EuGH kippt Mindeststandards für ausländische Gesellschaften
Das Urteil des EuGH in der Sache Inspire Art (Rs. C-167/01) wurde in Deutschland mit Spannung erwartet. Auf dem Prüfstand des EuGH stand das niederländische „Wet op de formeel buitenlandse vennotschappen“, ein Gesetz, das für in den Niederlanden ansässige Auslandsgesellschaften gewisse Mindeststandards in Bezug auf Stammkapital, Publizität und Haftung vorschreibt. Damit sollte geregelt werden, dass auch ausländische Gesellschaften ein Minimum an Voraussetzungen bezüglich Stammkapital etc. in Holland erfüllen müssen. Ein Niederländischer Kunsthändler, der seine Unternehmen aus Kostengründen in der Rechtsform einer englischen Limited betreiben wollte, hatte sich gegen diese Auflagen gewehrt und Klage erhoben. Der EuGH gab dem Kunsthändler recht. Er sah in den Anforderungen des Gesetzes eine ungerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Das Gericht bekräftigte unter Bezugnahme auf seine früheren Centros- und Überseeringentscheidungen ferner, dass die Wahl eines fremden Gesellschaftsrechts zur Vermeidung nationaler Mindestanforderungen – z. B. an die Kapitalaufbringung – keinen Rechtsmissbrauch darstellt, und zwar auch dann nicht, wenn die von der Gesellschaft ausgeübte Tätigkeit mit der gewählten Rechtsordnung keinen Zusammenhang aufweist.
Rechtssicherheit beim Einsatz von Auslandsgesellschaften
Diese Entscheidung ist in zweifacher Hinsicht von Bedeutung: Zum einen wird der Nutzung ausländischer Gesellschaftsformen endgültig das Stigma des Rechtsmissbrauchs genommen. Dies gilt sowohl für das Gesellschafts- wie auch für das Steuerrecht. Zum anderen erhöht die Entscheidung die Rechtssicherheit beim Einsatz von Auslandsgesellschaften. Einer Überlagerung des gewählten Rechts durch nationale Vorschriften und Rechtsgrundsätze ist – außer zum Schutz vor Missbrauch und Betrug – ein Riegel vorgeschoben worden. Dies gilt in erster Linie für den Bereich der Organisations-, Finanz- und Haftungsverfassung ausländischer Gesellschaften, also für
Für diese Fragen wird – abgesehen von betrügerischen Unternehmungsführungen im Einzelfall – zukünftig allein das ausländische Recht maßgeblich sein.
Arbeitnehmermitbestimmung
Das umstrittene Thema „Arbeitnehmermitbestimmung“ im Aufsichtsrat ist ebenfalls durch die Entscheidung Inspire Art geklärt worden: Als Teil der Organisationsverfassung einer Gesellschaft unterliegt die Existenz und die Besetzung eines Aufsichtsrates dem Recht des Gründungsstaates und damit gerade jener Wahlfreiheit, die der EuGH gewährleistet sehen will. Dass die Unternehmensmitbestimmung deutscher Prägung zum Schutze des Allgemeinwohls im Sinne der EuGH-Kriterien zwingend erforderlich ist und deshalb Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigt, kann mit Blick auf die Praxis der Arbeitnehmerbeteiligung in anderen Mitgliedsstaaten nicht ernsthaft behauptet werden. Es ist somit nur eine Frage der Zeit, wann aus Deutschland erstmalig ein Fall zur Mitbestimmung dem EuGH vorgelegt wird. Die Entscheidung des EuGH dürfte ziemlich eindeutig sein.
Vorteile einer englischen Ltd. oder einer holländischen B.V.
In der Konsequenz heißt dies, dass durch die Gründung einer englischen Ltd. oder holländischen B.V. die Vorschriften über die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat legal umgangen werden können. Dies heißt aber auch, dass durch die Nutzung einer englischen oder holländischen Gesellschaft die deutschen Grundsätze über Kapitalaufbringung, Eigenkapitalersatz etc. nicht gelten.
Die Entscheidung hat auch für den Steuerpflichtigen günstige steuerrechtliche Auswirkungen.