Der lesenswerte Beschluss der VK Hamburg vom 03.01.2020 (60.29-319/2019.005, abrufbar unter folgendem Link) dreht sich um die praxisrelevante Frage, was gilt, wenn ein Bieter im Rahmen der Angebotsabgabe keine Referenzen eingereicht und stattdessen auf seine Präqualifikation verwiesen hat, die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Referenzen aber nicht die Anforderungen der Ausschreibung erfüllen. Darf oder muss der Auftraggeber dann beim Bieter Referenzen nachfordern? Ist das Angebot vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen?
Die passenden Antworten liefert die Entscheidung der VK Hamburg, aber der Reihe nach…
Was war passiert?
Die Auftraggeberin und spätere Antragsgegnerin schrieb einen Bauauftrag europaweit aus.
Im Rahmen der Angebotsaufforderung verlangte sie unter Verweis auf den entsprechenden Vordruck von den Bietern eine Eigenerklärung über die Eignung. Für den Nachweis der beruflichen und technischen Leistungsfähigkeit forderte sie die Vorlage von mindestens drei mit dem Auftragsgegenstand insbesondere im Hinblick auf Leistungsgegenstand und Auftragsvolumen vergleichbaren Referenzprojekten aus den letzten fünf Jahren. Ferner enthielten die Unterlagen einen ausdrücklichen Hinweis, dass im Falle der Berufung auf eine Präqualifikation zusätzliche Einzelnachweise vorgelegt werden können.
Mehrere Bieter, unter anderem die spätere Antragstellerin, gaben ein Angebot ab. Im Rahmen des Vordrucks zur Eignung verwies die Antragstellerin – auch im Hinblick auf ihre Referenzen – auf ihre Eintragung als präqualifiziertes Unternehmen im Präqualifikationsverzeichnis des Vereins für die Präqualifikation von Bauleistungen e. V.
Die Auftraggeberin schloss das Angebot der Antragstellerin aus und begründete dies damit, dass begründete Zweifel an ihrer Eignung bestünden, weil die von ihr eingereichten Referenzen nicht den Anforderungen der Ausschreibung entsprächen.
Nachdem die Auftraggeberin einer entsprechenden Rüge nicht abhalf, stellte die Antragstellerin bei der VK Hamburg einen Antrag auf Vergabenachprüfung.
Ohne Erfolg!
Entscheidung der VK Hamburg: Das Angebot der Antragstellerin war – ohne entsprechende Nachforderung – auszuschließen, weil nicht die geforderten Referenzen vorgelegt wurden!
Die Auftraggeberin habe, so die VK Hamburg, das Angebot der Antragstellerin aufgrund berechtigter Zweifel an ihrer beruflichen und technischen Leistungsfähigkeit vom weiteren Verfahren ausschließen dürfen. Diese habe nicht die in der Auftragsbekanntmachung geforderten Referenzen vorgelegt.
Nach § 122 GWB i. V. m. § 6a VOB/A-EU darf ein öffentlicher Auftraggeber von den potentiellen Bietern Nachweise ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit verlangen. In welcher Art und Weise der Nachweis verlangt werden kann, ergibt sich aus § 6a Nr. 1 bis Nr. 3 VOB/-EU.
Vor diesem Hintergrund sei, so die VK Hamburg, nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin in der Angebotsaufforderung unter Verweis auf den entsprechenden Vordruck von den potentiellen Bietern eine Eigenerklärung über die Eignung und dort die Vorlage von mindestens drei mit dem Auftragsgegenstand insbesondere im Hinblick auf Leistungsgegenstand und Auftragsvolumen vergleichbare Referenzprojekte aus den letzten fünf Jahren verlangt habe.
Im Rahmen der Eignungsprüfung sei auf erster Stufe zu prüfen, ob das Angebot sämtliche geforderte Eignungsnachweise bzw. -angaben enthalte (formale Eignungsprüfung). Sodann sei auf zweiter Stufe zu prüfen, ob der Bieter geeignet sei (materielle Eignungsprüfung). Dabei unterliege das Kriterium der Eignung nur einer beschränkten Nachprüfung dahingehend, ob die allgemeinen Wertungsgrundsätze beachtet worden und keine sachfremden Erwägungen in die Wertung einbezogen worden seien.
Bei Heranziehung dieser Vorgaben sei die Entscheidung der Auftraggeberin, die Antragstellerin im Rahmen der materiellen Eignungsprüfung von der Vergabe des Auftrags auszuschließen, rechtmäßig. So habe die Antragstellerin ihre berufliche und technische Leistungsfähigkeit nicht nachgewiesen. Die von ihr im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten und von der Auftraggeberin zu Recht für die Wertung herangezogenen Referenzen entsprächen wegen der – unstreitig – fehlenden Vergleichbarkeit mit den ausgeschriebenen Arbeiten nicht den materiellen Anforderungen. Daher sei das Angebot zwingend auszuschließen gewesen.
Die Auftraggeberin sei, so die VK Hamburg, auch nicht nach § 16a Abs. 1 Satz 1 VOB/A-EU verpflichtet gewesen, von der Antragstellerin weitere als die von ihr vorgelegten Referenzen nachzufordern.
Zunächst seien die Referenzen nicht als fehlende Unterlage nachzufordern gewesen. Grundsätzlich stehe es dem Bieter gemäß § 6b Abs. 1 VOB/A-EU frei, seine Eignung durch Vorlage von Einzelnachweisen oder die Abgabe einer Eigenerklärung oder durch die vom öffentlichen Auftraggeber direkt abrufbaren Eintragungen in die allgemein zugängliche Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e. V. nachzuweisen. Wähle der Bieter den letztgenannten und für ihn zeit- und kostengünstigeren Weg der Präqualifikation, müsse er die dort hinterlegten Informationen auch gegen sich gelten lassen. Insbesondere trage er auch das Risiko, dass die im Präqualifikationssystem hinterlegten Informationen für den konkreten Nachweis nicht geeignet seien. Insoweit werde dem Bieter jedoch stets die Möglichkeit eingeräumt – worauf auch im Vordruck vorliegend ausdrücklich hingewiesen worden sei – zusätzliche Einzelnachweise vorzulegen.
Auch seien die Referenzen nicht als fehlerhafte Unterlage nachzufordern gewesen. Unterlagen seien nur fehlerhaft, wenn sie nicht den objektiv zutreffenden Inhalt aufwiesen. Hier seien aber keine Anhaltspunkte gegeben, dass die Antragstellerin die in den Referenzen ausgewiesenen Leistungen nicht entsprechend erbracht habe.
Schlussendlich seien die Referenzen auch nicht als unvollständige Unterlage nachzufordern gewesen, da alle drei Referenzen im Präqualifizierungssystem vollständig hinterlegt gewesen seien.
Eine Nachforderung von Referenzen habe unterbleiben müssen, weil eine solche eine Nachbesserung des Angebots der Antragstellerin bedeutet hätte.
Fazit und Praxishinweise
Aus der Entscheidung der VK Hamburg können Auftraggeber mitnehmen, dass ihnen für den Fall, dass die bieterseits im Rahmen der Präqualifikation hinterlegten Referenzen nicht den geforderten Anforderungen genügen, im Regelfall eine Nachforderung verwehrt ist. Gilt dies mit der VK Hamburg gemäß der VOB/A(-EU), die in § 16a Abs. 1 eine zwingende Nachforderung von fehlenden, fehlerhaften oder unvollständigen unternehmensbezogenen Unterlagen (Eignungsunterlagen) vorsieht, muss dies erst recht bei Ausschreibungen nach der VgV gelten, die in § 56 Abs. 2 Satz 1 dem Auftraggeber insoweit Ermessen einräumt.
Für Bewerber und Bieter folgt aus dem Beschluss der VK Hamburg, dass sie bei Berufung auf eine bestehende Präqualifikation die in deren Rahmen hinterlegten Referenzen auf vollständige Erfüllung der Anforderungen der konkreten Ausschreibung überprüfen sollten bzw. müssen. Für den Fall, dass die Referenzen nicht alle Anforderungen erfüllen oder insoweit Zweifel bestehen, sind dem Angebot – sofern beim Bewerber bzw. Bieter vorhanden – weitere Referenzen beizufügen.
Haben Sie Fragen zur Präqualifikation oder im Zusammenhang mit der Eignungsprüfung und insbesondere der Nachforderung von Unterlagen? Wir beraten Sie gerne!