In einem vielbeachteten Beschluss hatte das OLG Düsseldorf 2007 entschieden, dass städtebauliche Verträge und Grundstücksveräußerungen mit Bauverpflichtung als „Baukonzessionen“ dem Vergaberecht unterliegen („Ahlhorn“, Beschl. v. 13.6.2007 – VII-Verg 2/07). Diese Rechtsprechung ist in der Folgezeit auf breite Kritik gestoßen. Klarheit sollte nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers der im Zuge der Vergaberechtsnovelle 2009 neu gefasste § 99 Abs. 3 GWB bringen. Danach sind Bauaufträge, entgegen der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf, nur Leistungen „für“ den öffentlichen Auftraggeber bzw. es muss sich um „dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugute kommende Bauleistungen“ handeln.
Vorlagefragen des OLG Düsseldorf
Noch vor Inkrafttreten der Reform hatte jedoch das OLG Düsseldorf in einem ähnlich gelagerten Fall den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen und dort um Klarstellung des Begriffs der Baukonzession gebeten. Konkret hatte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) Ende 2006 im Internet und in der Zeitungspresse ihre Absicht bekannt gemacht, ein in ihrem Eigentum stehendes Kasernengelände nach Abstimmung der zulässigen Nutzungen zu veräußern. In der Folgezeit ließ sich der Rat der Stadt die Ideen der verschiedenen Bieter vorstellen und entschied sich für die Planung eines bestimmten Investors, dem das Grundstück schließlich verkauft wurde. Eine Realisierungspflicht des Investors wurde nicht vereinbart; der Rat der Stadt Wildeshausen stellte jedoch in Aussicht, gegebenenfalls einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufstellen zu wollen.
Das OLG Düsseldorf sah auch in diesem Fall die Voraussetzungen einer ausschreibungspflichtigen Baukonzession erfüllt und bat nun den EuGH um Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung (Beschluss vom 2.10.2008 – VII-Verg 25/08). Insbesondere stellte das OLG die Frage, ob ein öffentlicher Bauauftrag konstitutiv voraussetze, dass die Bauleistung dem öffentlichen Auftraggeber wirtschaftlich zugute kommt. Darüber hinaus wurden die Fragen vorgelegt, ob der Begriff des öffentlichen Bauauftrags erfordere, dass der Unternehmer zu Bauleistungen verpflichtet werde, und ob eine Baukonzession auch unbefristet erteilt werden könne.
Generalanwalt: unmittelbare Verbindung zwischen Auftraggeber und Arbeiten notwendig
In dem geschilderten Vorlageverfahren (Rs. C-451/08) sind nun unter dem 17.11.2009 die Schlussanträge des Generalanwalts veröffentlicht worden. Hiernach kündigt sich eine Abkehr von der viel kritisierten „Ahlhorn“-Rechtsprechung des OLG Düsseldorf an. Denn nach Ansicht des Generalanwalts ist ein öffentlicher Bauauftrag und damit eine Baukonzession nur anzunehmen, wenn eine „triftige unmittelbare Verbindung“ zwischen dem öffentlichem Auftraggeber und den durchzuführenden Arbeiten oder Gewerken besteht. Diese Verbindung könne zum einen darin bestehen, dass die öffentliche Verwaltung Eigentum an den zu errichtenden Bauwerken erwerbe oder anderweitig einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil erhalte. Darüber hinaus sei eine Verbindung aber auch dergestalt denkbar, dass es zum Einsatz öffentlicher Mittel, etwa in Form einer Grundstücksüberlassung unter Marktpreis, komme. Schließlich könne eine Verbindung auch dadurch hergestellt werden, dass die Arbeiten bzw. Gewerke das Ergebnis einer Initiative der öffentlichen Verwaltung seien, die über den bloßen Gebrauch der städtebaulichen Befugnisse hinausgingen. Dagegen genüge ein rein immaterieller und mittelbarer Nutzen ebenso wenig wie der bloße Umstand, dass die zu beurteilende Tätigkeit allgemein im Einklang mit den öffentlichen Interessen stehe. Der Generalanwalt weist an dieser Stelle darauf hin, dass es dem vorlegenden OLG obliege zu entscheiden, ob in dem maßgeblichen Rechtsstreit eine unmittelbare Verbindung in dem geforderten Sinne anzunehmen sei; er selbst hält dies jedoch für „schwer vorstellbar“.
Zu den weiteren Voraussetzungen einer Baukonzession
Über diese unmittelbare Verbindung hinaus fordert der Generalanwalt unter Bezugnahme auf die Vorlagefragen des OLG Düsseldorf außerdem die Erfüllung weiterer Voraussetzungen, um von einer Baukonzession ausgehen zu können. Zum einen setze ein Bauauftrag stets eine Verpflichtung zur Realisierung der Arbeiten bzw. Gewerke voraus. Damit scheiden städtebauliche Verträge ohne Bauverpflichtung von vorne herein aus dem Anwendungsbereich des Vergaberechts aus. Darüber hinaus folgert der Generalanwalt aus dem Begriff der Konzession, dass ein gleichzeitiger Eigentumsübergang an den zu errichtenden Grundstücken ausgeschlossen sei. Denn die umfassende Rechtsstellung des Eigentümers schließe es aus, dass demselben durch den Auftraggeber noch ein Recht zur Nutzung übertragen werden könne. Darüber hinaus könne, unabhängig von dem ihr zugrunde liegenden Rechtstitel, die dem Konzessionär eingeräumte Nutzung nie auf unbegrenzte Zeit zugestanden werden. Denn Merkmal der Baukonzession sei stets, dass die öffentliche Verwaltung die Möglichkeit behalte, eines Tages die Herrschaft über die errichteten Bauwerke zu erlangen.
Fazit
Der Generalanwalt hat mit seinen Schlussanträgen klar gestellt, dass er die „Ahlhorn“-Rechtsprechung des OLG Düsseldorf als zu weitgehend erachtet. Sollte sich der EuGH dem anschließen, so dürften städtebauliche Verträge in Zukunft nur noch in Ausnahmefällen dem Vergaberecht unterliegen.
Bei einer EuGH-Entscheidung im Sinne des Generalanwalts dürfte aber auch die Regelung zu Baukonzessionen in § 99 Abs. 3 GWB auf Dauer keinen Bestand haben. Denn die dort geforderte Verbindung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber einerseits und den Arbeiten/Gewerken andererseits umfasst mit dem unmittelbaren wirtschaftlichen Zugutekommen nur eine der drei vom Generalanwalt aufgestellten Varianten einer ausreichenden Verknüpfung. Damit ist § 99 Abs. 3 GWB enger als die Vorgaben der Vergabekoordinierungsrichtlinie in der durch den Generalanwalt gefundenen Auslegung und müsste, soweit sich der EuGH den Anträgen des Generalanwaltes anschließt, als EU-rechtswidrig unangewendet bleiben. Eine Überarbeitung der Vorschrift wäre dann nur eine Frage der Zeit.