Die Abgrenzung von Eignungs- und Zuschlagskriterien bereitet immer wieder Schwierigkeiten. Sie ruft auch immer wieder Bieter auf den Plan, die das Vergabeverfahren mit dem Vorwurf angreifen, es habe eine unzulässige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien stattgefunden. In ihrem Beschluss vom 12.11.2019 hat sich die VK Baden-Württemberg (1 VK 62/19, abrufbar unter folgendem Link) der bereits von der VK Südbayern in ihrem Beschluss vom 02.04.2019 (Z3-3-3-3194-1-43-11/18, abrufbar unter folgendem Link) vertretenen Auffassung angeschlossen. Danach besteht kein Doppelverwertungsverbot. Referenzen können sowohl bei der Eignung des Bieters als auch als Bezugspunkt zur Bewertung der Qualität der Leistung berücksichtigt werden.
Was war passiert?
Der Auftraggeberin und späteren Antragsgegnerin obliegt als öffentlich-rechtlichem Zweckverband die Wahrnehmung der Aufgabe der Regionalverkehrsplanung. Sie leitete ein europaweites Ausschreibungsverfahren für übergeordnete Projektmanagementleistungen und für die koordinierte Umsetzung eines zuständigkeitsübergreifenden Verkehrsmanagementsystems ein.
In der Auftragsbekanntmachung waren als Eignungskriterien unter anderem Angaben zu bestimmten Referenzprojekten gefragt. So war insbesondere eine Darstellung des Projektteams für die ausgeschriebene Leistung unter Angabe von Namen und beruflicher Qualifikation der Personen, die die Leistungen tatsächlich erbringen, gefordert. Dabei wurden im Hinblick auf Berufsqualifikation, Berufserfahrung und Tätigkeitsschwerpunkt konkrete Mindestanforderungen an den Projektleiter sowie weitere Teammitglieder konkret benannt.
Das Kriterium „Organisation, Qualifikation und Erfahrung des auftragsausführenden Personals“ sollte mit 20 % in die Wertung eingehen.
Ein Unternehmen rügte zunächst erfolglos eine Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien gegenüber der Auftraggeberin und verfolgte dann sein Ziel mit einem Vergabenachprüfungsantrag bei der VK Baden-Württemberg weiter.
Ohne Erfolg!
Entscheidung der VK Baden-Württemberg: Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen, da keine unzulässige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien vorliegt!
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der VK Südbayern (Beschluss vom 02.04.2019 (Z3-3-3-3194-1-43-11/18, abrufbar unter folgendem Link) vertritt die VK Baden-Württemberg die Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Berücksichtigung von Referenzen bei der Eignung der Bieter und als Anknüpfungspunkt bei den Zuschlagskriterien für die Bewertung der Qualität der angebotenen Leistung keinen Bedenken begegnet. Zwar knüpften die Zuschlagskriterien an die Referenzen an, bezögen sich aber ausschließlich auf die Qualität der angebotenen Leistung.
Ein allgemeines Doppelverwertungsverbot existiert nach Auffassung der VK Baden-Württemberg nicht. Vielmehr habe der Gesetzgeber die Berücksichtigung von Referenzen bei der Eignung und auch als Bezugspunkt bei den Zuschlagskriterien ausdrücklich in § 58 Abs. 2 Nr. 2 VgV zugelassen. Streng genommen handele es sich schon nicht um eine Doppelberücksichtigung, wenn einerseits die Eignung des Unternehmens und andererseits strikt die Qualität der Leistung bewertet werde. Auch sieht die VK Baden-Württemberg keine Pflicht zur alternativen Entscheidung des Auftraggebers dahingehend, nur eine Berücksichtigung der Referenzen bei der Eignung oder bei den Zuschlagskriterien vorzunehmen. Denn dafür gebe weder der Wortlaut noch die Gesetzesbegründung etwas her. Vielmehr folge aus einem Umkehrschluss aus § 46 Abs. 3 Nr. 6 VgV, dass eine doppelte Berücksichtigung von Referenzen zulässig sei. Denn die Vorschrift halte nur im Zusammenhang mit Studien- und Ausbildungsnachweisen sowie Bescheinigungen über die Erlaubnis zur Berufsausübung für die Inhaberin, den Inhaber oder die Führungskräfte des Unternehmens ausdrücklich fest, dass der Auftraggeber deren Vorlage nur verlangen kann, sofern diese Nachweise nicht als Zuschlagskriterium bewertet werden. In allen anderen Fällen, also auch den streitgegenständlichen Referenzen, sei daher eine doppelte Berücksichtigung zulässig.
Fazit und Praxishinweise
Aus der Entscheidung der VK Baden-Württemberg folgt, dass der Auftraggeber Referenzen einerseits für die Eignung des Unternehmens und andererseits als Bezugspunkt für die Bewertung der Qualität der Leistung berücksichtigten darf.
Dabei darf im Sinne von § 58 Abs. 2 Nr. 2 VgV zunächst nur die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des ausgeschriebenen Auftrags befassten Personals, nicht pauschal diejenige des Unternehmens bzw. der Belegschaft, berücksichtigt werden. Zum anderen ist die Berücksichtigung nur zulässig, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann. Letzteres ist insbesondere bei Aufträgen für geistig-schöpferische Dienstleistungen, wie beispielsweise Architektenleistungen oder Beratungstätigkeiten, der Fall. Dies kann aber im Einzelfall auch bei anderen Dienstleistungen, z. B. Einsatz besonders ausgebildeter Pflegeexperten oder Einsatz besonders erfahrenen Sicherheitspersonals im Krankenhaus, gegeben sein.
Schlussendlich muss der Einsatz des im Rahmen des Angebots angegebenen Personals bei der Auftragsdurchführung auch nochmals vertraglich abgesichert werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass der Auftraggeber auch diejenigen Personen bekommt, die ihm angeboten wurden und die er bei der Angebotswertung auch zugrunde gelegt hat.
Haben Sie Fragen im Zusammenhang mit der Festlegung und/oder Prüfung von Eignungs- und Zuschlagskriterien? Wir beraten Sie gerne!