Am 01.07.2023 sind wesentliche Teile des Reformgesetzes zum Stiftungszivilrecht in Kraft getreten. Die Regelungen zum Stiftungsrecht in den §§ 80 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) sind erheblich erweitert und umgestaltet worden. Dies ist ein deutlicher Fortschritt für das Stiftungswesen, denn das bislang im BGB und in den Landesstiftungsgesetzen enthaltene Stiftungszivilrecht ist nun im BGB zusammengeführt. Die bislang bestehende Rechtsunsicherheit, ob einzelne Regelungen der Landesstiftungsgesetze wegen Verstoßes gegen Regelungen im BGB nichtig sind, wird hierdurch beseitigt.
Wieso eine Reform?
Die landesrechtlichen Vorschriften waren nicht wortgleich, so dass die Rechtsform der rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts in den einzelnen Bundesländern verschieden ausgestaltet war, wenn auch die Grundsätze übereinstimmten. Dieses Nebeneinander von Bundesrecht und Landesrecht führte immer wieder zu Streitfragen und Rechtsunsicherheiten bei Stiftern und Stiftungen.
Was ist neu? Das Wichtigste in Kürze:
In den §§ 84 ff. BGB n.F. wird die Organverfassung der Stiftung ausführlicher geregelt. Die Rechte und Pflichten der Organmitglieder werden konkretisiert. Die persönliche Haftung für Vorstandsmitglieder wird nun angemessen beschränkt. Wie bei Aktiengesellschaften werden die Grundsätze der sog. Business Judgement Rule auch für wirtschaftliche Fehleinschätzungen des Stiftungsvorstandes gelten. Nach § 84a Abs. 2 S. 2 BGB n.F. haftet ein Vorstand nicht persönlich, wenn er bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohl der Stiftung zu handeln. Dies gilt insbesondere auch für Entscheidungen über die Anlage des Stiftungsvermögens. Zudem kann die Haftung für Pflichtverletzungen von Organmitgliedern durch die Satzung beschränkt werden.
Stiftungen mit kleinem Vermögen, die sich wegen der schlechten Ertragslage wirtschaftlich neu orientieren müssen, werden leichter die Möglichkeit haben, die Stiftungsmittel vollständig zu verwenden oder sich mit anderen Stiftungen zusammen zu legen.
Umschichtungsgewinne dürfen gemäß § 83c Abs. 1 S. 3 BGB n.F. nunmehr als Regelfall auch für die Zweckverwirklichung eingesetzt werden, soweit der Stifterwille dem nicht entgegensteht und das Stiftungskapital erhalten bleibt. Die Verwendung von Umschichtungsgewinnen für Projekte der Stiftung ist also auch dann möglich, wenn die Satzung dazu nichts sagt.
Ein Stiftungsregister mit Publizitätswirkung wird es, wie geplant, ab dem 01.01.2026 geben. Das neugeschaffene Stiftungsregistergesetz gilt im Wesentlichen erst ab diesem Datum. Rechtsfähige Stiftungen werden ab dann auch einen Rechtsformzusatz führen müssen. Etwaige Meldepflichten zum Stiftungsregister sollten nicht zu einer Doppelmeldung (Transparenzregister) führen.
Aus notarieller Sicht besonders interessant:
Das Stiftungsgeschäft unter Lebenden bedarf nach § 81 Abs. 3 BGB n.F. der schriftlichen Form (so im Grundsatz bisher schon § 81 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.), wenn nicht in anderen Vorschriften „ausdrücklich“ eine strengere Form als die schriftliche Form vorgeschrieben ist. Nach dem neuen Zusatz ist die schriftliche Form für das Stiftungsgeschäft unter Lebenden immer ausreichend und genügend, es sei denn, in anderen Vorschriften ist ausdrücklich eine strengere Form für das Stiftungsgeschäft vorgesehen. Damit wird insbesondere auch klargestellt, dass Formerfordernisse, die für Verträge gelten, wie insbesondere § 311b BGB oder § 15 Abs. 4 GmbHG, nicht analog auf das Stiftungsgeschäft anzuwenden sind. Ergänzend wird in § 81 Abs. 3 BGB n.F. zum besseren Verständnis geregelt, dass ein Stiftungsgeschäft auch in einer Verfügung von Todes wegen enthalten sein kann. Für ein Stiftungsgeschäft, das in einer Verfügung von Todes wegen enthalten ist, gilt das Schriftformerfordernis nicht, sondern es muss den in der Regel strengeren Formvorschriften für die Verfügung von Todes wegen genügen.
Was bleibt problematisch?
Bis zur Einführung des Stiftungsregisters am 01.01.2026 bleibt es schwierig, die Existenz einer Stiftung und die Vertretungsbefugnis ihres Vorstands im Grundstücksverkehr nachzuweisen. Deshalb wird es bis dahin weiterhin notwendig bleiben, sich Vertretungsbescheinigungen der Stiftungsbehörden ausstellen zu lassen. Diese werden jedoch für privatnützige Stiftungen etwa in Bayern nicht erteilt.