Das BAG hatte sich nun in Abgrenzung zu einer Widerrufsklausel mit einer sogenannten Anrechnungsklausel (Urteil vom 01.03.2006 – 5 AZR 363/05 – ) zu befassen und dabei festgestellt, dass für derartige Anrechnungsklauseln nicht die gleichen Maßstäbe gelten, wie für Widerrufsvorbehalte.
Praxistipp:
Da das BAG in der vorzitierten Entscheidung vom 01.03.2006 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kombination eines Widerrufsvorbehalts mit einem Anrechnungsvorbehalt zulässig ist, sollte die arbeitsvertragliche Gewährung übertariflicher Zulagen grundsätzlich mit beiden Vorbehalten verbunden werden.
Die Einzelheiten:
Dem Kläger war arbeitsvertraglich neben seinen normalen Vergütungsansprüchen eine „freiwillige, jederzeit widerrufliche und anrechenbare betriebliche Ausgleichszulage“ gewährt worden. Nach einer Tarifentgelterhöhung teilte die Arbeitgeberin dem Kläger und allen anderen Beschäftigten mit, dass sie die Erhöhung der Tarifentgelte in vollem Umfang auf die übertarifliche Zulage anrechnen werde. Der Arbeitnehmer machte daraufhin klageweise geltend, dass die vertragliche Klausel einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB nicht standhalte und deshalb unwirksam sei. Die Arbeitgeberin sei somit verpflichtet, die Zulage auch weiterhin zu zahlen.
Dieser Auffassung ist das BAG nicht gefolgt. Es hat zunächst klargestellt, dass der Hinweis in der Klausel auf die Freiwilligkeit der Leistung nicht dazu führe, dass auf die Zulage von vorneherein kein vertraglicher Anspruch bestehe, wie dies bei echten Freiwilligkeitsvorbehalten der Fall sei. Durch die Verwendung des Begriffs „freiwillig“ habe die Arbeitgeberin lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass sie weder gesetzlich noch tarifvertraglich oder betriebsverfassungsrechtlich zur Leistungserbringung verpflichtet sei. Ein echter Freiwilligkeitsvorbehalt müsse deutlicher klarstellen, dass die Leistungsgewährung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolge und auch bei wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft bestehe (so beispielsweise BAG vom 12.01.2000 – 10 AZR 840/98 –).
Die Zulage habe aber auch widerruflich und zugleich anrechenbar gewährt werden sollen. Insoweit sei die im Arbeitsvertrag verwandte Klausel inhaltlich teilbar, da Widerrufs- und Anrechnungsvorbehalt unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen hätten.
Da es in dem zur Entscheidung der vorliegendem Sachverhalt nicht darum ging, die Gewährung der Zulage zu widerrufen, musste sich das BAG nicht mit der Wirksamkeit dieses Teils der Klausel auseinandersetzen und hat lediglich auf seine neue Rechtsprechung zu den Anforderungen an Widerrufsvorbehalte aufgrund der Entscheidung vom 12.01.2005 – 5 AZR 364/04 – hingewiesen. Danach wäre der Widerrufsvorbehalt unwirksam gewesen und hätte die Arbeitgeberin nicht dazu berechtigt, die Zahlung der Zulage nach Erklärung eines Widerrufs einzustellen.
Entscheidendsrelevant war aber, ob der vereinbarte Anrechnungsvorbehalt einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB standhält. Dies hat das BAG bejaht. Dabei hat es berücksichtigt, dass sich die von der Arbeitgeberin vertraglich zugesagte Gesamtgegenleistung durch die Anrechnung nicht verringert hatte. Der Arbeitnehmer erhielt vor und nach der Anrechnung die gleiche Vergütung. Dieser erhebliche Unterschied zwischen einem Anrechnungsvorbehalt und einem Widerrufsvorbehalt, so das BAG, wirke sich bei der Inhaltskontrolle der Klausel dahingehend aus, dass ein Anrechnungsvorbehalt nicht die gleichen strengen Voraussetzungen erfüllen müsse, wie sie neuerdings für Widerrufsvorbehalte aufgestellt würden.
Die Arbeitgeberin konnte also der neuerlichen Tarifentgelterhöhung durch die Anrechnung der bislang geleisteten übertariflichen Zulagen „entgehen“.