Mit einem aktuellen Urteil vom 13.06.2013 (C-386/11) hat der EuGH erstmals zur in Deutschland seit Jahren umstrittenen Frage der Vergabepflichtigkeit von delegierenden Vereinbarungen zwischen verschiedenen öffentlichen Auftraggebern Stellung genommen. Im Ergebnis konstatiert der EuGH, dass auch eine Aufgabendelegation zwischen Verwaltungsträgern und anderen öffentlichen Stellen nicht per se vergaberechtsfrei sei. Vielmehr komme es allein darauf an, ob zum einen der Begriff des „öffentlichen Auftrags“ erfüllt sei und ob zum anderen die Voraussetzungen entweder einer Inhouse-Vergabe oder aber einer öffentlich-öffentlichen Kooperation als durch den EuGH entwickelte Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht für öffentliche Aufträge vorlägen.
Der Sachverhalt
Konkret hatte der Kreis Düren beschlossen, die Aufgabe der Reinigung seiner im Stadtgebiet Düren gelegenen Gebäude – ohne dass zuvor ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt werden sollte – mit befreiender Wirkung vertraglich auf die Stadt Düren zu übertragen. Für die Aufgabenübernahme sollte die Stadt Düren eine finanzielle Entschädigung auf Basis eines Stundensatzes erhalten. Zudem war im Vertragsentwurf vorgesehen, dass sich die Stadt Düren zur Erfüllung der ihr übertragenen Pflichten auch Dritter bedienen dürfe. Bei der Aufgabenübertragung stützte sich der Kreis auf § 23 Abs. 1 Alt. 1 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit des Landes Nordrhein-Westfalen („GkG NRW“). Hiernach können Gemeinden und Gemeindeverbände vereinbaren, dass einer der Beteiligten einzelne Aufgaben der übrigen Beteiligten in seine Zuständigkeit übernimmt (sogenannte „delegierende Vereinbarung“). Gegen den beabsichtigten Vertragsschluss wandte sich ein privates Reinigungsunternehmen mit dem Ziel, dem Kreis Düren untersagen zu lassen, den Vertrag ohne ein Vergabeverfahren abzuschließen.
Vorlagefrage des OLG Düsseldorf
Anders als hinsichtlich der in § 23 Abs. 1 Alt. 2 GkG NRW geregelten sogenannten „mandatierenden Vereinbarungen“, bei denen eine öffentliche Stelle mit der Durchführung von bestimmten Aufgaben für eine andere öffentliche Stelle beauftragt wird, wurde bislang in der deutschen Rechtsprechung und Lehre überwiegend vertreten, dass delegierende Vereinbarungen als bloße Verwaltungsorganisationsakte ausschreibungsfrei möglich seien. Ob und unter welchen Voraussetzungen dies tatsächlich der Fall sei, wollte nunmehr das im Vergabenachprüfungsverfahren zweitinstanzlich zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf vom EuGH beantwortet wissen.
Die Entscheidung des EuGH
Auf diese Vorlagefrage des OLG Düsseldorf hat der EuGH nunmehr eindeutig festgestellt, dass es weder für delegierende, noch für mandatierende Vereinbarungen über eine öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit eine pauschale Ausnahme vom Vergaberecht gebe. Soweit ein solcher Vertrag die Definition eines öffentlichen Auftrags erfülle, also wie hier Liefer-, Bau oder Dienstleistungen betreffe und als „entgeltlich“ anzusehen sei, sei eine Ausnahme vom Vergaberecht vielmehr nur in zwei Fallgestaltungen denkbar: Entweder, es handele sich um eine sogenannte „Inhouse-Vergabe“, das heißt, um einen Vertrag mit einer Person, über die der öffentliche Auftraggeber eine ähnliche Kontrolle ausübe wie über seine eigenen Dienststellen und die zugleich im Wesentlichen nur für den bzw. die öffentlichen Auftraggeber tätig sei, oder aber es handele sich um einen Vertrag, welcher die Voraussetzungen einer „öffentlich-öffentlichen Kooperationsvereinbarung“ im Sinne der EuGH-Rechtsprechung in der Sache Stadtreinigung Hamburg (C-480/06) erfülle. Letzteres wiederum setze jedoch zunächst bereits voraus, dass der Vertrag eine Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden Gemeinwohlaufgabe betreffe. Darüber hinaus sei zu fordern, dass folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt seien: Erstens müsse der Vertrag ausschließlich zwischen öffentlichen Einrichtungen ohne Beteiligung Privater geschlossen werden, zweitens dürfe kein privater Dienstleistungserbringer besser gestellt werden als seine Wettbewerber und drittens dürfe die vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt werden, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhingen.
In der vorliegend zur Entscheidung stehenden Konstellation sieht der EuGH jedoch weder die Voraussetzungen einer Inhouse-Vergabe, noch die Voraussetzungen einer ausschreibungsfreien öffentlich-öffentlichen Kooperation als gegeben an. Insbesondere habe der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertragsentwurf nicht die Vereinbarung einer Zusammenarbeit zwischen den beiden vertragsschließenden öffentlichen Einrichtungen „zur Wahrnehmung einer gemeinsamen Gemeinwohlaufgabe“ zum Gegenstand. Im Übrigen gehe aus den Feststellungen des OLG Düsseldorf in dessen Vorlagefrage auch hervor, dass dieser Vertrag zur Erfüllung der darin vorgesehenen Aufgabe den Rückgriff auf einen Dritten gestatte, so dass dieser Dritte gegenüber den übrigen auf demselben Markt tätigen Unternehmen begünstigt werden könne. Im Ergebnis antwortet der EuGH daher auf die Vorlagefrage, dass auch eine delegierende Vereinbarung, wie sie hier im Ausgangsverfahren in Rede stehe, einen ausschreibungspflichtigen öffentlichen Dienstleistungsauftrag darstelle.
Fazit
Mit seiner aktuellen Entscheidung stellt der EuGH im Ergebnis noch einmal klar, dass – entgegen der gerade in jüngerer Zeit von kommunaler Seite zum Teil geäußerten Auffassung – öffentlich-öffentliche Kooperationsformen weder per se vom Vergaberecht befreit sind, noch es insoweit auf die formale Unterscheidung ankommt, ob ein Dritter mit einer Aufgabenerfüllung mandatiert oder aber die gesamte Aufgabe auf einen Dritten delegiert wird. Vielmehr ist allein entscheidend, ob die Voraussetzungen eines „öffentlichen Auftrags“ erfüllt sind und ob eine der von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen vom Vergaberecht (nämlich eine Inhouse-Vergabe oder eine öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Stadtreinigung Hamburg) gegeben ist. Damit bringt der EuGH ein wenig Licht in einen bislang gerade in Deutschland äußerst umstrittenen Bereich. Erfreulich ist außerdem, dass der EuGH in seiner Entscheidung die Voraussetzungen einer ausschreibungsfreien öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit noch einmal näher konkretisiert und ausgestaltet hat. Dies gibt allen Beteiligten – öffentlichen Stellen wie privaten Unternehmen gleichermaßen – Sicherheit für das zukünftige Vorgehen in gleichgelagerten Fällen.