Mit Beschluss vom 19.02.2014 (1 Verg 8/13) hat der Vergabesenat des OLG Koblenz dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob das europäische Vergaberecht mit § 3 Landestariftreuegesetz Rheinland-Pfalz (LTTG RP), der im Falle der Nichtvorlage einer Mindestentgelterklärung einen Angebotsausschluss vorsieht, vereinbar ist.
Sachverhalt
In dem zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um die Ausschreibung von Postdienstleistungen im offenen Verfahren. Die Vergabeunterlagen beinhalteten das Muster einer Mindestentgelterklärung, die die Bieter dem öffentlichen Auftraggeber mit ihren Angeboten vorlegen mussten. Darin war nach § 3 LTTG-RP vorgesehen, dass der spätere Auftragnehmer verpflichtet ist, den Beschäftigten bei der Leistungsausführung mindestens das nach der jeweils gültigen Landesverordnung zur Festsetzung des Mindestentgelts zu zahlende Entgelt zu zahlen. In diesem Zusammenhang waren die Bieter gleichermaßen verpflichtet, dem öffentlichen Auftraggeber im Falle des geplanten Einsatzes von Nachunternehmern oder Beschäftigten eines Verleihers entsprechende Mindestentgelterklärungen vorzulegen. Ein Bieter beanstandete die Forderung als vergaberechtswidrig. Er fügte seinem Angebot für die genannten Nachunternehmer stattdessen selbstverfasste Erklärungen bei. Der öffentliche Auftraggeber teilte dem Bieter daraufhin mit, dass das Angebot nicht gewertet werden könne, woraufhin der Bieter ein Nachprüfungsverfahren einleitete.
Entscheidung
Das OLG Koblenz hat das Beschwerdeverfahren ausgesetzt und dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt.
Der Senat führt in seinem Beschluss aus, dass eine nationale Regelung über ein Mindestentgelt dazu geeignet sei, Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten mit einem niedrigeren Preis- und Lohnniveau im Wettbewerb um öffentliche Aufträge zu benachteiligen. Dies verstoße gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 AEUV. Jedoch sei es den Mitgliedstaaten im Rahmen der Richtlinie 96/71/EG („Entsenderichtlinie“) nicht grundsätzlich untersagt, eine nationale arbeitsrechtliche Regelung, wie vorliegend § 3 Abs. 1 LTTG-RP, auch auf Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten zu erstrecken. Fraglich sei daher, ob § 3 Abs. 1 LTTG-RP eine Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Entsenderichtlinie darstelle. Der Senat neigt zwar dazu, dies zu verneinen. Er hält den Wortlaut der Richtlinienbestimmung jedoch für auslegungsbedürftig.
Davon ausgehend hat der Senat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Vorgabe an einen öffentlichen Auftraggeber nach § 3 LTTG-RP, nur Unternehmen zu beauftragen, die und deren Nachunternehmer sich bei der Angebotsabgabe verpflichten, den mit der Auftragsausführung befassten Mitarbeitern einen staatlich festgelegten Mindestlohn zu zahlen, gegen Europarecht verstößt.
Für den Fall, dass diese Frage verneint werden sollte, hat der Vergabesenat des OLG Koblenz zudem die Frage nach der Vereinbarkeit von § 3 Abs. 1 Satz 3 LTTG-RP, der einen Angebotsausschluss bei fehlenden Mindestentgelterklärungen vorsieht, mit Europarecht vorgelegt.
Fazit
Aufgrund des gegenständlichen Vorabentscheidungsgesuchs prüft der EuGH nun schon zum wiederholten Male die Vereinbarkeit eines Landestariftreuegesetzes mit Europarecht. Bereits mit Beschluss vom 22.10.2013 (VK 18/13) hatte die Vergabekammer Arnsberg § 18 TVgG NRW auf dessen Vereinbarkeit mit europäischem Recht dem EuGH vorgelegt. Es ist davon auszugehen, dass der EuGH in beiden Verfahren eine einheitliche Linie verfolgen wird. Das Ergebnis bleibt mit Spannung zu erwarten.