EU-Recht dann auch in Bulgarien und Rumänien
Mit dem Beitritt der beiden neuen Mitgliedstaaten Anfang 2007 bzw. 2008 haben diese rechtlich gesehen den sogenannten acquis communautaire, d.h. den gemeinschaftlichen Besitzstand an Rechtsnormen zu übernehmen. Im Grundsatz finden dann also ca. 80.000 Seiten EU-Recht auch in diesen neuen Mitgliedstaaten Anwendung.
Ausnahmen u.a. im europäischen Abfallrecht
Allerdings wurden im Beitrittsvertrag Übergangsfristen für die Anwendung des europäischen Abfallrechts in Bulgarien und Rumänien festgelegt. Diese betreffen insbesondere die Anwendung und Geltung der EG-Abfallverbringungsverordnung und sehen für die beiden Länder jeweils wie folgt aus:
Abfallverbringungen nach Bulgarien
Notifizierungspflicht für alle Abfälle (grün, gelb, rot, ungelistet) bis 31.12.2014. Während grün gelistete Abfälle im „alten Europa“ ohne vorherige Durchführung eines Notifizierungsverfahrens verbracht werden dürfen und dabei lediglich ein sogenanntes Art. 11 Papier (Begleitdokument) mitzuführen ist, ist für jede Verbringung von grün gelisteten Abfällen nach Bulgarien zwingend ein Notifizierungsverfahren einzuleiten. Konsequenz: Damit gelten auch behördliche Einwandsmöglichkeiten gegen die Verbringung von Abfällen der grünen Liste gemäß Art. 7 Abs. 4 EG-AbfVerbO bis Ende Dezember 2014.
Bulgarischen Behörden stehen erweiterte Einwandsmöglichkeiten gegen Abfallverbringungen von bestimmten Abfällen der gelben Liste aus den in Art. 4 Abs. 3 EG-AbfVerbVO genannten Gründen bis 31.09.2009 (Verlängerungsoption auf 31.12.2012) sowie gegen Verbringungen von rot gelisteten und ungelisteten Verwertungsabfällen bis Ende 2009 zu.
Bulgarische Behörden können den Einwand der falschen Anlage (=Verbringungsverbot) erheben, falls Verbringungen in bestimmte bulgarische Anlagen erfolgen, für die zeitlich begrenzte Ausnahmegenehmigungen von folgenden Anforderungen gelten: RL 96/61 EG (IVU-Richtlinie) und RL 2001/80 EG (Großfeuerungsanlagen-Richtlinie)
Abfallverbringungen nach Rumänien
Notifizierungspflicht für alle und damit auch für grün gelistete Abfälle bis 31.12.2015. Damit bestehen auch behördliche Einwandsmöglichkeiten gegen die Verbringung von Abfällen der grünen Liste gemäß Art. 7 Abs. 4 EG-AbfVerbO bis Ende Dezember 2015.
Rumänische Behörden haben erweiterte Einwandsmöglichkeiten gegen Abfallverbringungen von bestimmten Abfällen der gelben Liste aus den in Art. 4 Abs. 3 EG-AbfVerbVO genannten Gründen bis 31.12.2011 (Verlängerungsoption auf 31.12.2015) sowie die Möglichkeit, Verbringungen von rot gelisteten und ungelisteten Verwertungsabfällen bis Ende 2011 aus den in Art. 4 Abs. 3 EG-AbfVerbVO genannten Gründen zu verhindern.
Rumänischen Behörden steht ein Einwand der falschen Anlage zu (= Verbringungsverbot), falls Verbringungen in bestimmte Anlagen erfolgen, für die zeitlich begrenzte Ausnahmegenehmigungen von folgenden Anforderungen gelten: RL 96/61 EG (IVU-Richtlinie) und RL 2001/80 EG (Großfeuerungsanlagen-Richtlinie).
Besonderheit zum bisherigen Übergangsfristensystem
Auch für die am 1.Mai 2004 beigetretenen zehn neuen Mitgliedstaaten gab und gibt es noch ein Übergangsfristensystem. Dieses unterscheidet sich allerdings in einem wichtigen Punkt von dem nunmehr mit Rumänien und Bulgarien ausgehandelten System. Bei Verbringungen von Abfällen zur Verwertung in die Anfang Mai 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten dürfen sich sowohl die Versandstaatbehörden als auch die Bestimmungsstaatbehörden der neuen Mitgliedstaaten auf die für den Abfallverbringer erheblich strengeren Beseitigungseinwände gemäß Art. 4 Abs. 3 EG-AbfverbVO berufen. Damit stehen den Versandbehörden für Verbringungen von Verwertungsabfällen in einige der im Mai 2004 beigetreten Mitgliedstaaten (insbesondere Polen) umfassende behördliche Lenkungsmöglichkeiten zu.
Demgegenüber sind nach den für Bulgarien und Rumänien geltenden Übergangsfristen ausschließlich nur die Bestimmungsstaatbehörden dieser beiden Länder befugt, Einwände gegen die Verbringung von Verwertungsabfällen auch auf das für Beseitigungsabfälle geltende Einwandsystem des Art. 4 Abs. 3 EG-Abfallverbringungsverordnung zu gründen.
Es bleibt abzuwarten, wie zukünftig rumänische und bulgarische Behörden mit den ihnen zustehenden besonderen Einwandsbefugnissen umgehen werden.