In der Konsequenz dürften die Teilnehmer in einem solchen Fall auch bei der Ausschreibung eines Privaten darauf vertrauen, dass der Ausschreibende insgesamt die Regeln der VOB/A einhalte. Wird dieses Vertrauen enttäuscht, können den Teilnehmern der Ausschreibung Schadenersatzansprüche nach denselben Grundsätzen zustehen, die für öffentliche Auftraggeber gelten. In der Sache schrieb ein Entsorgungsunternehmen (Beklagte) Bauleistungen zur Erweiterung einer Deponie gemäß VOB/A öffentlich aus. Ein privates Tiefbauunternehmen (Klägerin) beteiligte sich an der Ausschreibung und gab das günstigste Angebot ab. Nachdem das Unternehmen erfahren hatte, dass das Entsorgungsunternehmen beabsichtigte, einer anderen Bieterin den Zuschlag zu erteilen, rief sie die zuständige Vergabeprüfstelle an. Diese empfahl dem privaten Auftraggeber, das Angebot der Klägerin anzunehmen oder die Ausschreibung aufzuheben und eine neue Ausschreibung mit geändertem Leistungsumfang durchzuführen. Der private Auftraggeber führte eine erneute öffentliche Ausschreibung durch. Zur Begründung führte er eine Änderung der technischen Konzeption und der Zeitschiene an. Die Klägerin beteiligte sich auch an dieser Ausschreibung, erhielt aber angesichts des Umstandes, dass sie diesmal nicht das günstigste Angebot abgegeben hatte, wiederum nicht den Zuschlag. Daraufhin verlangte die Klägerin Schadenersatz von dem privaten Auftraggeber, weil es ihr nicht gelungen sei, Ersatzaufträge zu erlangen. Bei Vertragsschluss zwischen ihr und dem privaten Auftraggeber hätte sie einen Beitrag zur Deckung ihrer Geschäftskosten erzielt. Außerdem seien ihr durch die Teilnahme an der Ausschreibung Kosten entstanden.
Aussagen des Berufungsgerichts
Das Berufungsgericht hatte einen Anspruch der Klägerin aus dem Grundsatz culpa in contrahendo auf Ersatz des Erfüllungsinteresses verneint. Ein privater Auftraggeber sei nicht an den Gleichheitssatz gebunden, sondern unterliege der Privatautonomie und könne deshalb nach freiem Belieben entscheiden, mit wem es habe kontrahieren wollen. Halte sich der Ausschreibende schuldhaft nicht an die Regelungen der VOB/A, komme lediglich der Ersatz des negativen Interesses in Betracht.
Bundesgerichtshof: Gleiche Grundsätze wie für öffentliche Auftraggeber
Diesen Aussagen ist der Bundesgerichtshof entgegengetreten. Die Grundsätze der Haftung aus culpa in contrahendo kämen auch bei uneingeschränkter Erklärung der Anwendbarkeit der VOB/A seitens eines privaten Auftraggebers zur Anwendung. Sehe die Ausschreibung keine Ausnahme hinsichtlich der Geltung der VOB/A-Regelungen vor, so dürfe der Bieter deshalb auch bei einer solchen Ausschreibung eines Privaten davon ausgehen, dass der Ausschreibende die Ausschreibung insgesamt der VOB/A unterworfen habe. Wolle der Ausschreibende nur Teile der VOB/A auf seine Ausschreibung angewandt wissen, müsse er dies zum Ausdruck bringen. In der Konsequenz hafte ein privater Auftraggeber in der gleichen Weise und unter den gleichen Voraussetzungen wie ein öffentlicher Auftraggeber. Im Falle einer Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 VOB/A könne sich daher eine Ersatzpflicht aus den Grundsätzen der culpa in contrahendo ergeben, sofern keiner der in § 26 VOB/A genannten Aufhebungsgründe vorliege und dem Bieter bei Fortsetzung des Verfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen, weil er das annehmbarste Angebot abgegeben habe. Zugleich müsse der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt worden sein. Die Schadenersatzpflicht folge aus dem Vertrauen der Teilnehmer an der Ausschreibung darauf, dass die Vorschriften der VOB/A eingehalten werden. Gleichwohl müsse jeder Bieter mit der Möglichkeit rechnen, dass die Vergabe des Auftrags unterbleiben könne, da ein Anspruch auf den Zuschlag nicht bestehe. Daher ist Ersatz des Erfüllungsinteresses nur für den nach den Regeln des Vergaberechts bestimmten Bestbieter unter den vorgenannten strengen Voraussetzungen denkbar.
Tatsächliche Auftragserteilung
Der Bundesgerichtshof wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Das Berufungsgericht habe insbesondere zu klären, ob der Auftrag, der Gegenstand der aufgehobenen ersten Ausschreibung war, tatsächlich erteilt worden sei. Es komme also darauf an, ob der Auftrag, den der Ausschreibende letztlich dem obsiegenden Bieter erteilt habe, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits Gegenstand der ersten aufgehobenen Ausschreibung gewesen sei. Maßgeblich komme es für die zu treffende Wertung darauf an, ob der vergebene Auftrag im Vergleich zu dem zunächst ausgeschriebenen Vorhaben wesentliche Änderungen aufweise. Unberücksichtigt bleiben müssten solche Umstände, die allein durch die spätere Ausführung der Arbeiten veranlasst seien.
Fazit
Will ein privater Auftraggeber im Rahmen einer Ausschreibung nicht umfänglich den gleichen Bindungen unterliegen wie ein öffentlicher Auftraggeber, muss er dies klar zum Ausdruck bringen. Will der Ausschreibende daher nur Teile der VOB/A auf seine Ausschreibung angewandt wissen, muss er dies deutlich machen, anderenfalls darf ein Bieter berechtigterweise darauf vertrauen, dass das Regelungswerk der VOB/A insgesamt gilt. Erfolgt keine Ausnahme, darf sich der private Auftraggeber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht nur auf die für ihn günstigen Regelungen der VOB/A berufen.