Der unter anderem für das Marken- und Kennzeichenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat in einer wegweisenden Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung zum Umfang des Schadensersatzanspruches bei Markenverletzungen aufgegeben. Im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung beschränkt der Bundesgerichtshof den Schadensersatzanspruch nicht mehr auf die Zeit ab der ersten belegten Verletzung der Markenrechte. Der Schadensersatz- sowie der daraus folgende Auskunftsanspruch bestehen vielmehr ohne Einschränkungen ab der ersten Verletzungshandlung.
Urt. v. 19.07.2007, Az.: I ZR 93/04 – Windsor Estate
Praxistipp:
In der praktischen Auseinandersetzung können Auskunfts- und Schadensersatzansprüche nunmehr unbeschränkt geltend gemacht werden. Für Inhaber von Kennzeichenrechten ist der Rechtsschutz damit deutlich verbessert worden. Faktisch bedeutet die Entscheidung eine Entlastung des Rechtsinhabers von der ihm nach den gesetzlichen Bestimmungen obliegenden Beweislast.
Einzelheiten:
Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Entscheidung seine frühere Rechtsprechung zum zeitlichen Umfang von Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen bei Kennzeichenverletzungen aufgegeben.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der I. Zivilsenat Auskunftsansprüche wegen Kennzeichenverletzungen erst ab dem Zeitpunkt der ersten vom Kläger nachgewiesenen Verletzung seiner Kennzeichenrechte gewährt (vgl. BGH, Urteil vom 26.11.1987 – I ZR 123/895 – Gaby). Für vor diesem Zeitpunkt erfolgte Rechtsverletzungen konnte der Verletzte keine weitergehende Auskunft verlangen. In der Regel konnten daher mangels Kenntnis über weitere Verletzungen kein Schadensersatz für diese geltend gemacht werden.
Abweichend von dieser Rechtsprechung hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seit langer Zeit für das Patent- und Sortenschutzrecht angenommen, dass für die Feststellung der Auskunfts- und Schadensersatzpflicht keine zeitliche Beschränkung vorzunehmen sei. Es sei allein auf die Verletzungshandlung abzustellen, ohne dass es auf den Zeitpunkt ankomme, zu dem die Verletzungshandlung vorgenommen worden sei (vgl. BGHZ 117, 264, 278 f. – Nicola).
Der I. Zivilsenat schließt sich nunmehr dieser Rechtsprechung des X. Zivilsenat an. Begründet hat der Bundesgerichtshof seine Entscheidung unter anderem mit dem Interesse an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Darüber hinaus weist der I. Zivilsenat darauf hin, dass der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie einen Anspruch auf Auskunft gegen Dritte (z.B. in § 19 des Markengesetzes) eingeführt hat, der ebenfalls nicht zeitlich beschränkt sei. Der Anspruch gegen den Rechtsverletzer soll nicht dahinter zurückbleiben.
Anmerkungen:
Mit dieser Entscheidung hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes die Rechtsprechung des X. Zivilsenates, der unter anderem für das Patentrecht zuständig ist, übernommen. Damit besteht nun eine einheitliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Schadensersatz- und Auskunftsansprüchen bei der Verletzung von eingetragenen Schutzrechten.