In seinem Nichtannahmebeschluss vom 01.12.2010 bestätigt das Bundesverfassungsgericht die vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 23.04.2009 aufgestellten Anforderungen an die wirksame Trennung der Mitgliedschaftsbereiche (mit und ohne Tarifbindung) im Arbeitgeberverband als verfassungsrechtlich begründet. Diesbezüglich wiesen die Richter die Verfassungsbeschwerde eines nordrhein-westfälischen Maschinenbauunternehmens ab, das im Arbeitgeberverband als OT-Mitglied geführt wird und nun trotzdem nach Tarif zahlen muss (Az.: 1 BVR 2593/09).
Rechtliche Ausgangslage
OT-Mitgliedschaft bezeichnet in Deutschland die Mitgliedschaft eines Arbeitgebers ohne Tarifbindung in einem Arbeitgeberverband.
Die OT-Mitgliedschaft ist als alternative Mitgliedschaftsform neben der normalen Mitgliedschaft mit Tarifbindung in tariffähigen Arbeitgeberverbänden geschaffen worden, damit Arbeitgeber in den Genuss der bloßen Dienstleistungen der Arbeitgeberverbände kommen können, ohne zugleich selbst Tarifvertragspartei werden zu müssen und damit an die tarifvertraglichen Regelungen (z. B. über die wöchentliche Arbeitszeit oder die Höhe des monatlichen Gehalts etc.) gebunden zu sein.
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte bereits in seinem Beschluss vom 18. Juli 2000, dass es einem Arbeitgeberverband grundsätzlich nicht verwehrt sei, eine Form der Mitgliedschaft vorzusehen, die nicht zur Tarifbindung führe.
Unbedingte Voraussetzung für die Zulässigkeit einer OT-Mitgliedschaft ist jedoch, dass OT-Mitglieder aufgrund der Satzung des Verbandes ohne Einfluss auf tarifrechtliche Fragen bleiben, die der Verband für die Mitglieder mit Tarifbindung wahrnimmt.
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist seit vielen Jahren Mitglied eines Arbeitgeberverbandes, der in seiner Satzung die Möglichkeit einer OT-Mitgliedschaft schuf, indem er sogenannte „Fachgruppen“ einrichtete. Die Fachgruppen sollten die Arbeitsbedingungen in den angeschlossenen Betrieben durch Abschluss von Tarifverträgen regeln. Die Mitglieder des Verbandes, die sich nicht einer Fachgruppe anschlossen, sollten nicht an die Verbandstarifverträge gebunden sein. Außerdem wurde in der Satzung die Einrichtung eines Unterstützungsfonds für Arbeitsstreitigkeiten geregelt. An der Verwaltung dieses Fonds wurden auch OT-Mitglieder beteiligt.
Nach Kündigung ihrer Mitgliedschaft in der Fachgruppe vereinbarte die Beschwerdeführerin mit dem Kläger des Ausgangsverfahrens eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich. Der Kläger des Ausgangsverfahrens trat später der IG-Metall bei und verlangte von der Beschwerdeführerin eine Abrechnung des Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage von Tarifverträgen, die die IG-Metall mit dem Gesamtverband Metall NRW geschlossen hatte.
Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Satzung des Arbeitgeberverbandes nicht die koalitionsrechtlich gebotene eindeutige Trennung zwischen Mitgliedern mit und solchen ohne Tarifbindung aufweise, so dass der Austritt aus der Fachgruppe nicht zum Wegfall der Tarifgebundenheit geführt habe. Eine Verbandssatzung, die eine OT-Mitgliedschaft vorsehe, müsse ausschließen, dass OT-Mitglieder in Aufsichtsorganen mitwirkten, die einen Streikfonds verwalteten.
Das Bundesverfassungsgericht bestätigte die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nun als verfassungsgemäß. Die Tarifautonomie als Belang von Verfassungsrang könne beeinträchtigt sein, wenn nicht tarifgebundene Mitglieder auf Entscheidungen des Arbeitgeberverbands im Zusammenhang mit Tarifverhandlungen und Arbeitskämpfen Einfluss nehmen könnten. Das erforderliche Verhandlungsgleichgewicht für das Zustandekommen eines interessengerechten Tarifvertrags erfordere eine strikte Trennung der Mitgliedschaftsbereiche.
Konsequenzen für die Praxis
Die Entscheidung zeigt, dass bei einer Trennung von einer Verbandsmitgliedschaft mit Tarifbindung und einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung besondere Sorgfalt hinsichtlich der satzungsgemäßen Ausgestaltung geboten ist. Ist dies gewährleistet, behält eine OT-Mitgliedschaft durchaus ihren Reiz. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten - wie zuletzt z. B. während der Finanzkrise – ermöglicht sie wesentlich flexiblere Reaktions- und Handlungsmöglichkeiten als diese im Rahmen einer Vollmitgliedschaft bestehen.