Die Europäische Kommission hat am 05.02.2013 ihren ersten Gesamtbericht über die Umsetzung von REACH veröffentlicht (Kommissionsbericht REACH). Im Fokus des Berichts steht dabei, inwieweit die durch REACH gesetzten Gesundheits- und Umweltziele erfüllt wurden, welche Auswirkungen REACH auf die Wettbewerbsfähigkeit der Chemikalienbranche hat und ob sich daraus Anpassungserfordernisse in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht ergeben.
Keine Änderung der REACH-Verordnung / Anpassung der ECHA-Leitlinien
Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass „REACH gut funktioniert und alle zum gegenwärtigen Zeitpunkt überprüfbaren Zielsetzungen erfüllt sind“. Änderungen von REACH werden derzeit nicht vorgeschlagen. Anpassungen, die von der Kommission als notwendig angesehen werden, sollen vielmehr innerhalb des bestehenden rechtlichen Rahmens, insbesondere durch Überarbeitung der von der europäischen Chemikalienagentur („ECHA“) herausgegebenen Leitlinien (Guidances) erreicht werden. Auch wenn den Leitlinien der ECHA kein Gesetzescharakter zukommt und daher abweichendes Vorgehen grundsätzlich rechtlich zulässig ist, findet in der Praxis jedoch eine sehr starke Orientierung an den Vorgaben der ECHA statt. Bei Abweichungen von den Leitlinien besteht regelmäßig erhöhter Argumentationsbedarf gegenüber Mitbewerbern und Behörden. Die angestrebte Überarbeitung der Leitlinien betrifft u. a. die Informationsanforderungen an Registrierungsdossiers, das Verfahren für die Vorlage von Versuchsvorschlägen, regulatorische Überschneidungen mit anderen EU-Vorschriften und die Regelung von Nanomaterialien. Bezüglich Nanomaterialien wird festgestellt, dass diese weiterhin unter den Rechtsrahmen von REACH fallen sollen, spezifischere Vorschriften zum Risikomanagement aber durch Änderungen der REACH-Anhänge geplant sind. Die Kommission stellt insoweit in Aussicht, nach Durchführung einer Folgenabschätzung gegebenenfalls bis Dezember 2013 den Entwurf eines entsprechenden Durchführungsaktes vorzulegen.
Der Schwerpunkt des Berichts der Kommission liegt auf dem Umgang mit kleinen und mittelständischen Unternehmen („KMU“), die aufgrund der Registrierungspflicht für Mengen von unter 1.000 t/a von den kommenden Registrierungsfristen 2013/2018 in stärkerem Maße betroffen sein werden.
REACH und KMU: Verringerung des Kosten- und Verwaltungsaufwandes
Die Kommission sieht bei der Umsetzung von REACH Probleme für KMU aufgrund ihrer begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen. Im Anhang zum Gesamtbericht der Kommission werden daher mehrere Empfehlungen zur Verringerung des Kosten- und Verwaltungsaufwandes unterbreitet (vgl. S. 17 des Berichtsentwurfs). Die Europäische Kommission verweist u. a. auf die derzeitige Überprüfung der REACH-Gebührenverordnung, welche die Absenkung der Gebühren für KMU zum Ziel hat. In welchem Maße eine weitergehende Reduktion der Gebühren tatsächlich erfolgen wird, ist durch die Kommission offen gelassen worden.
Gemeinsame Datennutzung und Wettbewerbsbeschränkung
Kritisch sieht die Kommission vor allem die derzeitige Praxis der Kostenteilung im Rahmen des substance information exchange forum („SIEF“). KMU würden häufig dadurch benachteiligt, dass führende Registranten, bei denen es sich meist um größere Unternehmen handelt, Pauschalgebühren für Letter of access („LoA“) oder hohe Gebühren für die SIEF-Verwaltung verlangen. Nach Art. 30 Abs. 1 S. 5 REACH ist die Teilung der Kosten für die gemeinsame Nutzung von Informationen in gerechter, transparenter und nicht-diskriminierender Weise vorzunehmen. Für die zu treffende Vereinbarung kann gemäß Art. 30 Abs. 1 S. 6 REACH auf die Grundsätze zur Kostenteilung, niedergelegt im Leitfaden der ECHA zur gemeinsamen Nutzung von Daten (Guidance on Data Sharing, Nr. 5), zurückgegriffen werden. Die Europäische Kommission sieht aber die dort aufgestellten Grundsätze als nicht ausreichend an, um KMU vor zu hohen finanziellen Belastungen zu schützen. Sie verlangt daher von der ECHA, konkretere Leitlinien für die Kostenteilung bei SIEF-Konsortien bereitzustellen. Wie diese nähere Konkretisierung inhaltlich ausgestaltet werden soll, gibt die Kommission jedoch nicht vor. Zwar wird eine Rechtsverbindlichkeit der Kostengrundsätze in den Leitlinien auch nach einer Überarbeitung durch die ECHA nicht gegeben sein, gleichwohl werden die Vorgaben bei der Vertragsgestaltung in der Praxis erhebliche Bedeutung haben.
Weiterhin gilt es zu beachten, dass bei der Frage der Kostenteilung auch kartellrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen sind. Dem Inhaber der relevanten Studien dürfte regelmäßig eine marktbeherrschende Stellung zukommen, so dass das Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV im Auge zu behalten ist. Da im Rahmen der bevorstehenden Registrierungsfristen in 2013/2018 vermehrt KMU betroffen sein werden, wird daher auch die Frage an Bedeutung gewinnen, wie eine Kostenteilung in SIEF-Konsortien unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsbeschränkung auszugestalten ist. Allgemeingültige Vorgaben hierzu werden durch die Kartellbehörden nicht aufgestellt, vielmehr ist eine Prüfung in jedem Einzelfall notwendig.