Der BGH hat jüngst seine Rechtsprechung zur Frage der Abgrenzung zwischen erlaubter Reparatur und patentverletzender Neuherstellung weiter ausdifferenziert (BGH, Urteil vom 08.11.2022, Az. X ZR 10/20). Diese Entscheidung ist von hoher Relevanz für den Zubehörmarkt.
Der Fall
Vom Klagepatent geschützt wird eine Scheibenbremse, die u. a. einen Bremsträger und – hierin lag ein Schwerpunkt der Erfindung – auf eine bestimmte Art ausgeformte „Verschleißbleche“ aufweist, die den am Fahrzeug fest verschweißten Bremsträger vor Verschleiß schützen sollen, indem sie selbst (statt des Bremsträgers) verschleißen und dann ausgetauscht werden müssen. Die Beklagte hat Bremsbeläge als Ersatzteile angeboten und entsprechende Verschleißbleche mitgeliefert. Das Landgericht und das Oberlandesgericht Düsseldorf sahen hierin eine mittelbare Patentverletzung (mittelbar, weil die Verschleißbleche nur ein Merkmal des Patentanspruchs erfüllen). Der BGH hat das Urteil des OLG Düsseldorf aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Das Urteil
Die zentrale Frage im vorliegenden Fall war, ob die Lieferung von Verschleißblechen zum späteren Einbau durch den Käufer oder eine Werkstatt eine Neuherstellung, hier in Form einer mittelbaren Patentverletzung darstellt, oder nur eine identitätserhaltende Reparatur. Eine identitätserhaltende Reparatur kann der Patentinhaber aufgrund des sog. Erschöpfungsgrundsatzes nicht verbieten, wenn das Produkt mit seiner Zustimmung in den Verkehr gelangt ist.
Der BGH verweist zunächst auf seine ständige Rechtsprechung, wonach es bei der Frage, ob eine Reparatur oder Neuherstellung vorliege, auf die Verkehrsauffassung ankomme, also wie die Käufer diese Maßnahme beurteilten. Im vorliegenden Fall hat der BGH die Feststellungen der Vorinstanzen nicht beanstandet, wonach der Verkehr den Austausch der Verschleißbleche und der Bremsbeläge nicht als Neuherstellung der Bremse ansehe.
Damit endet die Prüfung jedoch nach der ständigen Rechtsprechung nicht: Im nächsten Schritt prüft der BGH sodann, ob sich die technischen Wirkungen der Erfindung gerade in dem ausgetauschten Teil widerspiegeln.
Zwar, so der BGH, trügen die Verschleißbleche zum Erfindungsgedanken, d.h. Wartungsfreundlichkeit und lange Lebensdauer, der Bremse bei. Dies sei für die Abgrenzung einer zulässigen Reparatur zu einer Patentverletzung von Bedeutung.
Allerdings bestehe die Funktion der Verschleißbleche allein darin, dass sie verschleißen und damit den Bremsträger vor Verschleiß schützen. Der Austausch der Verschleißbleche erfülle damit keine zusätzliche Funktion, sondern schaffe nur erneut die Voraussetzungen dafür, dass die Bremse die angestrebte lange Lebensdauer erhalte. Mit anderen Worten: Der Austausch gehöre zur Wartung der Bremse und erfülle sonst keinen weiteren Zweck. Die Wartung müsse dem Erwerber aber erlaubt bleiben.
Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Verschleißbleche eine besondere Form aufweisen müssten. Dies erfülle allein den Zweck, dass sie in die Gesamtvorrichtung eingebaut werden könnten. Ein darüberhinausgehender Nutzen, etwa ein einfacherer Einbau o. ä. sei nicht gegeben. Deshalb liege keine unzulässige Neuherstellung vor.
Praktische Auswirkungen
Vorab: Das Urteil bedeutet nicht, dass Verschleißteile überhaupt nicht mehr patentrechtlich geschützt werden können. Selbstverständlich kann z. B. eine Kupplung oder ein Bremsbelag oder können auch Toner- oder Filterkartuschen etc. als solche geschützt werden, wenn sie neu und erfinderisch sind und dann ist ihre Nachahmung auch rechtswidrig. Die Entscheidung betrifft nur Fälle, in denen einzelne Merkmale einer Erfindung Verschleißteile betreffen – diese dürfen mit Drittanbieterteilen ausgetauscht werden. Dennoch ist damit zu rechnen, dass die Entscheidung – branchenübergreifend – Auswirkungen auf den Ersatzteilemarkt haben wird, soweit Teile einer Erfindung betroffen sind, deren regelmäßiger Austausch vorgesehen ist.