Schalten Vergabestellen bei der Durchführung von Vergabeverfahren externe Berater ein, stellt sich unweigerlich die Frage, wie weit deren Einbeziehung reichen darf, welche Anforderungen an eine abschließende Wertungsentscheidung der Vergabestelle zu stellen und wie die entsprechenden Vorgänge zu dokumentieren sind. Mit allen diesen Aspekten hat sich die VK Nordbayern in ihrem Beschluss vom 18.06.2020 (RMF-SG21-3194-5-7, abrufbar unter folgendem Link) auseinandergesetzt und die insoweit existierende vergaberechtliche Rechtsprechung fortgeführt und bekräftigt. Grund genug, der anschaulichen Entscheidung der VK Nordbayern diesen Blog-Beitrag zu widmen…
Was war passiert?
Die Auftraggeberin schrieb eine Dienstleistungskonzession für die Stationierung eines Rettungshubschraubers im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorausgehendem Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Neben dem Preis ging ein Umsetzungskonzept in die Bewertung ein.
Nach Auswertung der finalen Angebote teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin im Rahmen des Vorabinformationsschreibens mit, dass ihr Angebot im Vergleich mit dem bestplatzierten Bieter bei der Konzeptbewertung (geringfügig) schlechter bewertet worden sei und stellte der Antragstellerin die Bewertung ihres Konzepts zur Verfügung, damit diese die entsprechende Bewertung besser nachvollziehen könne.
Daraufhin rügte die Antragstellerin gegenüber der Auftraggeberin insbesondere, dass ein Mangel in der Dokumentation vorliege, weil die Konzeptbewertung nicht durch das gesamte Bewertungsgremium unterzeichnet worden sei. Des Weiteren beanstandete sie, dass die Vergabestelle die Angebotsbewertung einer externen Beratungsfirma übertragen habe und deshalb keine vergaberechtskonforme Entscheidung durch die Vergabestelle selbst erfolgt sei.
Nach Erhalt des Nichtabhilfeschreibens der Auftraggeberin stellte die Antragstellerin bei der VK Nordbayern einen Antrag auf Vergabenachprüfung.
Ohne Erfolg!
Entscheidung der VK Nordbayern: Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet, da die Bewertung des Angebots der Antragstellerin wie auch die entsprechende Dokumentation ordnungsgemäß erfolgt sind!
Der Umstand, dass die Konzeptbewertung nicht vom Bewertungsgremium unterzeichnet wurde, führt nach Ansicht der VK Nordbayern nicht zu einem Mangel in der Dokumentation. Insoweit sei es glaubhaft und nachvollziehbar, dass die anwaltlichen Bevollmächtigten der Vergabestelle, die auch bereits in den Verhandlungsgesprächen zugegen waren, selbst nicht dem Bewertungsgremium angehört, sondern lediglich eine Beratungsfunktion eingenommen hätten. Es entspreche den gängigen Gepflogenheiten, dass (anwaltliche) Berater das Bewertungsgremium unterstützten und Hilfestellung gäben bzw. Formulierungsvorschläge machten, die abschließende Wertungsentscheidung aber von den Vertretern des öffentlichen Auftraggebers selbst getragen werden müsse. Die Erklärung der anwaltlichen Bevollmächtigten der Vergabestelle, dass die Wertungsentscheidung durch alle Vertreter der Vergabestelle, die bei beiden Verhandlungsgesprächen zugegen gewesen seien, gemeinsam getroffen worden sei, sei glaubhaft. Selbst wenn ein Dokumentationsmangel vorliegen sollte, weil in der Vergabeakte die Wertungsentscheidung nicht durch die Mitglieder des Wertungsgremiums unterschrieben worden sei, sei ein entsprechender Dokumentationsmangel durch die glaubhafte Erklärung, wer dem Bewertungsgremium angehörte, geheilt worden.
Die Mitwirkung und Unterstützung eines externen Dritten bei der Durchführung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens sei ebenfalls, so die VK Nordbayern weiter, nicht zu beanstanden. Die Vergabestelle müsse die Vergabeentscheidung eigenständig treffen und dürfe sie nicht einem Dritten überlassen. Dieser Pflicht und Verantwortung im Hinblick auf eine eigene Vergabeentscheidung genüge ein Auftraggeber, wenn er die Wertung durch einen externen Dritten und dessen Zuschlagsvorschlag durch einen Prüfungsvermerk mit verantwortlicher Unterschrift billige. Nicht zulässig sei es hingegen, die Verantwortung für die Vergabe vollständig an externe Dritte zu übertragen. Der Auftraggeber habe das Handeln der eingeschalteten Stelle zu begleiten, zu überwachen und gegebenenfalls zu korrigieren. Die Mitwirkung am Vergabeverfahren dürfe sich nicht auf ein bloßes „Abnicken“ beschränken.
Diese Grenze der unzulässigen Übertragung der Vergabeentscheidung auf einen externen Dritten habe die Auftraggeberin hier nicht überschritten und sie habe die „Herrschaft" über das Vergabeverfahren nicht abgegeben. So sei der Vergabevermerk abschließend am Ende durch den Geschäftsführer und die Geschäftsführerin unterzeichnet worden. Zudem sei die Vergabestelle auch immer mit „eigenen" Schreiben gegenüber den Bietern aufgetreten. Ferner seien die Geschäftsführung und der ärztliche Leiter bei den Verhandlungsgesprächen zugegen gewesen. Vor diesem Hintergrund habe die Geschäftsführung der Auftraggeberin das Vergabeverfahren aktiv begleitet und gebilligt.
Fazit
Die VK Nordbayern hält im Sinne der bisherigen vergaberechtlichen Rechtsprechung am Grundsatz der eigenverantwortlichen Entscheidung der Vergabestelle fest. Zwar können sich Vergabestellen bei der Durchführung von Vergabeverfahren der Unterstützung von Beratern bedienen, müssen aber die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen. In diesem Sinne müssen sie sich die Entscheidungsvorschläge der Berater durch entsprechende Billigung zu eigen machen und dies im Vergabevermerk auch entsprechend dokumentieren.
Haben Sie Fragen im Zusammenhang mit der Prüfung und Bewertung von Angeboten sowie der entsprechenden Dokumentation? Wir beraten Sie gerne!