In einer mit großer Spannung erwarteten Entscheidung vom 08.02.2011 (X ZB 4/10) hat der Bundesgerichtshof auf die Vergabe von Leistungen des Schienenpersonennachverkehrs (SPNV) die vergaberechtlichen Bestimmungen der §§ 97 ff. GWB für anwendbar erklärt. Damit sind Direktvergaben von SPNV-Leistungen an einen Auftragnehmer unzulässig. Hintergrund des Rechtsstreits war die Beauftragung der DB Regio durch den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr in NRW (VRR) im Jahr 2004, bis 2018 Regionalverkehre zu erbringen. Dafür erhielt das Unternehmen aufgrund des Regionalisierungsgesetzes und des ÖPNV-Gesetzes vom Land NRW umfangreiche Zuschüsse. Streitigkeiten über Qualitätsmängel führten 2007 zu Zahlungskürzungen durch den VRR. Gegen diese wehrte sich DB Regio mit Erfolg. Letztlich verzichtete das Unternehmen 2009 in einem außergerichtlichen Vergleich auf einen Teil seiner Forderung, bedingte sich aber gleichzeitig beim VRR eine Vertragsverlängerung bis 2023 aus. Das Konkurrenzunternehmen Abellio Rail NRW wehrte sich mit Erfolg vor der Vergabekammer Münster gegen die Vertragsverlängerung. Das OLG Düsseldorf bestätigte die Entscheidung der VK Münster und legte die Frage der Ausschreibungspflicht von SPNV-Leistungen angesichts einer Divergenz zum OLG Brandenburg dem BGH zur Entscheidung vor. Das OLG Brandenburg hatte 2003 noch entschieden, dass ein Auftraggeber nach § 15 Abs. 2 AEG frei entscheiden könne, ob er sich dem Vergaberecht unterwerfe oder direkt vergebe.
GWB vorrangig anwendbar
Konkret hat der Bundesgerichtshof die Auffassung des Vorlagegerichts bestätigt, dass ein Auftraggeber nicht aufgrund des allgemeinen Eisenbahnrechts, hier des § 15 Abs. 2 AEG, frei entscheiden kann, ob er sich dem Vergaberecht unterwirft oder aber SPNV-Leistungen direkt an ein Unternehmen vergibt. § 15 Abs. 2 AEG genieße nicht unter dem Gesichtspunkt der Spezialität Vorrang vor den vergaberechtlichen Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), sondern werde vom GWB als dem jüngeren Gesetz verdrängt. Im Weiteren verweist der BGH anknüpfend an seine bisherige Rechtsprechung darauf, dass der Anwendungsbereich der vergaberechtlichen Bestimmungen im GWB nach Vertragsarten und -gegenständen prinzipiell umfassend bestimmt und der Ausnahmekatalog in § 100 Abs. 2 GWB – unter den der S-Bahn Betrieb nicht falle – als abschließend anzusehen sei.
Charakter einer Dienstleistungskonzession
Ferner hat der BGH entschieden, dass der in Rede stehende Vertrag nicht als Dienstleistungskonzession, sondern als klassischer Dienstleistungsauftrag zu qualifizieren sei. Das für eine Dienstleistungskonzession typische wirtschaftliche (Betriebs-)Risiko läge weder ganz noch zu einem wesentlichen Teil auf Seiten des privaten Unternehmens. Dieses sei nicht den Risiken des Marktes ausgesetzt, und zwar im Wesentlichen deshalb nicht, weil ein rentabler S-Bahn Betrieb weitgehend durch die Zuzahlungen der öffentlichen Hand gesichert werde, die nach den Angaben von DB Regio rund 64 % der Gesamtkosten decken und die Einnahmen aus den Fahrkartenerlösen somit ganz deutlich übersteigen.
Fazit
Zukünftig wird auch im SPNV-Sektor mehr Wettbewerb vorherrschen. Direktvergaben von SPNV-Leistungen sind nunmehr grundsätzlich unzulässig. Dabei sind SPNV-Leistungen als nachrangige Dienstleistungen einzustufen. In jedem Einzelfall muss entschieden werden, ob die VOL/A oder aber die Sektorenverordnung einschlägig ist. Im konkreten Fall hatte das OLG Düsseldorf die Anwendbarkeit der Sektorenverordnung abgelehnt, weil der VRR nicht auch Schienennetzbetreiber sei. Im Übrigen dürfte die Anwendbarkeit des Vergaberechts regelmäßig auch nicht an einer Einstufung als Dienstleistungskonzession scheitern, da die erhebliche öffentliche Bezuschussung von SPNV-Leistungen den Regelfall darstellt.