So manchem Bieter wird es schon einmal so gegangen sein: Eine Ausschreibung ist in mehrere Mengenlose, z. B. Gebietslose, aufgeteilt. Er hat zwar nicht die Kapazitäten, alle Lose zu bedienen. Nichtsdestotrotz spielt er mit dem Gedanken, auf alle Lose zu bieten, um seine Chancen zu erhöhen, im Wettbewerb den Zuschlag zumindest auf diejenigen Lose zu erhalten, die er kapazitär leisten kann. Diesen Gedanken sollte der Bieter jedoch – zumindest für den Fall, dass keine Zuschlagslimitierung besteht – schnell beiseiteschieben und nur auf diejenigen Lose bieten, zu deren Bearbeitung er auch fähig ist. Ansonsten ist er bei allen Losen nicht zuschlagsfähig und hat von vornherein jedwede Zuschlagschance verspielt. Dies ergibt sich aus einer aktuellen Entscheidung der VK Brandenburg (Beschl. v. 17.05.2019 – VK 3/19, abrufbar unter folgendem Link).
Was war passiert?
Die Auftraggeberin und spätere Antragsgegnerin schrieb Leistungen der Baumkontrolle für Autobahnmeistereien in vier Gebietslosen europaweit aus. Zugelassen waren Angebote auf ein, mehrere oder alle Lose. Eine Zuschlagslimitierung gab es nicht.
Mehrere Bieter, darunter auch die spätere Antragstellerin, gaben ein Angebot ab. Die Antragstellerin bot auf alle vier Lose und teilte in ihrem Angebotsschreiben mit, dass Kapazitäten für maximal zwei Lose bestünden.
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin nach Prüfung und Wertung der Angebote mit, dass ihr Angebot bezüglich aller Lose ausgeschlossen werde.
Nach erfolgloser Rüge beantragte die Antragstellerin bei der zuständigen VK Brandenburg die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
Entscheidung der VK Brandenburg: Ein Bieter verhält sich wettbewerbswidrig, wenn er auf vier Lose bietet, obwohl er nur Kapazitäten für zwei Lose hat!
Nach der VK Brandenburg ist der zulässige Nachprüfungsantrag unbegründet. Dies begründet die VK Brandenburg unter anderem damit, dass die Antragstellerin sich wettbewerbswidrig verhalten habe, indem sie auf vier Lose geboten, in ihrem Angebotsschreiben aber zugleich mitgeteilt habe, Kapazitäten lediglich für zwei Lose zu haben. Die Angebote der Antragstellerin seien daher in Bezug auf alle Lose nicht zuschlagsfähig.
Die tragenden Erwägungen der VK Brandenburg sind die Folgenden: Der Auftraggeber darf den Auftrag nur an geeignete Unternehmen vergeben (§ 122 Abs. 1, Abs. 2 GWB, § 42 VgV). Ferner ist der Auftraggeber verpflichtet, die Zuschlagswertung nach den von ihm aufgestellten und bekannt gemachten Kriterien vorzunehmen (§ 127 GWB, § 58 VgV). Insoweit entsteht nach der VK Brandenburg ein Spannungsfeld, wenn sich ein Bieter auf mehr Lose bewirbt, als er in der Lage ist, im Falle der unterstellten Zuschlagserteilung bei allen bebotenen Losen, abzuarbeiten.
Stehe bei Angebotsabgabe fest, dass ein Bieter zwei von vier Verträgen nicht erfüllen könne, wäre der Auftraggeber ansonsten für den Fall, dass diese Angebote die wirtschaftlichsten seien, gezwungen, vergaberechtswidrig in zwei von vier Losen einem nicht leistungsfähigem Bieter den Zuschlag zu erteilen, wenn ein vorheriger Ausschluss mangels Eignung ausscheide (z. B. infolge nicht oder nicht ordnungsgemäß bekannt gemachter Eignungskriterien). Dadurch verstieße er aber gegen § 122 GWB, § 42 VgV. Alternativ könne der Auftraggeber den Zuschlag auf das nur zweitwirtschaftlichste Angebot erteilen. Dadurch beginge er aber einen Verstoß gegen § 127 GWB, § 58 VgV, weil er das wirtschaftlichste Angebot übergehe.
Des Weiteren böte sich in derartigen Sachverhalten dem Auftraggeber eine Wahlfreiheit, die wettbewerbswidrige Manipulationen zu Lasten der Mitbieter ermögliche. Diesem Vorwurf dürfe sich der Auftraggeber von vornherein nicht aussetzen. Auch müsse eine nur teilweise Bezuschlagung des nur partiell leistungsfähigen Bieters frei nach dem Motto „Der Bestbieter bekommt zumindest dasjenige, was er auch bedienen kann“ ausscheiden. Denn der Auftraggeber könne nicht begründen, auf welcher Grundlage ein oder zwei der vier Lose an diesen gehen und welche Lose dies sein sollten. Im Ergebnis sind daher nach der VK Brandenburg partiell nicht leistungsfähige Bieter insgesamt mit ihrem Angebot auf alle Lose auszuschließen.
Fazit und Praxishinweise
Die Entscheidung der VK Brandenburg führt vor Augen, dass Bieter gehalten sind, Angebote nur im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit abzugeben. Reicht die eigene Leistungsfähigkeit nicht aus, um alle Lose zu bedienen, muss der Bieter entweder sein Angebot auf diejenigen Lose beschränken, die er selber leisten kann, oder im Wege der Einbeziehung von Nachunternehmern oder Bietergemeinschaftsmitgliedern bzw. im Rahmen einer Eignungsleihe die entsprechende Leistungsfähigkeit zur Bedienung aller Lose herstellen.
Anders stellt sich die Situation dar, wenn der Auftraggeber im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 2 VgV eine Loslimitierung vorgenommen hat. In diesem Fall kann es, je nach konkreter Ausgestaltung der Ausschreibungsbedingungen, zulässig sein, mehr Lose zu bebieten, als Kapazitäten im Unternehmen oder mit Nachunternehmern vorhanden sind, vorausgesetzt, dass die festgelegte Höchstzahl der Lose, für die der Zuschlag erhalten werden kann, vom betreffenden Bieter auch geleistet werden kann.
Auch wenn die Entscheidung zum Oberschwellenvergaberecht erfolgt ist, lassen sich die Erwägungen mit Blick auf die Parallelität der Regelungen im Oberschwellenbereich einerseits und im Unterschwellenbereich andererseits vollumfänglich auf die Vergaben nach Unterschwellenvergaberecht übertragen.
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