Dass in Deutschland Baugenehmigungsverfahren lange Zeiten in Anspruch nehmen, ist zum Leidwesen der Bauwirtschaft allgemein bekannt. Mit dem nunmehr beschlossenen und am 07.07.2023 in Kraft getretenen „Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften“ möchte der Gesetzgeber das Verfahren zur Bauleitplanung digitalisieren und damit die Planaufstellung beschleunigen. Diese Bausteine sollen zumindest auf Bundesebene Entlastung bringen. Auch beinhaltet das Gesetz weitere Neuerungen, die man nicht unter den Titel Digitalisierung vermuten würde.
Die Novelle des BauGB und einiger anderer Gesetze beinhaltet mehrere kleinere Änderungen, deren wichtigste nachfolgend dargestellt werden sollen:
Eine – nur auf den ersten Blick große Änderung – stellt die Anpassung der formellen Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB dar. Während in der alten Fassung die Entwürfe der Bauleitpläne sowie ihre Begründung und die wesentlichen umweltbezogenen Stellungnahmen in Papierform ortsüblich auszulegen waren, hat mit der Novelle eine Veröffentlichung über das Internet zu erfolgen. Ein großer Systemwechsel erfolgte dadurch jedoch nicht. Bereits nach § 4a Abs. 4 S. 1 BauGB a.F. war eine Veröffentlichung im Internet neben der Auslegung zwingend vorgeschrieben. Nunmehr haben Planungsgeber neben der Online-Veröffentlichung ergänzende Zugangsmöglichkeiten zu schaffen. Hierunter fallen unter anderem öffentlich zugängliche Lesegeräte sowie der frühere klassische Regelfall, nämlich die öffentliche Auslegung.
Auch die Form der Öffentlichkeitsbeteiligung soll zukünftig digitaler werden. Während noch bei der alten Öffentlichkeitsbeteiligung die Stellungnahmen der beteiligten Öffentlichkeit in jeglicher Form abgegeben werden konnten, sieht der Gesetzgeber nunmehr die elektronische Stellungnahme als Regelfall an, lässt aber auch sonstige Beteiligungsformen „bei Bedarf“ zu. Da der Bedarfsfall, etwa bei einer postalischen Stellungnahme, nicht weiter begründet werden muss, bleibt abzuwarten, inwieweit sich der Regelfall durchsetzen und zu Beschleunigungen führen wird.
Digitalisiert wurde auch die Behördenbeteiligung. Zukünftig sollen die von einer Planung berührten Behörden ihre Stellungnahmen elektronisch übermitteln. Eine Ausnahme ist nur in atypischen Fällen, etwa bei Stromausfall oder Hacker-Angriffen, zulässig.
Neuerungen gibt es auch für den Fall der Planentwurfsänderung oder -ergänzung. Zukünftig muss nach § 4a Abs. 3 BauGB eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung unterbleiben, wenn mit der Änderung oder Ergänzung offensichtlich keine erstmalige oder stärkere Berührung von Belangen verbunden ist. Weiterhin soll vom Plangeber die Stellungnahme nur der betroffenen Öffentlichkeit sowie der berührten Behörde und sonstigen Trägern öffentlicher Belange eingeholt und die Stellungnahmefristen angemessen verkürzt werden.
Nach der Novelle können auch die Baulandkataster zukünftig elektronisch geführt werden. Die bebaubaren Flächen können in Form von Lageplänen im Internet veröffentlicht werden.
Eine wesentliche Änderung betrifft das Genehmigungserfordernis der höheren Verwaltungsbehörde für die Flächennutzungsplanung nach § 6 Abs. 4 S. 1 1. Halbsatz BauGB. Zukünftig verkürzt sich die Genehmigungsfrist von drei Monaten auf einen Monat. Hat die höhere Verwaltungsbehörde die Frist nicht eingehalten oder nach § 6 Abs. 4 S. 2 BauGB verlängert, gilt die Genehmigung des Flächennutzungsplans als erteilt.
Neben Fragen der Planungsdigitalisierung betrifft die Novelle auch einzelne materiell-rechtliche Aspekte des Bauplanungsrechtes. Mit der Novelle können ergänzend zum bisherigen Befreiungsregime nach § 31 Abs. 2 Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplanes erteilt werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und der Bedarf zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden oder an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energie die Befreiung erfordert. Ebenso schuf der Gesetzgeber für das Bauen im Außenbereich einen neuen Privilegierungstatbestand. Vorhaben, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Abs. 1 Nr. 5 lit. a, b oder c EEG dienen, können unter der Voraussetzung privilegiert zugelassen werden, wenn das Vorhaben in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 BauGB steht, die Grundfläche der besonderen Solaranlage nicht 25.000 m² überschreitet und je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben wird.
Zum Schluss verstetigt der Bundesgesetzgeber die zur Folgenbekämpfung der Hochwasserkatastrophe geschaffene Sonderregelung des § 246c BauGB. Die ursprünglich bis zum Ablauf des 31.12.2022 limitierte Regelung gibt nunmehr in jedem Katastrophenfall den Landesregierungen die Möglichkeit, Wiederaufbaugebiete festzusetzen. Innerhalb von Wiederaufbaugebieten gelten bestimmte verfahrensmäßige wie auch materiell-rechtliche Erleichterungen. So kann beispielsweise innerhalb eines Wiederaufbaugebiets im Einzelfall von §§ 29 bis 35 BauGB abgewichen werden, um dringend benötigte bauliche Anlagen oder Infrastruktureinrichtungen zu verwirklichen. Ebenso können zerstörte Gebäude baurechtlich erleichtert wiedererrichtet werden.
Das Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften nimmt auch weitere kleinere Änderungen in weiteren Regelwerken vor.
Hierzu gehört die Anpassung der BauNVO, die zukünftig in Gewerbegebieten und Industriegebieten auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie zulässt. Mit der Änderung der BauNVO werden Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbarer Energie auch in Form einer untergeordneten Nebenanlage i. S. d. § 14 Abs. 1 BauNVO sowie bei der Grundflächenberechnung in Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten i. S. d. § 19 Abs. 5 BauNVO privilegiert.
Eher untergeordnete Änderungen betreffen das Windenergieflächenbedarfsgesetz, das Erneuerbare-Energien-Gesetz sowie das Wasserhaushaltsgesetz.
Diese Novelle enthält viele kleine Anpassungen, deren Auswirkungen auf die Beschleunigung der Planaufstellung sich noch in der Praxis beweisen müssen. Gespannt sein darf man auch auf die große Novelle des BauGB. Die Bundesregierung plant noch dieses Jahr eine umfangreiche Anpassung des BauGB, für die das Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften nur einen kleinen Baustein liefert.
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