avocado rechtsanwälte
  • Deutsch
avocado rechtsanwälte
avocado rechtsanwälte
  • Home
  • Über uns
    • Über uns
    • Fachbereiche
    • Branchen
    • Standorte
    • International
    • Geschichte
  • Berater:innen
  • Aktuelles
    • Aktuelles
    • Veranstaltungen
    • Blog
    • Vlog
  • Kontakt
  • Karriere
    • Karriere
    • Onlinebewerbung
    • Deutsch
Sie sind hier: AktuellesBlog
Eintrag
Gesetzlicher Mindesturlaub vs. Verzicht im gerichtlichen Vergleich – wer gewinnt?
11.06.2025 Christian Breetzke

Gesetzlicher Mindesturlaub vs. Verzicht im gerichtlichen Vergleich – wer gewinnt?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat erneut die Rechte von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Mindesturlaub gestärkt und am 03.06.2025 per Urteil (Az. 9 AZR 104/24, PM) entschieden, dass ein in der Vergangenheit nicht selten genutzter Weg zur einvernehmlichen „Erledigung“ von Urlaubsansprüchen unzulässig und damit unwirksam ist. Arbeitgeber müssen sich in Trennungsvereinbarungen (gerichtliche Vergleiche sowie Aufhebungs- und Abwicklungsvereinbarungen) unbedingt auf diese Rahmenbedingungen einstellen.

Sachverhalt

Im Streit beim BAG ging es um die Abgeltung von sieben Urlaubstagen eines Betriebsleiters aus dem Jahr 2023, der bei der beklagten Arbeitgeberin zum 30.04.2023 ausgeschieden war. Im Jahr 2023 war er durchgehend, d. h. bis zu seinem Ausscheiden bei der Beklagten, arbeitsunfähig erkrankt und konnte seinen (anteiligen) Urlaubsanspruch daher nicht „in natura“, d.h. in Form von bezahlter Freizeit, nehmen. Im Rahmen der Gespräche über eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses wies die vom Kläger beauftragte Rechtsanwältin darauf hin, dass die in den zur Diskussion stehenden Vergleichsentwurf aufgenommene, in der Praxis nicht selten verwendete Klausel „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“ aufgrund des damit einhergehenden Verzichts auf gesetzlichen Mindesturlaub unwirksam sei. Im Übrigen war eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung i.H.v. 10.000 € vorgesehen. Die Abwicklung erfolgte im Wege eines gerichtlichen Vergleiches, dem alle Beteiligten schließlich zustimmten.

Seine Zustimmung hinderte den Kläger jedoch nicht daran, im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von seiner mittlerweile ehemaligen Arbeitgeberin die Abgeltung des ihm für das Jahr 2023 zustehenden gesetzlichen Mindesturlaubs in Höhe von sieben Tagen, damit einen Betrag i.H.v. 1.615,11 € brutto zuzüglich Zinsen, nach § 7 Abs. 4 BUrlG zu fordern. In dem Verhalten des Klägers mag das Rechtsgefühl zwar einen Rechtmissbrauch spüren oder einen Verstoß gegen Treu und Glauben vermuten. Mehr als widersprüchliches Verhalten des Arbeitnehmers vermochte das BAG jedoch nicht zu erkennen und so wurde die Arbeitgeberin zur geforderten Urlaubsabgeltung zusätzlich zur bereits gezahlten Abfindung verurteilt. Es wiege schlimmer, dass der Arbeitgeber sich mit einer „offensichtlich rechtswidrigen“ Klausel dem Urlaubsanspruch des Klägers bzw. dessen Abgeltungsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses entgegen § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG habe entledigen wollen. Eine solche Vereinbarung lasse der hinter dem Urlaub stehende Gesundheitsschutz selbst dann nicht zu, wenn der Kläger vom Zeitpunkt der Verzichtserklärung bis zum einvernehmlich gewählten Beendigungszeitpunkt durchgehend arbeitsunfähig krank und dies auch bereits absehbar gewesen sei, der Arbeitgeber dem geforderten Gesundheitsschutz also gar nicht hätte nachkommen können in Form bezahlter Freizeit.

Die Klausel in dem gerichtlichen Vergleich sei auch nicht als Tatsachenvergleich, auf den § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG nicht anzuwenden wäre, wirksam. Ein solcher könne nur vorliegen, wenn zwischen den Beteiligten Unsicherheit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs bestehe und gerade diese Zweifel durch ein gegenseitiges Nachgeben im Vergleichswege beseitigt würden. Angesichts der seit Anfang des Jahres 2023 durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers habe vorliegend kein Raum für eine solche Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen des Urlaubsanspruchs bestanden.

Im Ergebnis sah sich die Arbeitgeberin, die zuvor mit dem Kläger wie üblich ein „finanzielles Gesamtpaket“ ohne Urlaubsabgeltung verhandelt haben wird, mit erheblich höheren Kosten konfrontiert.

Praxishinweise

Gewonnen hat damit – mal wieder – der gesetzliche Mindesturlaub. Das Urteil des BAG mag vor dem europarechtlichen Hintergrund des deutschen Urlaubsrechts zutreffend sein. Es berücksichtigt jedoch nicht die Realität, in der Urlaubsansprüche und die damit einhergehenden Kosten bisher häufig Teil der Verhandlungsmasse im Rahmen von Trennungsverhandlungen sind und auch von Arbeitnehmerseite so behandelt werden. Trotzdem müssen Arbeitgeber das Urteil des BAG in Zukunft unbedingt beachten. 

Steht eine Arbeitsunfähigkeit bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt bereits fest, muss der Urlaubsabgeltungsanspruch jedenfalls in Höhe des offenen gesetzlichen Mindesturlaubs ausgezahlt und damit eingepreist werden.

Das Verzichtsverbot gilt jedoch nur, wenn das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Einigung noch läuft, d.h., wenn nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses rückwirkend über die Trennungsmodalitäten verhandelt wird, kann der Arbeitnehmer auf seinen inzwischen entstandenen Urlaubsabgeltungsanspruch wirksam verzichten. Da sich der Urlaubsanspruch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Abgeltungsanspruch wandelt, der nach dem BAG als sog. reiner Geldanspruch zu verstehen ist, wird dieser Verzicht möglich. 

In Trennungsvereinbarungen während des laufenden Arbeitsverhältnisses können die sich aus den Vorgaben aus Erfurt ergebenden Probleme in der Regel durch eine ausreichend lange bezahlte unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers unter Anrechnung auf den Urlaub des Arbeitnehmers vermieden werden – zumindest, wenn der Arbeitnehmer nicht plötzlich trotz Freistellung arbeitsunfähig wird. Arbeitgeber sollten daher auf eine Regelung zur Kürzung eines vereinbarten Abfindungsanspruchs in Höhe der Kosten eines ggf. wider Erwarten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Urlaubsabgeltungsanspruchs bestehen. Damit kann verhindert werden, dass ein unerwartet (!) trotz vereinbarter bezahlter Freistellung arbeitsunfähig gewordener Arbeitnehmer neben der Entgeltfortzahlung zusätzliche Kosten verursacht, weil die Anrechnung auf den Urlaub an der Arbeitsunfähigkeit scheitert. Bei einer solchen Kürzungsvereinbarung muss daran gedacht werden, dass die Abfindung – anders als der Urlaubsabgeltungsanspruch – sozialabgabenfrei ausgezahlt wird. 

Gestaltungsmöglichkeiten bestehen zudem für den über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden vertraglichen Zusatzurlaub, da für diesen die zwingenden Bestimmungen des BUrlG nicht gelten. Auf diesen kann der Arbeitnehmer auch während des laufenden Arbeitsverhältnisses wirksam verzichten. Idealerweise ist bereits im Arbeitsvertrag vereinbart, dass der Zusatzurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten ist, doch auch in Trennungsvereinbarungen ist dies noch möglich.

Fragen dazu? Fragen Sie uns!

Autor:in

Christian Breetzke
Fachanwalt für Arbeitsrecht / Köln
Zur Person

© avocado rechtsanwälte Berlin Frankfurt Hamburg Köln München Brüssel

nach oben
  • Impressum
  • Datenschutz
  • Kontakt
  • Login
  • Datenschutzeinstellungen bearbeiten

Diese Webseite verwendet Cookies, um die Seite benutzerfreundlich zu gestalten und uns über Ihr Nutzungsverhalten zu informieren. Mehr erfahren ...

Einverstanden Ablehnen