Wie wir zu früheren Zeiten berichtet haben, hat die Europäische Kommission festgestellt, dass MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco, DAF und Scania jahrelang gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen haben, und deswegen Rekordbußen in Höhe von knapp 3 Mrd. EUR verhängt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun kürzlich zwei erste, recht klägerfreundliche Urteile zum Schadensersatz der betroffenen Abnehmer veröffentlicht. Darin stellt der BGH klar, dass die Kartellteilnehmer nicht nur einen harmlosen Informationsaustausch betrieben haben, sondern vielmehr ihre künftigen Listenpreise sowie deren Erhöhung miteinander besprochen und ihre zukünftige Preissetzung koordiniert haben (BGH, Urteil vom 23.09.2020, KZR 35/19 [hierzu Anmerkung Glöckner, NJW 2021, 857]; Urteil vom 13.04.2021, KZR 19/20). Von dieser Koordinierung sind laut BGH nicht nur Erwerbe vom unmittelbar jeweiligen Hersteller, sondern auch mittelbare Erwerbe über selbständige Händler betroffen.
In Bezug auf die Verjährung hat der BGH festgestellt, dass es für den Beginn der Verjährungshemmung nicht erst auf eine förmliche Einleitung des Kartellverfahrens ankommt, sondern bereits gegen bestimmte Unternehmen gerichtete Ermittlungsmaßnahmen ausreichen.
Vor diesem Hintergrund sollten Abnehmer spätestens jetzt ermitteln, wie viele LKW (ab 6 t ZGG) sie von den Kartellteilnehmern im Rahmen eines Kaufs, Mietkaufs oder Leasings beschafft haben. Betroffen wären Beschaffungen im eigentlichen Kartellzeitraum von 1997 bis 2011 sowie auch danach, da das Kartell auch über den eigentlichen Kartellzeitraum hinaus Nachwirkungen auf das Preisniveau gehabt haben dürfte.
Jeder vom Kartell Geschädigte kann Schadensersatz verlangen, wobei jeder Kartellteilnehmer für den gesamten Schaden eines Betroffenen verantwortlich ist (sog. Gesamtschuld). Der Schaden dürfte primär die Preisüberhöhung umfassen. Daneben kommen auch noch andere Positionen in Betracht. So ist denkbar, dass wegen der kartellbedingt überhöhten Preise ein Geschädigter weniger abnehmen oder absetzen konnte (Mengeneffekte). Hinzu kämen insbesondere auch die Zinsen, die wegen des zum Teil länger zurückliegenden Zeitraums einen bedeutenden Umfang hätten. Die konkrete Quantifizierung des Schadens wird in der Regel durch ein wettbewerbsökonomisches Gutachten vorgenommen, welches auch wir unseren Mandanten empfehlen. Nach ersten Schätzungen könnten allein die kartellbedingten Überhöhungen zwischen 10 und 15 % des Kaufpreises betragen haben.
Soweit noch nicht geschehen, sollten mögliche Geschädigte aus Verjährungsgründen innerhalb der nächsten Wochen nun auch die für den Schadensersatzanspruch relevanten Informationen und Unterlagen zusammenstellen, wie etwa Kauf- und Leasingverträge, Bestellungen, Rechnungen und Zahlungsbelege. Die Schadensersatzansprüche verjähren sukzessive. Ein Großteil der Beschaffungen dürfte aber derzeit noch nicht verjährt sein.
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