Daten und Informationen mit Interesse für die Öffentlichkeit werden zugänglicher, eine Einschränkung dieser politisch gewünscht breiten Zugänglichkeit zugunsten des Schutzes der von der Veröffentlichung Betroffenen ist an extrem hohe Anforderungen geknüpft. Und dies gilt nach einer Reihe von gerichtlichen Entscheidungen in der jüngeren Vergangenheit selbst für den Fall einer abstrakten Gefahr für Leib oder Leben der Betroffenen.
In einem früheren Blog hatten wir bereits gerichtliche Entscheidungen vorgestellt, die eine Löschung im Handelsregister eingetragener sensibler persönlicher Daten bzw. einen Anspruch auf komplette Ersetzung einer alten Gesellschafterliste durch eine neue selbst dann verneinten, wenn diese überholt waren oder über das gesetzlich geforderte Maß hinausgingen. Hauptargument war jeweils, dass eine durchgängige Datenerhaltung den Kern des registerrechtlichen Publizitätsprinzips darstelle. Einmal eingetragene Tatsachen bzw. hinterlegte Dokumente sollen nicht einfach gelöscht werden, sondern nur durch neue Eintragungen oder neue Dokumente korrigiert werden. Immerhin hatte der BGH ausdrücklich nicht entschieden, ob in besonderen Ausnahmefällen bei Nachweis konkreter Gefahren für Leib oder Leben eine andere Beurteilung geboten sei.
Damit beschäftigte sich nunmehr das Verwaltungsgericht in Köln in seiner Entscheidung vom 17. Juli 2024 (Az. 13 K 5996/19) bezogen auf die mögliche Beschränkung der Einsichtnahmemöglichkeit in das Transparenzregister.
Seit seiner Einführung 2007 werden im Transparenzregister nach den Vorgaben des Geldwäschegesetzes (GWG) die wirtschaftlich Berechtigten von juristischen Personen und eingetragenen Personengesellschaften und einiger anderer Rechtsgestaltungen registriert. Ziel ist es, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern. Wirtschaftlich Berechtigte sind in diesem Zusammenhang natürliche Personen, die unmittelbar oder mittelbar 25% der Anteile halten oder mehr als 25% der Stimmrechte kontrollieren. Bei mittelbarer Kontrolle über eine oder mehrere zwischengeschaltete Gesellschaften muss die natürliche Person über mehr als 50% der Anteile oder Stimmrechte an dieser verfügen, um Kontrolle über die Tochtergesellschaft auszuüben. Neben den im Geldwäschegesetz vorgesehenen Behörden und Gerichten und den nach den Vorgaben zur Transparenz Verpflichteten war das Transparenzregister seit 2020 auch ohne Darlegung eines berechtigten Interesses für alle Mitglieder der Öffentlichkeit einsehbar. Dies hat der EuGH in einem Urteil vom 22. November 2022 (Az. C-37/20 und C-601/20) für unvereinbar mit der Charta der Grundrechte der EU gehalten. Damit ist auch die entsprechende deutsche Umsetzung in § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GWG europarechtswidrig. Da § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GWG trotz der Entscheidung des EuGH bisher nicht angepasst wurde, sollen nach Auffassung des federführenden Finanzministeriums die Anforderungen des EuGH im Rahmen einer unionsrechtskonformen Verwaltungspraxis übergangsweise umgesetzt werden. Für die Einsichtnahme ist daher bis auf Weiteres von Mitgliedern der allgemeinen Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse darzulegen.
Der Kläger – dem Vernehmen nach einer der reichsten Menschen Deutschlands, der die Öffentlichkeit extrem meidet, seine Identität verschleiert und keine Interviews gibt, wohl aber mehrfach Gegenstand journalistischer Berichterstattung auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen war – ist wirtschaftlich Berechtigter einer Vielzahl von Gesellschaften. Als solcher ist er im Transparenzregister eingetragen. Er hatte nach § 23 Abs. 2 S. 1 GWG die vollständige Beschränkung der Einsichtnahmemöglichkeit für alle Gesellschaften und Stiftungen beantragt, deren wirtschaftlich Berechtigter er ist – dies ohne Erfolg und nunmehr bestätigt durch das Verwaltungsgericht Köln, das seiner Klage gegen die Verwaltungsentscheidung nicht abhalf.
Gemäß § 23 Abs. 2 S. 1 GWG beschränkt die registerführende Stelle die Einsichtnahme auf Antrag des wirtschaftlich Berechtigten vollständig oder teilweise, wenn der wirtschaftlich Berechtigte darlegt, dass der Einsichtnahme unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls überwiegende schutzwürdige Interessen des wirtschaftlich Berechtigten entgegenstehen. Schutzwürdige Interessen liegen nach § 23 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GWG insbesondere vor, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Einsichtnahme den wirtschaftlich Berechtigten der Gefahr aussetzen würde, Opfer einer Katalogstraftat zu werden. Zu den Katalogstraftaten zählen unter anderem Betrug, erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme, Erpressung und Straftaten gegen Leib oder Leben, aber auch Nötigung und Bedrohung. Ergibt eine zweistufige Prüfung, dass erstens schutzwürdige Interessen des wirtschaftlich Berechtigten bestehen und zweitens diese unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles gegenüber den Interessen an der Einsichtnahme des Transparenzregisters überwiegen, ist dem Beschränkungsantrag abzuhelfen. Bei der Prüfung steht der registerführenden Stelle hinsichtlich beider Stufen kein Ermessen zu, in ihrem Ermessen steht nur, ob im Falle einer Bejahung die Einsichtnahme vollständig oder teilweise beschränkt wird.
Im entschiedenen Fall hat das Verwaltungsgericht Köln bereits das Vorliegen schutzwürdiger Interessen verneint. Zwar genüge hierfür das Vorliegen einer abstrakten Gefahr, Opfer einer der genannten Katalogstraftaten zu werden. Eine konkrete Gefahr im polizeirechtlichen Sinne, also eine hinreichend wahrscheinliche Straftatbegehung in absehbarer Zeit, sei nicht erforderlich, da dann der Antrag, die Einsichtnahme zu beschränken, immer zu spät käme. Das Vorliegen einer abstrakten Gefahr wird durch das Gericht im entschiedenen Fall grundsätzlich bejaht: Der Kläger gehöre zu den äußerst vermögenden Individuen, deren Angehörige stets der zumindest abstrakten Gefahr ausgesetzt seien, Opfer einer der relevanten Straftaten zu werden. Allerdings sei weiter erforderlich, dass die abstrakte Gefahr durch die mögliche Einsichtnahme in das Transparenzregister begründet oder signifikant erhöht werde. Anderenfalls sei die Einsichtnahmemöglichkeit gerade nicht kausal für die existente abstrakte Gefahr. An dieser Prüfung ließ das Gericht den Kläger scheitern: Die im Transparenzregister enthaltenen Eintragungen des Klägers (Name, Geburtsdatum, Wohnort und Staatsangehörigkeit) wie auch die Tatsache, dass er als Inhaber verschiedenster Beteiligungen extrem vermögend sei (Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses), sei dem Handelsregister zu entnehmen bzw. auch sonst öffentlich bekannt und durch einfachste Recherchen ermittelbar. Es bestehe also unter anderem gestützt auf die überregionale journalistische Berichterstattung eine hinreichend verdichtete und gesicherte Informationsgrundlage, welche durch die Einsehbarkeit der beim Transparenzregister vermerkten Daten nicht erweitert werde. Eine durch diese Daten bewirkte Steigerung der ohnehin bereits existenten abstrakten Gefahr sei daher nicht ersichtlich.
Interessant bleibt, wie Gerichte etwaige Beschränkungsanträge in weniger schillernden Fällen beurteilen werden. Während bei einem der reichsten Mitbürger die Information über sein beträchtliches und zu Katalogstraftaten potentiell provozierenden Vermögen in der Tat auch ohne das Transparenzregister hinlänglich bekannt ist, ebenso wie die im Register ansonsten enthaltenen persönlichen Daten insbesondere zum Wohnort, könnte bei zahlreichen Mitgliedern des wohlhabenden Mittelstandes die Beurteilung durchaus anders ausfallen. Zwar müssen auch in diesen Fällen außergewöhnliche Umstände nachgewiesen werden, die eine Gefahr begründen, die über das allgemeine Lebensrisiko signifikant hinausgeht. Konsequenterweise müsste für die Bejahung einer abstrakten Gefahr in etwas gemindertem Maße aber dasselbe gelten wie im entschiedenen Fall, nämlich dass äußerst vermögende Personen stets der abstrakten Gefahr der relevanten Straftaten ausgesetzt sind. Und mangels vergleichbarer öffentlicher Berichterstattung könnte das Transparenzregister in diesen „unbekannteren“ Fällen durchaus zu einer signifikanten Erhöhung der genannten abstrakten Gefahren führen. Zumal sich der BGH wie eingangs bemerkt in den zur Löschung von Daten aus dem Handelsregister entschiedenen Fällen explizit offengehalten hat, entsprechende Ansprüche bei einer Gefahr für Leib oder Leben gegebenenfalls anders zu beurteilen. Wenn die sensiblen Daten dann idealerweise weder aus dem Handelsregister noch dem Transparenzregister zu entnehmen wären, ließe sich die Argumentation, dass eine abstrakte Gefahr, Opfer einer Katalogstraftat werden zu können, jedenfalls gemindert würde, durchaus hören.