Eine Kündigung, die der Arbeitgeber wegen Wegfalls der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit erklärt, ist nicht durch ein dringendes betriebliches Erfordernis bedingt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anderweitig beschäftigen kann. In die Prüfung einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit sind nach einem aktuellen Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 05.03.2007 – 11 Sa 1338/06 – auch die Arbeitsplätze einzubeziehen, auf denen der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist Leiharbeitnehmer einsetzt.
Praxistipp
Nach der Entscheidung des LAG Hamm können betriebsbedingte Kündigungen nur dann wirksam ausgesprochen werden, wenn zuvor auf Dauer angelegte Leiharbeit abgebaut wird. Der nur kurzfristige Einsatz von Leiharbeitnehmern – z. B. zur Überbrückung von urlaubs- oder krankheitsbedingten Ausfällen von Stammarbeitnehmern - hindert den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen hingegen nicht.
Einzelheiten
Die Klägerin war als Näherin bei einem Unternehmen, das Polstermöbel herstellt, beschäftigt und wurde dort in der Näherei- und Vliesabteilung eingesetzt. In dieser Abteilung waren neben der Klägerin weitere 16 festangestellte Näherinnen sowie drei Leiharbeitnehmerinnen tätig. Die Arbeitgeberin traf im Jahr 2006 die unternehmerische Entscheidung, fünf Arbeitsplätze von festangestellten Näherinnen abzubauen und die von diesen Näherinnen bislang genähten Bezüge zukünftig fertiggenäht von Fremdfirmen zuzukaufen. In der Folge wurde unter anderem das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen gekündigt.
Mit der hiergegen erhobenen Kündigungsschutzklage hatte die Klägerin in der Berufungsinstanz Erfolg. Mit dem vorgenannten Urteil hat das LAG Hamm entschieden, dass die betriebsbedingte Kündigung nicht sozial gerechtfertigt war. Die Arbeitgeberin hätte die Kündigung der Klägerin durch den Abbau von Leiharbeit in der Abteilung Näherei/Vlies vermeiden können. Die im Zeitpunkt der Kündigungserklärung von Leiharbeitnehmern besetzten Arbeitsplätze seien als anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne des ultima-ratio-Grundsatzes und damit als milderes Mittel zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung in die Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung einzubeziehen. Würde man die von Leiharbeitnehmern verrichteten Tätigkeiten bei der Prüfung des ultima-ratio-Grundsatzes außer Betracht lassen, so entstünde ein sachlich nicht zu rechtfertigender Widerspruch zum Grundsatz der Unzulässigkeit sogenannter Austauschkündigungen. Auch könne des Gebot zur Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ausgehebelt werden, wenn seit wenigen Monaten im Betrieb eingesetzte Leiharbeitnehmer auf ihren Arbeitsplätzen gehalten werden könnten und eine Arbeitnehmerin mit mehrjähriger Betriebszugehörigkeit weichen müsse. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit sei nur dann nicht vorhanden, wenn der Einsatz von Leiharbeitnehmern jeweils nur kurzfristig und unstet bei einem Ausfall von Stammarbeitnehmern erfolge. In dem zu entscheidenden Fall sei der Arbeitgeberin jedoch der Beweis, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen über den Kündigungstermin hinaus nicht absehbar gewesen sei, nicht gelungen.