Das OVG unterstellt damit letztlich alle Aufträge dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz, deren Auftragswert die EU-Schwellenwerte von 200.000,00 EUR im Dienstleistungsbereich und 5 Mio. EUR bei Bauaufträgen nicht erreicht bzw. die den Ausnahmetatbeständen des § 100 Abs. 2 GWB unterfallen. Im konkreten Fall ging es um Beschaffungsleistungen für das Verteidigungswesen, die nach § 100 Abs. 2 lit e) GWB von dem Vergaberecht der §§ 97 ff. GWB ausgenommen sind.
„Zweistufige Auftragsvergabe“
Das OVG stützt seine Entscheidung auf die Regelung der Verwaltungsgerichtsordnung, wonach der Verwaltungsgerichtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten eröffnet ist, soweit es nicht um verfassungsrechtliche Fragen geht und nicht ausdrücklich die Zuständigkeit eines anderen Gerichtes vorgesehen ist. Ausdrücklich widerspricht das OVG dabei der Auffassung, dass die staatliche Auftragsvergabe insgesamt dem Privatrecht unterfalle. Zur Begründung verweist das Gericht darauf, dass dem Abschluss des privatrechtlichen Vertrages, also der Annahme des Angebotes durch Zuschlagserteilung als zweiter Stufe, eine erste Stufe in Gestalt eines eigenständigen Vergabeverfahrens vorausgehe. Allein die Annahme eines derartigen Stufenverhältnisses werde dem von Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich gebotenen Primärrechtsschutz gerecht. Es sei insoweit zu berücksichtigen – so das OVG –, dass staatliche Entscheidungen, durch die subjektive Rechte verletzt werden könnten – im konkreten Fall die Vergabeentscheidung –, nicht vollzogen werden dürften, wenn hierdurch vollendete Tatsachen geschaffen würden. Der Verweis auf einen Sekundärrechtsschutz, also die Beschränkung auf etwaige Schadensersatzansprüche, werde den verfassungsrechtlichen Anforderungen dann nicht gerecht.
„Erste Stufe unterliegt öffentlich-rechtlichen Bindungen“
Die erste Stufe der staatlichen Auftragsvergabe, also das Vergabeverfahren, unterliegt nach Auffassung des Gerichts öffentlich-rechtlichen Bindungen. Dies ergebe sich aus der haushaltsrechtlichen Pflicht, wonach dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen müsse, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigten. Das Haushaltsrecht schreibe zudem vor, dass beim Abschluss von Verträgen nach einheitlichen Richtlinien zu verfahren sei. Eine derartige Richtlinie stelle – so das Gericht – die VOL/A dar, die als zunächst interne Verwaltungsvorschrift von der Vergabestelle zu beachten und ausweislich der Entscheidung über die Vergabeart von der Antragsgegnerin auch tatsächlich angewandt worden sei. Die Rechtswirkung der VOL/A beschränke sich jedoch nicht nur auf eine interne Bindung der Vergabestelle, vielmehr entfalte sie als Verwaltungsvorschrift aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 GG auch Rechtswirkung nach außen. Sie gewähre zudem auch unterhalb der Schwellenwerte subjektive Rechte zugunsten der Bieter. Dies beruhe darauf, dass Leistungen nach § 2 VOL/A im Wettbewerb zu vergeben seien und insbesondere bei der Vergabe von Leistungen Unternehmen nicht diskriminiert werden dürften. Insgesamt handele es sich damit bei der staatlichen Auftragsvergabe um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Die §§ 102 ff. GWB, die das Nachprüfungsverfahren regelten, enthielten zwar eine Sonderzuweisung zu den Vergabekammern und -senaten. Wenn diese aber nicht zur Anwendung käme – sei es weil die Aufträge die EU-Schwellenwerte nicht erreicht seien, sei es, weil sie unter die in § 100 Abs. 2 GWB vorgesehenen Ausnahmen fielen –, verbleibe es bei dem Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten.
Entscheidung stellt Trennung des Rechtsschutzes in Frage
Sollte sich die Auffassung des OLG Koblenz durchsetzen, ist die Zweiteilung des vergaberechtlichen Rechtsschutzes in Frage gestellt. Bislang haben unterlegene Bieter keine Möglichkeit, die Vergabe von öffentlichen Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte gerichtlich überprüfen zu lassen. Sie sind allein darauf verwiesen, etwaige – in der Praxis schwer durchsetzbare – Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Nach dem OVG-Beschluss können nicht berücksichtigte Bieter dagegen zukünftig die Vergabe von Liefer-, Dienstleistungs- oder Bauaufträgen, die nicht dem Vergaberecht der §§ 97 ff. GWB unterfallen, von den Verwaltungsgerichten überprüfen lassen und dem öffentlichen Auftraggeber – ggf. durch eine einstweiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts – untersagen, den Zuschlag zu erteilen. In der Praxis dürfte dies allerdings schwer möglich sein, da § 13 VgV, wonach die unterlegenen Bieter vor Zuschlagserteilung über das Vergabeergebnis informiert werden müssen, unterhalb der Schwellenwerte nicht gilt. Ein Vergabeergebnis, das sie nicht kennen, werden nichtberücksichtigte Bieter jedoch – auch verwaltungsgerichtlich – kaum angreifen können. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die OVG-Entscheidung auch Einfluss auf die anstehende nationale Vergaberechtsnovelle haben wird. Nach den bisherigen Vorstellungen des federführenden Bundeswirtschaftsministeriums soll der vergaberechtliche Rechtsschutz nicht auf Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte ausgedehnt werden. Im Vergleich zu dem – mitunter sich hinziehenden – verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz dürfte ein – vergleichsweise schnelles – vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren jedoch viel eher den Interessen aller Beteiligten entsprechen, da die Vergabekammer grundsätzlich innerhalb von fünf Wochen entscheiden muss und sich hieran nur eine einzige Rechtsmittelinstanz vor dem Oberlandesgericht anschließt. Eine Verzögerung von Investitionsvorhaben wäre damit wirksam ausgeschlossen.