Der Bundesrat hat am 22. März 2013 der von der Bundesregierung vorgelegten Chemikalien-Sanktionsverordnung („ChemSanktionsV“, Drucksache: 809/12 vom 22. März 2013) zugestimmt. Die ChemSanktionsV wird die bestehende Chemikalien Straf- und Bußgeldverordnung („ChemStrOWiV“) ablösen und erweitert den Katalog der Straf- und Bußgeldtatbestände im Hinblick auf Zuwiderhandlungen gegen verschiedene gemeinschaftsrechtliche Verordnungen auf dem Gebiet der Chemikaliensicherheit. Dies betrifft neben der Quecksilber-Verordnung EG Nr. 1102/2008 und der CLP-Verordnung EG Nr. 1272/2008 insbesondere Verstöße gegen die REACH-Verordnung 1907/2006 EG („REACH-VO“). Gleichzeitig dient die Verordnung der Neustrukturierung und Aktualisierung bereits bestehender Straf- und Bußgeldtatbestände in der ChemStrOWiV (u. a. bei Verstoß gegen die VO EG Nr. 689/2008 über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien). Die ChemSanktionsV soll bereits am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft treten und wird somit zeitnah zur Anwendung kommen. Eine Übergangsregelung ist nicht vorgesehen.
Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die REACH-VO
Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die REACH-VO bestanden bislang vor allem im Hinblick auf die Kernpflichten in den Bereichen Zulassung, Registrierung und Stoffsicherheitsbericht. § 27 b des Chemikaliengesetzes („ChemG“) sieht insoweit einen Strafrahmen vor, nach dem die dort aufgeführten Verstöße im Falle der vorsätzlichen Begehung mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden können. Fahrlässiges Handeln kann nach § 27 Abs. 4 ChemG mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe geahndet werden. Für den Fall, dass das Leben oder die Gesundheit eines anderen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert gefährdet wird, erhöht sich der Strafrahmen bei vorsätzlichem Handeln auf eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, bei fahrlässigem Handeln ist insoweit eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe möglich.
Die nunmehr in der ChemSanktionsV geregelten Straf- und Bußgeldtatbestände beschränken sich auf Verletzungen derjenigen Pflichten der REACH-VO, die nicht von § 27 b ChemG erfasst werden. In § 5 ChemSanktionsV werden Strafvorschriften bei Nichteinhaltung der Vorgaben in Anhang XVII der REACH-VO eingeführt. Durch § 6 ChemSanktionsV werden Verstöße gegen bestimmte Informationspflichten zur Ordnungswidrigkeit erklärt. Beide Vorschriften enthalten eine Vielzahl von Einzeltatbeständen: § 5 umfasst insgesamt 43 Nummern, § 6 besteht aus zwei Absätzen mit 28 bzw. 13 Nummern.
Verstöße gegen Anhang XVII der REACH-Verordnung
§ 5 ChemSanktionsV regelt Pflichtverletzungen nach Art. 67 in Verbindung mit Anhang XVII REACH-VO. Betroffen sind hiervon das Verbot der Herstellung, Verwendung und des Inverkehrbringens von bestimmten gefährlichen Stoffen, die in Anhang XVII REACH-VO einzeln gelistet sind. Da Anhang XVII REACH-VO hinsichtlich der einzelnen Stoffe unterschiedliche Vorgaben enthält, konnte auch in § 5 ChemSanktionsV kein einheitlicher Straftatbestand aufgenommen werden. Daraus resultiert eine lange Liste von strafbewehrten Tatbeständen, die sich an den einzelnen Stoffen und den hierzu jeweils bestehenden Vorgaben in Anhang XVII REACH-VO orientieren. Bezüglich des Strafrahmens wird auf § 27 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 und Abs. 2 bis 4 ChemG verwiesen (vgl. oben).
Verstöße gegen Informationspflichten der REACH-VO
Über § 6 ChemSanktionsV können bestimmte Zuwiderhandlungen gegen Vorgaben der REACH-VO als Ordnungswidrigkeit durch Verhängung von Bußgeldern geahndet werden. In § 6 Absatz 1 ChemSanktionsV sind Verstöße gegen Informations-, Mitteilungs- und Unterrichtungspflichten der Hersteller, Importeure, Alleinvertreter der nachgeschalteten Anwender und Lieferanten der REACH-VO geregelt. Des Weiteren werden Bußgelder unter anderem möglich bei Verstößen gegen die Pflicht zur Erkundigung vor der Registrierung, ob derselbe Stoff schon registriert wurde, oder gegen Pflichten der Arbeitgeber zur Information ihrer Mitarbeiter. Der Adressatenkreis ist damit denkbar weit gefasst. § 6 Absatz 2 ChemSanktionsV betrifft im Wesentlichen das ordnungsgemäße Anbringen von Warnhinweisen auf Verpackungen bestimmter gefährlicher Stoffe, Gemische und Erzeugnisse des Anhangs XVII der REACH-VO vor ihrem Inverkehrbringen durch den Lieferanten. Sowohl für vorsätzliches als auch für fahrlässiges Handeln kann gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 11, Abs. 2 ChemG eine Geldbuße von bis zu 50.000 Euro ausgesprochen werden.
Ausblick: Erweiterung auf Biozid-Verordnung und Strafrahmenanpassung bei Verstößen gegen die REACH-VO
Bereits jetzt sind im Nachgang zum Inkrafttreten der ChemSanktionsV weitere Anpassungen der Straf- und Bußgeldvorschriften geplant. Zum einen hat der Bundesrat in seinem Beschluss vom 22.03.2013 festgehalten, dass er es für erforderlich hält, die neue EU-Biozid-Verordnung vom 22. Mai 2012 (EU Nr. 528/2012) bei nächster Gelegenheit ebenfalls zu berücksichtigen. Für Rechtsverstöße im Zusammenhang mit dem Herstellen, Verwenden oder Inverkehrbringen von Biozid-Produkten, die bereits jetzt zum Teil nach § 26 Abs. 1 Nr. 4a und § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG strafbewehrt sind, könnten daher demnächst ebenfalls Sanktionsnormen in die ChemSanktionsV aufgenommen werden. Welche Pflichtverstöße gegen die Biozid-Verordnung konkret sanktioniert werden sollen, lässt der Bundesrat in seinem Beschluss offen.
Bei Verstößen gegen die REACH-VO will die Bundesregierung bei nächster Gelegenheit einen Strafverschärfungstatbestand in § 27 ChemG aufnehmen, der Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit sogenannten Bedarfsgegenständen regelt. Bedarfsgegenstände zeichnen sich dadurch aus, dass ein unmittelbarer Kontakt mit dem menschlichen Körper oder Lebensmitteln gegeben ist. Rechtsverstöße im Zusammenhang mit Bedarfsgegenständen waren bislang von den Strafvorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs („LFGB“) umfasst, die einen höheren Strafrahmen als § 27 ChemG vorsehen. Nunmehr werden Verstöße im Zusammenhang mit Bedarfsgegenständen erstmalig im Chemikalienrecht geregelt. Konkret betroffen sind hiervon § 5 Nr. 4, 5, 7, 13, 16, 19, 26, 33 und 43 ChemSanktionsV. Die Bundesregierung strebt insoweit eine Harmonisierung der Strafandrohungen des LFGB und des ChemG an, um dem erhöhten Gefährdungspotential von Bedarfsgegenständen auch im Chemikalienrecht Rechnung zu tragen. Daher ist geplant, für Straftaten nach § 27 Abs. 1 ChemG, die die Herstellung oder das Inverkehrbringen eines Bedarfsgegenstandes im Sinne des LFGB betreffen, einen erhöhten Strafrahmen von drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe zu schaffen.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Verstöße gegen die REACH-VO zunehmend strafbewehrte Sanktionen nach sich ziehen. Da keine Übergangsregelungen geplant sind und ein Inkrafttreten der neuen Straf- und Bußgeldvorschriften unmittelbar nach Verkündung der ChemSanktionsV vorgesehen ist, sollten sich alle betroffenen Unternehmen bereits jetzt intensiv mit den umfangreichen und komplexen Sanktionsnormen der ChemSanktionsV auseinandersetzen.