In zwei Beschlüssen vom 22.04.2010 hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem Umfang der betrieblichen Überwachungsbefugnisse der zuständigen Behörden nach der Entsorgungsfachbetriebsverordnung („EfbV“) auseinandergesetzt (BVerwG 7 B 43/09 und BVerwG 7 42/09). Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei im Anwendungsbereich der Entsorgungsfachbetriebsverordnung von einer grundsätzlichen Beschränkung der betrieblichen Überwachungsbefugnisse der Behörden aus. Allerdings darf die Behörde nach Ansicht des Gerichts auch betriebsbezogene Umstände berücksichtigen und eine eingeschränkte betriebsbezogene Kontrolle durchführen.
Der zugrundeliegende Sachverhalt
Die zuständige Überwachungsbehörde hat einem Überwachungsvertrag zwischen einem Entsorgungsunternehmen und einer technischen Überwachungsorganisation nur teilweise zugestimmt und die Zustimmung für die Tätigkeiten „Verwerten und Beseitigen von Abfällen“ verweigert. Diese Tätigkeiten würden im Betrieb des Entsorgungsunternehmens nicht durchgeführt. Dagegen haben sowohl das Entsorgungsunternehmen als auch die technische Überwachungsorganisation geklagt, jedoch vor dem Verwaltungsgericht Münster (7 K 111/05) und Oberverwaltungsgericht Münster (20 A 1380/07) verloren. Das Bundesverwaltungsgericht wies nun die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision zurück.
Grundsatz: Beschränkung der betrieblichen Überwachungsbefugnisse der Behörden
Das Bundesverwaltungsgericht betont zunächst, dass die Einführung des Zertifizierungsverfahrens bezwecke, Überwachungsaufgaben von den Behörden auf privatrechtlich organisierte Sachverständige, die technischen Überwachungsorganisationen, zu verlagern. Dieser Zweck spreche grundsätzlich für eine Beschränkung der betrieblichen Überwachungsbefugnisse der jeweiligen Behörden. Diese sollen nur die technische Überwachungsorganisation kontrollieren, nicht aber die Entsorgungsunternehmen. Zur Kontrolle der technischen Überwachungsorganisation gehöre auch die Zustimmung der Behörde zum Abschluss eines Überwachungsvertrags zwischen Überwachungsorganisation und Entsorgungsunternehmen.
Ausnahme: Betriebsbezogene Kontrollen durch die Behörde
Die Behörden sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts jedoch nicht darauf beschränkt, zu überprüfen, ob der Überwachungsvertrag formalen Kriterien (Schriftform, Mindestinhalt) genügt.
Soweit der Behörde bekannt sei, dass zu zertifizierende Tätigkeiten in einem konkreten Betrieb tatsächlich nicht ausgeübt werden, könne die Zustimmung zum Überwachungsvertrag auch aus diesem inhaltlichen Grund verweigert werden. Das Bundesverwaltungsgericht begründet dies damit, dass die Behörde auch zum Widerruf der Zustimmung berechtigt ist, z. B. wenn die technische Überwachungsorganisation ihre Verpflichtung zum Entzug des Zertifikats wegen dauerhafter Einstellung des Betriebs verletzt. So könne die Behörde nicht zur Erteilung einer Zustimmung verpflichtet werden, die sie im nächsten Augenblick sofort widerrufen kann. Wenn im Zeitpunkt der Zustimmungserteilung bereits Entziehungstatbestände bekannt seien, welche die technische Überwachungsorganisation zur Entziehung des Zertifikats verpflichten, sei auch die Behörde bereits zur Versagung ihrer Zustimmung zum Überwachungsvertrag befugt. Für eine solche inhaltliche betriebsbezogene Kontrolle spreche auch die Benehmensregelung des § 15 Abs. 1 Satz 2 EfbV.
Verwerten und Beseitigen im Sinne der Entsorgungsfachbetriebsverordnung
Des Weiteren hält das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Begriff des Verwertens und Beseitigens im Sinne der Entsorgungsfachbetriebsverordnung anders als im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ausgelegt wird. Im Rahmen der Zertifizierung bezeichnen die Begriffe des Verwertens und Beseitigens von Abfällen nur den abschließenden Endakt des jeweiligen Entsorgungsvorgangs. Das Bundesverwaltungsgericht argumentiert hier mit der Systematik und dem Zweck der Entsorgungsfachbetriebsverordnung und nimmt auch auf die Vollzugshilfe Entsorgungsfachbetriebe (LAGA, Mitteilung LAGA 36 vom 19.05.2005) Bezug.
Grenzen der eingeschränkten betriebsbezogenen Kontrolle durch Behörden
Festzuhalten bleibt, dass das Bundesverwaltungsgericht im Grundsatz von einer Beschränkung der betrieblichen Überwachungsbefugnisse der Behörden ausgeht. Im Einzelfall soll zumindest eine eingeschränkte betriebsbezogene Kontrolle möglich sein. Wo die Grenzen einer solchen „eingeschränkten betriebsbezogenen Kontrolle“ verlaufen, zeigt das Bundesverwaltungsgericht allerdings nicht explizit auf.
Angesichts der grundsätzlichen Konzeption der EfbV sollten enge Grenzen der behördlichen betriebsbezogenen Kontrollen angezeigt sein - sowohl für die Zulässigkeit als auch für den Umfang einer behördlichen betriebsbezogenen Kontrolle. Insbesondere ist Zurückhaltung bei der Übertragung dieser Rechtsprechung auf andere Sachverhaltskonstellationen geboten. Sollten Behörden im Detail die Einhaltung der Anforderungen der Entsorgungsfachbetriebsverordnung bei den einzelnen Entsorgungsunternehmen überprüfen wollen, würde das gesetzliche System der Entsorgungsfachbetriebsverordnung in Frage gestellt, nach der die Überwachung grundsätzlich durch die private Überwachungsorganisation, und nicht durch die Überwachungsbehörde erfolgt.
§ 54 Abs. 5 Nr. 8 Kreislaufwirtschaftsgesetz-Entwurf (Stand: 23.02.2010)
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf eine geplante Rechtsverordnungsermächtigung im Entwurf für das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz (Stand: 23.02.2010), nach der zukünftig ein direkter Durchgriff der zuständigen Behörde gegenüber dem Entsorgungsfachbetrieb in die EfbV aufgenommen werden kann. Damit könnte nicht nur die Überwachungsorganisation, sondern auch die Behörde den Entzug des Efb-Zertifikats bzw. des Gütezeichens unmittelbar anordnen.
Die Gesetzesbegründung betont, dass diese Eingriffsbefugnis der Behörde die Ausnahme darstellen soll und nur als ultima ratio erfolgen dürfe, um schwere Nachteile für das Wohl der Allgemeinheit zu verhindern oder zu beseitigen. Gleichzeitig sollen nach Gesetzesbegründung weiterhin grundsätzlich die Überwachungsorganisationen für die Überwachung der ordnungsgemäßen Tätigkeit der Entsorgungsfachbetriebe verantwortlich bleiben. Ein direkter Durchgriff der Behörden und eine Verantwortlichkeit der Überwachungsorganisationen für die Überwachung der Entsorgungsfachbetriebe schließen sich jedoch gegenseitig aus. § 54 Abs. 5 Nr. 8 KrWG-Entwurf (Stand: 23.02.2010) ist jedenfalls in seiner gegenwärtigen Fassung nicht mit dem Grundkonzept der EfbV in Einklang zu bringen.
Sowohl die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts als auch die geplante Änderungen des KrW-/AbfG und der EfbV können dazu führen, dass die ursprüngliche Konzeption und Zweck der Entsorgungsfachbetriebeverordnung - namentlich eine Verlagerung der Kontrolle von Entsorgungsfachbetrieben auf private Überwachungsunternehmen – aufgeweicht wird. Entsorgungsunternehmen, die als Entsorgungsfachbetrieb zertifiziert sind, müssen damit rechnen, dass Behörden zukünftig versuchen werden, selber zusätzliche betriebsbezogene Kontrollen durchzuführen. Dies ist jedenfalls nach der gegenwärtigen Rechtslage allerdings nur sehr spezifisch möglich, so dass jeweils sorgfältig im Einzelfall zu prüfen ist, ob und inwieweit Maßnahmen der Überwachungsbehörden im Einklang mit ihren betriebsbezogenen Überwachungsbefugnissen stehen.