Praxistipp
Arbeitgeber sollten ihre formularmäßig verwendeten Arbeitsverträge der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anpassen. Widerrufsvorbehalte sollten zukünftig so abgefasst werden, dass sie maximal 25 bis 30 Prozent der Gesamtvergütung erfassen und sicherstellen, dass dem Arbeitnehmer zumindest die tarifliche bzw. die übliche Vergütung verbleibt. Wird diese Grenze überschritten, ist dem Arbeitnehmer eine solche einseitig vom Arbeitgeber vorgenommene Abänderung der versprochenen Vergütung nicht zuzumuten. Darüber hinaus darf der Widerruf nicht ohne Grund erfolgen. Die möglichen Widerrufsgründe – z.B. Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens oder Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers – sind schon im Vertragstext aufzuführen.
Als Alternative zum „Widerruf einer vertraglich zugesagten Leistung“ ist die Verwendung von Freiwilligkeitsvorbehalten zu erwägen, mit denen der Arbeitgeber einen Rechtsanspruch auf erneute Gewährung oder auf Weitergewährung einer Leistung in der Zukunft ausschließt. Hierbei entsteht auf zukünftige Leistungen kein Anspruch, der widerrufen werden müsste. Der Arbeitgeber, der die Leistungen nicht mehr erbringen will, kann sie einfach einstellen. Diese „Bindungslosigkeit“ findet jedoch ihre Grenze, wenn freiwillige Leistungen mit Wiederholungsankündigung erbracht werden. Ein dabei vorgesehener „Kettenvorbehalt“ sollte sich – wie ein nach der BAG-Rechtsprechung zumutbarer Widerrufsvorbehalt – maximal auf 25 bis 30 Prozent des Gesamtentgeltes beziehen. Um bei der Gewährung freiwilliger Leistungen das Entstehen einer betrieblichen Übung zu hindern, muss zudem für den Arbeitnehmer deutlich werden, dass sich der Arbeitgeber durch die Gewährung der Leistung vertraglich nicht für die Zukunft binden will. Der Hinweis auf die „Freiwilligkeit“ der Leistung allein genügt dabei nicht. Das Fehlen eines Rechtsbindungswillens für die Zukunft muss - durch Aufnahme einer entsprechenden Formulierung - deutlich werden.
Die Einzelheiten
Mit der bereits zum 01.01.2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsreform hat auch die AGB-Kontrolle Einzug ins Arbeitsrecht gefunden: Formularmäßig verwendete Klauseln in einem Arbeitsvertrag sind als allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) einer Inhaltskontrolle zu unterziehen. Die damit geltenden erhöhten Anforderungen an die Wirksamkeit von arbeitsvertraglich üblichen Klauseln gelten seit dem 01.01.2003 auch für Altverträge, d.h. solche Arbeitsverträge, die vor dem 01.01.2002 geschlossen worden sind. Auch unter den Instanzgerichten war bislang umstritten, welche Auswirkungen diese Gesetzesänderung auf die in Arbeitsverträgen üblichen Widerrufsvorbehalte hat. Der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat nunmehr entschieden, dass nach den Maßstäben des § 308 Nr. 4 BGB die formularmäßige Vereinbarung eines Rechtes des Arbeitgebers, die versprochene Vergütung einseitig zu ändern oder von ihr abzuweichen, dem Arbeitnehmer nur dann zumutbar ist, wenn ihm die tarifliche oder zumindest die übliche Vergütung verbleibt und der Widerruf höchstens 25 bis 30 Prozent der Gesamtvergütung erfasst. Die Wirksamkeit einer solchen Klausel setzt auch voraus, dass der Widerruf nicht ohne Grund erfolgt. Diese Einschränkung muss sich aus der vertraglichen Regelung selbst ergeben, in der zumindest auch die Art der Widerrufsgründe (z.B. wirtschaftliche Gründe, Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers) benannt sein müssen.
Obwohl in dem vom BAG zu entscheidenden Fall der im Jahr 1998 abgeschlossene Arbeitsvertrag – mangels Benennung der Gründe für einen Widerruf – diesen Mindestanforderungen nicht gerecht wurde und die Widerrufsregelung deshalb vom BAG als unwirksam eingestuft wurde, hat das BAG die unwirksame Vertragsklauseln nicht ersatzlos entfallen lassen. Mit Rücksicht darauf, dass es sich um einen Altfall handelte, in dem der Arbeitsvertrag schon vor der Gesetzesänderung am 01.01.2002 abgeschlossen wurde, will das BAG die entstandene Lücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung schließen. Die Parteien hätten die zum 01.01.2002 in Kraft getretenen Änderungen bei Abschluss des Vertrages nicht kennen können, so dass die Unwirksamkeit allein auf förmlichen Anforderungen beruhe. Das BAG ist davon ausgegangen, dass die Parteien bei Kenntnis der nachträglich in Kraft getretenen gesetzlichen Anforderungen an Widerrufsvereinbarungen jedenfalls die von der Beklagten geltend gemachten wirtschaftlichen Gründe in den Vertrag einbezogen hätten. Vor diesem Hintergrund hat das BAG die Sache an das Landesarbeitsgericht Hamm zurückverwiesen, das nunmehr prüfen muss, ob die vom Arbeitgeber für den Widerruf angeführten, vom Arbeitnehmer bestrittenen, wirtschaftlichen Gründe für den Widerruf der übertariflichen Leistungen tatsächlich vorliegen und ob der Arbeitgeber mit dem Widerruf billiges Ermessen gewahrt hat.