Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Arnsberg ist die Veröffentlichung von Berichten im Internet über durchgeführte Umweltinspektionen bei Industrieanlagen insoweit unzulässig, als eine Bewertung der vorgefundenen Mängel darin durch die jeweilige Behörde stattfindet (VG Arnsberg, Beschluss vom 10.06.2014, 4 L 867/13). Die Veröffentlichung von Inspektionsberichten im Internet ohne wertende Betrachtung der Behörden soll nach Ansicht des Gerichts hingegen zulässig sein.
Hintergrund
In Umsetzung der Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen („IED-RL“) wurde die Verpflichtung zur Durchführung behördlicher Umweltinspektionen bei Industrieanlagen in § 52 a Bundesimmissionsschutzgesetz („BImSchG“) verschärft. Danach haben die zuständigen Behörden Überwachungspläne und Überwachungsprogramme aufzustellen, die regelmäßige Vor-Ort-Besichtigungen der betroffenen Anlagen vorsehen müssen. Nach jeder erfolgten Vor-Ort-Besichtigung hat die Behörde einen Inspektionsbericht über die (Nicht-) Einhaltung der Genehmigungsanforderungen und gegebenenfalls notwendigen Anpassungsmaßnahmen zu erstellen. Unabhängig von dem Ergebnis sieht § 52a Absatz 5 Satz 7 BImSchG vor, dass dieser Bericht der Öffentlichkeit innerhalb von vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zugänglich gemacht wird. Die Gesetzesänderung trat am 02.05.2013 in Kraft.
Zur Umsetzung der Pflicht, die Inspektionsberichte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen („MKULNV NRW“) in einem Erlass vom 24.09.2012 (Erlass zur Veröffentlichung von Umweltinspektionsberichten, Az.: V-1-1034) festgelegt, dass die Inspektionsberichte auf der Internetseite der inspizierenden Behörde zu veröffentlichen sind. In dem Inspektionsbericht soll je nach Ergebnis der Überwachung aufgeführt werden, ob keine Mängel, geringfügige Mängel, erhebliche Mängel oder schwerwiegende Mängel vorgefunden wurden. Wie sich geringfügige, erhebliche und schwerwiegende Mängel unterscheiden, wird in dem Erlass näher ausgeführt. Danach sind u. a. erhebliche Mängel dann gegeben, wenn Verstöße gegen materielle oder formelle Anforderungen an die Industrieanlage zu Umweltbeeinträchtigungen führen können. Auf Grundlage dieses Erlasses sind bereits zahlreiche Inspektionsberichte online veröffentlicht worden. Eine Übersicht der durchgeführten Inspektionen der Bezirksregierung Arnsberg finden Sie hier.
Entscheidung des VG Arnsberg
In einem Eilverfahren hat das VG Arnsberg nunmehr entschieden, dass der Erlass des MKULNV NRW keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dafür sei, Inspektionsberichte im Internet mit dem Hinweis zu veröffentlichen, dass erhebliche Mängel vorlägen. Eine entsprechende Wertung sei geeignet, die Reputation eines Anlagenbetreibers zu gefährden, und verletze ihn insoweit in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und in seiner Berufsausübungsfreiheit. Ob ein Mangel erheblich sei oder nicht, müsse gesetzlich geregelt sein und zudem näher konkretisiert werden. Derzeit führe jede noch so unwahrscheinliche Möglichkeit einer zukünftigen Umweltbeeinträchtigung und zwar unabhängig von deren Ausmaß zu einem erheblichen Mangel. Nicht zu beanstanden sei es jedoch, wenn die Umweltinspektionsberichte ohne eine entsprechende Wertung im Internet veröffentlicht werden, da dies von der gesetzlichen Regelung in § 52a Absatz 5 Satz 7 BImSchG gedeckt sei.
Ausblick
Die Entscheidung des VG Arnsberg setzt der Veröffentlichung von Inspektionsberichten im Internet Grenzen. Dies ist zu begrüßen. Die vorgenommene wertende Betrachtung festgestellter Mängel beim Anlagenbetrieb durch die Behörden kann verheerende Folgen für die Anlagenbetreiber haben. Dies gilt umso mehr, als die Schwelle für die Annahme eines erheblichen Mangels in NRW äußerst niedrig angesetzt wurde. Mangels gesetzlicher Grundlage dürfen Behörden, die grundsätzlich zur Neutralität verpflichtet sind, eine solche Bewertung nicht vornehmen. Dass das VG Arnsberg die Veröffentlichung im Internet ohne Bewertung grundsätzlich als zulässig ansieht und weitere insoweit bestehende Problemkreise ausblendet, ist jedoch zu kritisieren. Auch ohne Wertung kann die Veröffentlichung der vorgefundenen Mängel sich in erheblicher Weise geschäftsschädigend auswirken. Selbst wenn nachträglich die Mängel behoben werden, bleibt der Bericht online. Zwar soll die Behebung der Mängel in dem Bericht vermerkt werden, dies kann den negativen Effekt eines solchen Mängelberichts aber nur geringfügig abmildern. Ob eine solche zeitlich unbegrenzte Veröffentlichung des Inspektionsberichts daher mit den Grundrechten vereinbar ist, ist zweifelhaft. Vieles spricht dafür, dass zumindest nach einer gewissen Zeit eine Löschung vorzunehmen ist. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um das „Recht auf Vergessenwerden“ (vgl. hierzu unseren Beitrag vom 16.05.2014).
Ob die Sichtweise des VG Arnsberg in dem nunmehr anhängigen Beschwerdeverfahren vor dem OVG Münster aufrechterhalten wird, bleibt abzuwarten. Das MKLUNV NRW hat sich bereits in einem Erlass vom 20.06.2014 dahingehend geäußert, dass von der bisherigen Veröffentlichungspraxis bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens nicht abgewichen werden solle. Betroffene Anlagenbetreiber in NRW, die sich gegen entsprechende Veröffentlichungen zur Wehr zu setzen wollen, bleibt daher allein die Möglichkeit, ebenfalls vor Gericht zu ziehen. Dies gilt nicht nur bei Berichten, deren Veröffentlichung bevorsteht. Auch Anlagenbetreiber, deren negatives Ergebnis sich bereits auf den Internetseiten der Behörden befindet, können auf dem Klageweg die Löschung des jeweiligen Berichts beantragen. Vor dem Hintergrund des laufenden Beschwerdeverfahrens vor dem OVG Münster lassen sich die Erfolgsaussichten entsprechender Klagen derzeit jedoch noch nicht abschließend beurteilen.