Art. 34 Abs. 1 der Sektorenrichtlinie fallen Aufträge, die die Ausübung einer richtlinienrelevanten Tätigkeit ermöglichen sollen, auf Antrag eines Mitgliedstaats oder eines Auftraggebers nicht unter die Richtlinie, wenn die Tätigkeit in dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgeübt wird, unmittelbar dem Wettbewerb auf Märkten ausgesetzt ist, die keiner Zugangsbeschränkung unterliegen.
Die Feststellung, ob besagte Voraussetzungen vorliegen, muss nach objektiven Kriterien erfolgen, wobei die besonderen Merkmale des betreffenden Sektors zu berücksichtigen sind. Es muss sichergestellt werden, dass für die betreffende Tätigkeit, auch ohne die in der Richtlinie verankerten Vorschriften, eine Beschaffungsdisziplin gewährleistet bleibt, die transparent und diskriminierungsfrei ist und anhand derer die Auftraggeber die wirtschaftlichste Lösung ermitteln können.
Am 13.04.2023 hat der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bei der EU-Kommission einen entsprechenden Antrag für Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erzeugung von und dem Großhandel mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Deutschland, mit Ausnahme von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, der in Anlagen erzeugt wird, die vor dem 01.08.2014 in Betrieb genommen wurden und weiterhin öffentliche Mittel erhalten, gestellt.
Entscheidung der EU-Kommission
Vor diesem Hintergrund war die EU-Kommission also zur Feststellung aufgerufen, ob die Tätigkeiten im Sinne des Antrags auf Märkten mit freiem Zugang im Sinne des Art. 34 der Sektorentätigkeit in einem Maße dem Wettbewerb ausgesetzt sind, mit dem sichergestellt wird, dass die Auftragsvergabe im Rahmen der betreffenden Tätigkeit auch ohne die durch die Sektorenrichtlinie festgelegten detaillierten Vorschriften für die Auftragsvergabe bewirkte Beschaffungsdisziplin transparent, diskriminierungsfrei und auf der Grundlage von Kriterien erfolgt, anhand derer die Auftraggeber die wirtschaftlich günstigste Lösung ermitteln können.
Auf Grundlage ihrer Würdigung, insbesondere ihrer Analyse des deutschen Stromgroßhandels, gelangte die EU-Kommission in ihrem Beschluss zu folgendem Ergebnis:
Die Sektorenrichtlinie gilt nicht für die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber, die die Ausübung folgender Tätigkeiten in Deutschland ermöglichen sollen:
Weiterhin gilt die Sektorenrichtlinie für die Erzeugung und den Großhandel mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen, sofern die erzeugenden Anlagen einem festen Einspeisepreis oder dem Mieterstromzuschlag unterliegen.
Fazit
Bereits in ihrem Durchführungsbeschluss C(2012)2426 vom 24.04.2012 hatte die EU-Kommission festgestellt, dass in Deutschland im Bereich der Erzeugung und des Großhandels von Strom aus konventionellen Quellen mittlerweile hinreichend viel Wettbewerb und Marktöffnung herrscht, und daher diesen Bereich von der Anwendung der Sektorenrichtlinie bzw. der SektVO befreit.
Nunmehr hat die EU-Kommission die Herausnahme aus dem Anwendungsbereich der Sektorenrichtlinie bzw. SektVO mit ihrem Durchführungsbeschluss (EU) 2023/1978 vom 21.09.2023 auch auf die Vergabe von Aufträgen für Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erzeugung von und dem Großhandel mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Deutschland erweitert. Ausschreibungen sind daher zur Vergabe der konkreten Leistungen, auf die sich der Kommissionsbeschluss bezieht, nicht mehr erforderlich.
Haben Sie Fragen im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung von Sektorenvergaben bzw. Ausnahmen von der Anwendung der Sektorenverordnung? Wir beraten Sie gerne!