Praxistipp
Ist die Videoüberwachung von Arbeitnehmern beabsichtigt, so bedarf diese Maßnahme einer Zustimmung des Betriebsrates. Die Überwachungsmaßnahme muss außerdem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen.
Die Einzelheiten
Eine Videoüberwachungsanlage ist eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, und fällt damit unter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die Betriebsparteien haben nach § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Pflicht, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer zu schützen, insbesondere das in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht zu beachten. Dieses umfasst u. a. das Recht am eigenen Bild, also das Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und u. U. gegen ihn verwendet werden dürfen. Dieses Recht ist zwar nicht auf bestimmte Örtlichkeiten beschränkt, es wird außerhalb des Bereichs der privaten Lebensgestaltung allerdings nicht schrankenlos gewährt. So können die von den Betriebsparteien im Rahmen ihr er Regelungskompetenz abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen eine Einschränkung des Persönlichkeitsrechts rechtfertigen. Der Eingriff muss aber, soweit nicht ausdrücklich durch Gesetz erlaubt, durch schutzwürdige Belange anderer Grundrechtsträger, insbesondere des Arbeitgeber s gerechtfertigt sein. Dabei bestimmt sich das zulässige Maß einer Einschränkung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die von den Betriebsparteien getroffene Regelung muss danach geeignet, erforderlich und angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen.
Für die Angemessenheit ist im Rahmen einer Güterabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Eingriffsintensität mitentscheidend; insbesondere von Bedeutung ist, wie viele Leute der Videoüberwachung ausgesetzt sind, ob diese anonym oder bekannt sind, ob sie einen Anlass für den Eingriff gegeben haben, ob sie einer bereits begangenen oder drohenden Straftat oder Rechtsgutverletzung verdächtig sind, wo die Überwachungsmaßnahmen stattfinden, wie lange und intensiv sie sind und welche Technik dabei eingesetzt wird. Eine Rechtfertigung der Videoüberwachung über § 6 b Bundesdatenschutzgesetz kommt dagegen jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Arbeitsplatz nicht öffentlich zugänglich ist. Im Übrigen kann eine Videoüberwachung durch eine Notwehrsituation gerechtfertigt werden. Allerdings ist sie dann nur gegenüber dem Angreifer selbst, nicht dagegen gegenüber den restlichen "unschuldigen" Arbeitnehmern zulässig. Nicht in Betracht kommt ferner eine Gestattung aufgrund des Hausrechts des Arbeitgebers. Zum einen unterliegt dieses Hausrecht aufgrund der Pflicht des Arbeitgebers zur vertragsgemäßen Beschäftigung des Arbeitnehmers gewissen Einschränkungen, zum anderen hat der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis die vertragliche Pflicht, die geschuldete Arbeitsleistung an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort zu erbringen, so dass er sich der Überwachung nicht entziehen kann. Aus den gleichen Gründen ist auch eine Einwilligung des Arbeitnehmers abzulehnen.
Im konkret entschiedenen Fall ging es um die Zulässigkeit der Anbringung eines Videoüberwachungssystems in einem Briefverteilungszentrum der Deutschen Post AG. Wie auch im Bereich anderer Briefverteilungszentren kam es zu Verlusten von über dieses Verteilungszentrum laufenden Briefsendungen, wobei nicht geklärt werden konnte, ob diese Sendungen im Briefzentrum selbst, auf dem Weg dorthin oder auf dem weiteren Weg zu den Empfängern abhanden kamen. Nachdem der Betriebsrat der Deutsche Post AG die Einrichtung einer Videoanlage abgelehnt hatte, sah der Spruch der Einigungsstelle die dauerhafte Einrichtung einer sichtbaren Videoüberwachungsanlage vor, die wöchentlich verdachtsunabhängig bis zu 50 Stunden in Betrieb sein sollte. Für die betroffenen Mitarbeiter war nicht zu erkennen, wann die Anlage in Betrieb war. Der Betriebsrat griff diesen Einigungsstellenspruch zunächst erfolglos vor den Instanzgerichten an, hatte jedoch letztlich vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht führte aus, dass weder der Sicherheit des Briefverkehrs und dem grundrechtlich geschützten Postgeheimnisses einerseits, noch dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer andererseits ein absoluter Vorrang zukomme. Die auf die Umstände des konkreten Einzelfalles bezogene Abwägung ergab jedoch, dass hier eine dauerhafte, verdachtsunabhängige Videoüberwachung der Belegschaft des Postverteilungszentrums unverhältnismäßig sei.