Mietanpassungsklauseln in der Gewerberaummiete plötzlich im Fokus
Nachdem die in nahezu allen langfristig abgeschlossenen Gewerberaummietverträgen enthaltenen Klauseln zur Mietanpassung jahre- und jahrzehntelang eher ein unbeachtetes Schattendasein geführt haben, rücken sie gegenwärtig in den Blickpunkt der Beteiligten. Hintergrund sind die stark anziehenden Inflationsraten. Bekanntlich hatte Deutschland über lange Jahre Inflationsraten von maximal 1% bis 2% pro Jahr zu gegenwärtigen. Mittlerweile werden Raten von über 10% von Fachleuten prognostiziert. Dies führt dazu, dass die vertraglich vorgesehenen Anpassungsregelungen sehr viel häufiger und sehr viel früher eingreifen als von den Mietern vorgesehen.
Diese Situation ist für die Mieter aus mehrerlei Hinsicht alles andere als unproblematisch, da sie einerseits nicht nur bei den Mieten, sondern auch bei allen sonstigen Kosten mit erheblichen Preissprüngen zu kämpfen haben und andererseits zumindest in einer Reihe von Branchen der Umsatz wegbricht. Die Mietpreissteigerungen können zumindest im Einzelfall existenzgefährdende Ausmaße annehmen. Im Zusammenhang mit den zusätzlich gestiegenen Energiekosten für Einzelobjekte werden ehemals profitable Standorte sehr schnell aufgrund der geänderten Kostensituation zu Verlustbringern.
Rechtliche Grundlagen für Mietanpassungsklauseln
Die vertraglichen Regelungen zu Mietanpassungen befinden sich nicht im rechtsfreien Raum, sondern unterliegen einem relativ straffen rechtlichen Regime. Unter anderem aus dem so genannten Preisklauselgesetz und zudem aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) ergeben sich eine Reihe von Einschränkungen und Besonderheiten. Bereits bei Außerachtlassung der gegenwärtigen Sonderkonstellation, die durch eine stark gestiegene Inflation und eine Doppelbelastung der Mieter durch steigende Energie- und sonstige Versorgungskosten entsteht, sind Mietanpassungsregelungen je nach ihrer Ausgestaltung mehr oder weniger starken rechtlichen Restriktionen unterworfen. Vielfach stellt sich bei Prüfung im Einzelfall heraus, dass die Klauseln über Jahre oder Jahrzehnte falsch angewandt worden sind, so dass viel zu hohe Mieten geltend gemacht und gezahlt wurden. In aller Regel sind diese Überzahlungen „rechtsgrundlos“ geleistet und können nach Maßgabe der einschlägigen gesetzlichen Regelung (insbesondere §§ 812 ff. BGB) zurückgefordert werden.
Die gebeutelten Mieter
Hinzu kommt eine in der Geschichte der Bundesrepublik bisher einmalige Konstellation: Wie schon angedeutet, werden die Mieter gegenwärtig doppelt von der aktuellen Krise betroffen. Einerseits führen insbesondere so genannte Automatik- oder Gleitklauseln, bei denen die Miethöhe in aller Regel an die Änderung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland geknüpft ist, aufgrund der steigenden Inflationsrate zu erheblichen Mietsteigerungen. Maßgeblicher Treiber der Inflation sind gegenwärtig – wie gesagt – die Energiekosten. Andererseits entsteht eine Doppelbelastung für die Mieter dadurch, dass sie diese Energiekosten für das jeweilige Mietobjekt regelmäßig über die Betriebskosten zusätzlich entrichten und dem Vermieter den zugehörigen „Kostenblock“ wirtschaftlich betrachtet ein zweites Mal vergüten.
Einmal mehr ein Wegfall der Geschäftsgrundlage?
Es liegt daher nahe, sich die Frage zu stellen, ob in einer derartigen Konstellation der Vermieter trotz einschlägiger Regelung im Mietvertrag berechtigt ist, eine Mieterhöhung zu verlangen oder ob zumindest nicht die Höhe der Mietänderung, die sich aus der schematischen Anwendung der vertraglichen Anpassungsklausel ergibt, reduziert werden muss. Ansatzpunkt für diese Überlegungen ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes als dem höchsten deutschen Fachgericht zu der COVID-19-Pandemie. Dort hat der Bundesgerichtshof zu erkennen gegeben, die Einflüsse, die durch eine Änderung der so genannten „großen Geschäftsgrundlage“, also insbesondere durch Pandemien und kriegerische Auseinandersetzungen und stark gestiegene Inflation hervorgerufen werden, nicht allein einer Vertragspartei im Rahmen eines Mietvertrages zuweisen zu wollen, sondern insoweit eine Situation anzunehmen, die bis zu einem gewissen Grad von beiden Vertragspartnern getragen werden muss. Bisher existieren in Hinblick auf Mieterhöhungen noch keine einschlägigen Gerichtsurteile. Legt man jedoch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur COVID-19-Pandemie zugrunde, liegt eine Anwendung der Grundsätze dieser Entscheidung auch auf die Mieterhöhungssituation nicht fern.
Erneut ergibt sich damit zwischen den Vertragsparteien Diskussionsbedarf. Hierbei darf zum einen die nicht ungeklärte Rechtssituation nicht übersehen werden. Zum anderen ist bei jeder Vereinbarung über eine abweichende Anwendung der Mietpreisklausel das Schriftformgebot der §§ 578, 550, 126 BGB mit der Folge zu beachten, dass bei einer von der vertraglichen Regelung abweichenden Mietanpassung ein der Schriftform genügender Nachtrag geschlossen werden muss.
Gerne stehen wir Ihnen für weitere Fragen im Zusammenhang mit dem Gewerberaummietrecht und den gegenwärtigen Verwerfungen aufgrund der politischen Großwetterlage zur Verfügung.