Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist seit 2006 in Kraft. Es bezweckt den Schutz vor Benachteiligung bzw. Diskriminierung aus bestimmten Gründen, nämlich derzeit der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.
Eine im Jahre 2016 durchgeführte Evaluation des AGG, die durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes beauftragt wurde, mündete in diesem Jahr in einem Grundlagenpapier der Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes zur Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
Im Folgenden wollen wir die wichtigsten arbeitsrechtlichen Vorschläge darstellen und kritisch beleuchten.
Überblick über die Reformvorschläge
Eines der Ziele des Koalitionsvertrages der aktuellen Bundesregierung ist, den Anwendungsbereich des AGG auszuweiten. Dementsprechend soll das AGG nach dem Vorschlag der Antidiskriminierungsbeauftragten um die Merkmale „Staatsangehörigkeit“, „sozialer Status“ und „familiäre Fürsorgeverantwortung“ ergänzt werden. Hintergrund für letzteres ist, dass auch Eltern und Menschen mit familiärer Fürsorgeverantwortung Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt erfahren würden. Darüber hinaus sollen folgende Merkmale zur Klarstellung ergänzt werden: „Sprache“, „chronische Krankheit“ und „Geschlechtsidentität“ sowie das Merkmal „aus Gründen der Rasse“ durch „aufgrund rassistischer Zuschreibung“ und „Alter“ durch „Lebensalter“ ersetzt werden.
Ferner soll der Schutz vor diskriminierenden Handlungen auch auf staatliche Stellen, wie die Bundespolizei, die Jobcenter und gesetzliche Renten- und Krankenversicherungen ausgedehnt werden.
In persönlicher Hinsicht soll der Anwendungsbereich des AGG künftig nicht nur für Beschäftigte und Bewerber, sondern auch für Freiberufler/innen, Freiwilligendienstleistende sowie für alle Formen von Fremdpersonaleinsatz eröffnet sein.
Angestrebt wird auch ein verbesserter Schutz für (Schwer-) Behinderte. So wird vorgeschlagen, in § 3 AGG aufzunehmen, dass die Versagung von angemessenen Vorkehrungen, die erforderlich sind, um Menschen mit Behinderung gleichberechtigt alle Rechte wahrnehmen zu lassen, künftig eine Benachteiligung im Sinne des AGG begründen soll. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Herstellung der Barrierefreiheit soll dann das Vorliegen einer Benachteiligung indizieren. Ein weiteres widerlegliches Indiz für eine Benachteiligung soll nach dem Vorschlag zudem vorliegen, wenn Unternehmen – die schon jetzt im Gesetz vorgesehene – AGG-Beschwerdestelle nicht bilden, wobei kleinere und mittlere Unternehmen privilegiert werden sollen. Für letztere sollte eine überbetriebliche Beschwerdestelle gebildet werden.
Zur Verbesserung des Rechtsschutzes werden die folgenden (teilweise weitreichenden) Änderungen vorgeschlagen:
Die aktuell maßgebliche Klagefrist für die Geltendmachung von Ansprüchen von zwei Monaten (§ 15 Abs.4 AGG) soll auf zwölf Monate verlängert werden.
Auch sieht die Bundesbeauftragte die Beweislasterleichterung, nach welcher Betroffene lediglich Indizien für eine Benachteiligung vortragen müssen, als nicht genügend an. Deshalb strebt sie eine künftige Herabsetzung der Beweislast auf eine Glaubhaftmachung an. Dann müsste die Behauptung einer Benachteiligung nur überwiegend wahrscheinlich sein, um den Anforderungen zu genügen.
Des Weiteren sollen Verbandsklagerechte geschaffen werden und die Möglichkeit der Prozessstandschaft eingeführt werden. Ersteres soll es Antidiskriminierungsverbänden ermöglichen, im Falle einer Diskriminierung ganzer gesellschaftlicher Gruppen klagen zu können, ohne dass die Verbände subjektiv von einer Benachteiligung betroffen sein müssen. Im Falle der Prozessstandschaft könnten Verbände durch Ermächtigung einzelner Arbeitnehmer im Namen des Verbandes klagen und den Prozess als Partei führen mit der Folge, dass das erstrittene Urteil direkt Wirkung zugunsten des Arbeitnehmers entfalten würde. Dies würde eine Geltendmachung von Ansprüchen nach dem AGG für Arbeitnehmer deutlich vereinfachen und für diese den Aufwand wesentlich minimieren.
Schlussendlich soll zur Entlastung der Gerichte bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine verpflichtende Schlichtung stattfinden, wenn die betroffene Person dies wünscht.
Kritik an den Vorschlägen
Massive Kritik zu den Vorschlägen wurde bereits aus den Reihen der FDP und der CDU bekundet. Ein Sprecher der CDU äußerte sich zu dem Vorschlag wörtlich wie folgt:
„Es soll nicht mehr darum gehen, Diskriminierung zu verhindern. Menschen sollen sich künftig auf vermeintliche Diskriminierungen berufen können, um Vorteile für sich erwirken zu können“.
Die Erleichterung des Nachweises der Diskriminierung birgt auch nach Einschätzung der Verfasser eine hohe Missbrauchsgefahr, gerade im Hinblick auf das Thema AGG-Hopping. Bereits jetzt besteht ein akutes Missbrauchspotenzial. Sogenannte „AGG-Hopper“ bewerben sich gezielt auf Stellenausschreibungen mit teilweise benachteiligenden Indizien, ohne die Absicht zu haben, diese Stellen antreten zu wollen. Einziges Ziel solcher Klagen ist die Realisierung eines Entschädigungsanspruches. Eine Herabsetzung der Beweislast auf die Glaubhaftmachung würde dieser Betrugsmasche keinen Einhalt gebieten, sondern das AGG noch missbrauchsanfälliger machen.
Zwar erleichtert die Einräumung von Verbandsklagerechten und die Ausweitung der Klagefrist den Rechtsschutz. Die Verlängerung der Klagefrist auf 12 Monate beeinträchtigt jedoch in erheblichem Maße die Rechtssicherheit. Die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland würde durch solche Änderungen nicht gefördert.
Ausblick
Bei dem dargestellten Grundlagenpapier handelt es sich bislang nur um einen Vorschlag. Ein konkretes Gesetzesvorhaben ist damit noch nicht verbunden.
Gerne halten wir Sie über Entwicklungen der Reform auf dem Laufenden und beraten Sie schon heute zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Sprechen Sie uns gerne an!