Dem Oberverwaltungsgericht Münster (Az.: 20 B 233/03, Beschluss vom 18.08.2003) lag in einem Eilverfahren der Antrag eines Landkreises als Deponiebetreiber vor, Hausmüll und andere Abfälle mit hohen organischen Anteilen ohne Einschränkung auf der Deponie ablagern zu dürfen. Die zuständige Behörde hatte die Ablagerung solcher Abfälle in dem angefochtenen Bescheid dagegen nur unter der Voraussetzung bis zum 31.05.2005 zugelassen, dass der die Deponie betreibende Landkreis bis zum 31.05.2005 75.000 t Abfälle einer bestimmten Müllverbrennungsanlage andient.
OVG Münster bejaht diese Frage
Das OVG Münster hält diese Nebenbestimmung für zulässig. Das Gericht führt in diesem Zusammenhang aus, die weitere Ablagerung von Abfällen mit hohen organischen Anteilen auf der Deponie sei, obwohl der Deponiebetreiber über einen entsprechenden Planfeststellungsbeschluss verfüge, nur aufgrund der Genehmigung in dem angefochtenen Bescheid zulässig. Denn insoweit spreche Überwiegendes dafür, dass die Legalisierungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses in Bezug auf die in ihm enthaltenen Regelungen zur Ablagerung unvorbehandelter Abfälle mit hohen organischen Anteilen unmittelbar durch die Abfallablagerungsverordnung beendet worden sei. Damit seien die Zuordnungswerte nach § 3 Abs. 3 AbfAblV i.V.m. Anhang 1 AbfAblV mit In-Kraft-Treten der Abfallablagerungsverordnung ohne vorherige Änderung des Planfeststellungsbeschlusses im Wege einer nachträglichen Auflage oder Anordnung für den Deponiebetreiber verbindlich und folglich einzuhalten. Für die weitere Ablagerung unvorbehandelter organischer Abfälle – das heißt solcher, die die Zuordnungswerte nach Anhang 1 zur Abfallablagerungsverordnung nicht einhalten – sei demnach eine behördliche Zulassung nach § 6 Abs. 2 AbfAblV erforderlich.
Damit geht das OVG Münster in einem entscheidenden Punkt, nämlich hinsichtlich der Anforderungen an die zu deponierenden Abfälle, von einem unmittelbaren Eingriff der Abfallablagerungsverordnung in die Genehmigungssituation von Deponien aus.
Ob das OVG Münster diese unmittelbare Wirkung auch für die sonstigen Anforderungen der Abfallablagerungsverordnung und insbesondere die Vorgaben der Deponieverordnung annehmen würde, lässt sich zwar nicht mit Sicherheit vorhersagen. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Auslegung von § 3 Abs. 3 AbfAblV im Hinblick auf die Frage, ob dieser Vorschrift eine derartige unmittelbare Wirkung zukommt, lassen jedoch eher vermuten, dass es davon ausgeht, dass auch die sonstigen Regelungen der Abfallablagerungsverordnung und der Deponieverordnung unmittelbare Rechtswirkung entfalten. So weist das Oberverwaltungsgericht beispielsweise darauf hin, dass § 3 Abs. 3 AbfAblV dazu diene, den im Hinblick auf die TA-Siedlungsabfall aufgetretenen Vollzugsproblemen durch bundesein-heitliche rechtsverbindliche Festschreibung den Boden zu entziehen – ein Argument, das letztlich auf alle Vorschriften der TA-Siedlungsabfall, auf die in der Abfallablagerungsverordnung und der Deponieverordnung Bezug genommen wird, anwendbar ist. Im Hinblick auf die Deponieverordnung stellt das Gericht sogar explizit fest, diese sei auf unmittelbare Rechtswirkung gegenüber Deponiebetreibern und Abfallbesitzern angelegt. Prinzipiell dürfte das OVG Münster damit von einer unmittelbaren Wirkung der Vorgaben für Deponien in der Abfallablagerungsverordnung und der Deponieverordnung ausgehen, die nur dann zu verneinen ist, wenn einer bestimmten Regelung im Einzelfall die „für eine unmittelbare Geltung gebotene hinreichende Konkretisierung“ fehlt.
Droht nun das Strafrecht?
Die Folgen dieser Rechtsprechung nicht nur für Deponiebetreiber, sondern auch für Erzeuger und Besitzer von Abfällen, die diese auf der Deponie entsorgen, sollte nicht unterschätzt werden. Würde diese Rechtsprechung bestätigt und konsequent angewendet, so wäre die Abfallentsorgung auf Deponien in zahlreichen Fällen seit In-Kraft-Treten der Abfallablagerungsverordnung im Jahr 2001 bzw. spätestens seit In-Kraft-Treten der Deponieverordnung im Jahr 2002 illegal, was für alle Beteiligten nicht nur mit verwaltungsrechtlichen, sondern insbesondere auch ordnungswidrigkeitenrechtlichen und sogar strafrechtlichen Folgen verbunden sein könnte. Die Entscheidung des OVG Münster vom 18.08.2003 zwingt daher nicht nur Deponiebetreiber, sondern auch die Abfallerzeuger und Abfallbesitzer, die bestimmte Abfälle auf der Deponie entsorgen, zu einer eingehenden Überprüfung der Genehmigungslage.