In der Pressemitteilung heißt es, dass die vollständige Übertragung einer öffentlichen Aufgabe von einer öffentlichen Einrichtung auf eine andere, die diese Aufgabe völlig unabhängig und eigenverantwortlich wahrnehme, nicht mit einer vergüteten Dienstleistung gemäß Art. 49 EG-Vertrag gleichzusetzen sei. Bei einer solchen Übertragung handele es sich vielmehr um eine Maßnahme zur internen Organisation der öffentlichen Verwaltung des Mitgliedstaates. Daher gelten hierfür nicht die EU-Rechtsvorschriften und die darin enthaltenen Freiheitsrechte.
Übertragungsakt/Gebührenhoheit
Die Europäische Kommission wies im Rahmen des Beschwerdeverfahrens darauf hin, dass die Aufgabenübertragung in der konkreten Situation auf dem Abfallgesetz NRW in Verbindung mit dem landesrechtlichen Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit erfolgt sei. In der Sache hatten die Mitgliedskommunen die Rechtsverhältnisse beim Zweckverband in einer Satzung näher geregelt. Dementsprechend fehle es an einer individualvertraglichen Vereinbarung. Gleichzeitig stand nach Auffassung der Kommission die bei den Kommunen verbliebene Gebührenhoheit einem vollständigen befreienden Übertragungsakt nicht entgegen. Es mache keinen Unterschied in der Sache, ob die Gebühren durch die Mitgliedskommunen oder den Zweckverband selbst eingezogen würden.
Fazit
Bedauerlicherweise hat die Europäische Kommission die erheblichen praktischen Auswirkungen entsprechender Zweckverbandsvorhaben auf den (privaten) Wettbewerb im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht auch nur annähernd (ausreichend) berücksichtigt. Setzt sich die Kommissionspraxis fort, wovon auszugehen ist, bedeutet dies für die Praxis – in Deutschland und voraussichtlich auch den überwiegenden anderen Mitgliedstaaten – dass Zweckverbandsvorhaben generell von einer Ausschreibungspflicht ausgenommen wären. Denn in Deutschland verfügt jedes Bundesland über ein Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit. Gleichzeitig sehen die Fachgesetze regelmäßig eine Möglichkeit der Aufgabenübertragung auf Zweckverbände vor. Dies wird dazu führen, dass die Privatwirtschaft insbesondere aus dem hier relevanten Abfallmarkt Schritt für Schritt durch die Ausnutzung derartiger Zweckverbandsmodelle verdrängt wird. Die Entscheidung der Europäischen Kommission begegnet unabhängig von diesen gravierenden Wettbewerbsauswirkungen auch rechtlichen Bedenken. Der landesgesetzliche Rahmen genügt im gegenständlichen Fall nicht, um – anders als in der Sachverhaltskonstellation „Gemeinde Hinte“ – eine Aufgabenübertragung abschließend und umfassend zu realisieren; es bedurfte hierfür unstreitig weiterer Bestimmungen in der Zweckverbandssatzung. Außerdem hätte die Auffassung der Kommission zur Konsequenz, dass ein neuer Ausnahmetatbestand für Zweckverbandsvorhaben geschaffen würde, der so im Vergaberecht nicht vorgesehen ist. Zuletzt verwundert die Entscheidung vor dem Hintergrund der ursprünglich im Vertragsverletzungsverfahren „Gemeinde Hinte“ durch die Kommission entwickelten differenzierten Auffassung zu Zweckverbandsvorhaben. Denn die aktuelle Entscheidung der Kommission macht diese differenzierte Auffassung überflüssig. Dies würde aber auch bedeuten, dass jegliche Verfahren der Europäischen Kommission in der Vergangenheit zur Problematik der Vergabepflichtigkeit von Zweckverbandsvorhaben eigentlich überflüssig gewesen wären. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass der gewaltige politische Druck (insbesondere von deutscher Seite) auf die Kommission zu einem Einlenken auf europäischer Ebene geführt hat. Für die Zukunft ist daher zu erwarten, dass noch mehr Kommunen von dieser „vergaberechtssicheren“ Lösung (unter Verdrängung der Privatwirtschaft) Gebrauch machen werden.