Als Gegengewicht zur Erleichterung der Aktionärsklage in §§ 147, 148 AktG hat der Gesetzgeber die sogenannte „Business Judgement Rule“ aus dem angloamerikanischen Recht im deutschen AktG kodifiziert. Hintergrund war es, die bisherige Rechtslage des § 93 Abs. 1 AktG, wonach die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ anzuwenden haben, zu konkretisieren. Dies auch vor dem Hintergrund, dass eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht grundsätzlich zu einer Schadensersatzpflicht des jeweiligen Vorstandsmitglieds nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG führt und dieser nach der Beweislastregelung in § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG in der Regel zur Darlegung eines pflichtgemäßen Handelns verpflichtet ist.
Das pflichtwidrige Verhalten eines Vorstandsmitglieds wird nämlich zunächst vermutet. Zur Abwendung seiner Ersatzpflicht muss das jeweilige Vorstandsmitglied dann im Streitfall selbst nachweisen, dass er die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt hat. In seiner hierzu grundlegenden Entscheidung „ARAG/Garmenbeck“ vom 21.04.1997 (Az.: II ZR 175/95) hat der Bundesgerichtshof statuiert, dass dem Vorstand im Rahmen seiner unternehmerischen Entscheidungen ein weiter unternehmerischer Ermessensspielraum zuzubilligen ist. Lediglich Entscheidungen, die nicht das Wohl der Gesellschaft berücksichtigen und auf einer nicht ausreichenden Informationsgrundlage des Vorstands getroffen sind, stellen eine solche Sorgfaltspflichtverletzung dar. Im September 2005 hat der Gesetzgeber den folgenden Wortlaut in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ergänzt und damit den Versuch unternommen, die Haftungsmaßstäbe zu konkretisieren:
„Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftiger Weise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“
Nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG wurde die aus dem amerikanischen Recht bekannte Rechtsfigur des „Safe Harbour“ in das Deutsche Recht eingeführt. Zwischenzeitlich hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 12.10.2016 (Az. 5 StR 134/15; siehe auch Geissler, GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht 2017, Seite 9) bestätigt, dass die Einhaltung der Business Judement Rule ebenfalls eine Strafbarkeit nach § 266 StGB ausschließt. Gleichzeitig stellt ein Verstoß gegen die Business Judgement Rule „stets“ eine evidente Pflichtverletzung dar.
Beabsichtigt war also, den Organmitgliedern im Vorhinein aufzuzeigen, unter welchen Voraussetzungen in keinem Fall eine Pflichtverletzung erreicht ist. Leider wurde die Übernahme unbestimmten Rechtsbegriffe nicht vermieden, sodass die Rechtssicherheit wieder einmal der Rechtssprechung überlassen wurde. Letztlich enthält die Business Judement Rule keine wesentlichen Abweichungen von selbstverständlichen Rechtsgrundsätzen. Eine große Handlungssicherheit konnte den Vorständen der deutschen Aktiengesellschaft mit der Inkorporation der Business Judgement Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht an die Hand gegeben werden. Vielmehr sieht die Business Judement Rule Idealvorstellungen vor, welche keinesfalls einzelfalltauglich sind.